Oliver Twist (Großbritannien 1948)
Oliver Twist erzählt vom Leidensweg eines dem Londoner Armenhaus
entlaufenen Waisenjungen, der als Zehnjähriger in die Netze des
Trödlers Fagin und dessen Bande von Kindertaschendieben gerät.
Mit David Leans Adaption von Charles Dickens' Roman beginnt die KochMedia
ihre Classic Movie Collection. Und wie bei den vorherigen
Veröffentlichungen der Thriller und Horror Collection hat man sich auch
hier rundum Mühe gegeben, um eine endgültige Version für
nostalgische Filmfreunde und Cineasten auf den Markt zu bringen. Dies fängt
schon bei den Äußerlichkeiten an: Das 2er-DVD-Set befindet sich
in einer stabilen und hübsch gestalteten Pappschachtel zum Aufklappen,
die man sich natürlich gerne ins Regal stellt. Neben den beiden Silberlingen
liegt der Schachtel noch ein kleines Booklet bei, in dem ausführlich
die Geschichte der literarischen Vorlage und der Dreharbeiten, vor allem
aber die den Film begleitenden internationalen Kontroversen um die Darstellung
des Straßendiebs Fagin (Alec Guiness), der rein äußerlich
antisemitischen Stereotypen nachempfunden war, genauer beleuchtet.
Vor allem unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich um eine
filmhistorisch ungemein wichtige Edition: In Deutschland wurden dem Film
- nach regelrechten Straßenschlachten zwischen protestierenden Juden
und den Ordnungskräften im britischen Sektor Berlins, wo die englische
Originalfassung gezeigt wurde - seinerzeit über 20 Minuten und somit
nahezu alle Auftritte von Guinness entfernt: Internationaler Schnittrekord.
Erstmals liegt der Film nun in der eigentlich intendierten Schnittfassung
vor, alle zuvor entfernten Sequenzen wurden dem Film wieder eingefügt.
Und man hat Sorgfalt walten lassen: Die Szenen wurden nicht etwa
nachsynchronisiert, sondern sind - gewissermaßen als
Erinnerungsstücke an die vormalige Zensur - im Originalton belassen
und deutsch untertitelt. |
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Dies verleiht dieser Veröffentlichung durchaus der Charakter
einer kritischen Ausgabe, die einerseits den Film in der historisch
gültigen Version zeigt, andererseits aber auch seine Zensurgeschichte
hierzulande auf den Filmmillimeter genau zusammenfasst. Es versteht sich
von selbst, dass man natürlich auch über das Bonusmenu alle
geschnittenen Sequenzen einzeln und direkt anwählen kann, um sich einen
detaillierten Überblick von Intention und Stoßrichtung der damaligen
Schnittmeister zu verschaffen.
Auch ansonsten ist die DVD gelungen: Leans schaurig schön
gestalteter, an die Bildästhetik des filmischen Expressionismus der
20er Jahre erinnernder Film präsentiert sich in einer bislang ungekannten
Bildqualität. Das Bild ist für einen Film dieses Alters
außergewöhnlich scharf, praktisch rauschfrei und verschafft durch
einen sorgfältig ausgepegelten Kontrast dem steten Spiel mit Licht und
Schatten ordentlich Geltung. Auch der Ton lässt angesichts des Alters
kaum Wünsche offen, lediglich die deutsche Tonspur wirkt im direkten
Vergleich, vor allem was die musikalische Untermalung betrifft, etwas steril
und dünn. Die Bonusecke unterstreicht den Archiv-Charakter dieser
Veröffentlichung: Neben einer Fülle an ausgesuchtem Bildmaterial
von vor und hinter den Kulissen gibt es dort noch ein kleines Feature mit
Erinnerungen diverser Produktionsbeteiligter an die Dreharbeiten. Hier wird
die Aufmerksamkeit des Filmfreunds mit einigen interessanten Anekdoten belohnt,
so erfährt man etwa wie sich Alec Guinness, damals gerade mal 33 und
vom Image her eher Typ Sunnyboy, um die Rolle des alten Fagin bemühte.
Ansonsten findet sich noch übliches Beiwerk wie Trailer, Biografien
und ähnliches: Auch hier wurde solide Arbeit geleistet.
Als besonderes Extra befindet sich auf der zweiten DVD (eigentlich
nur eine CD-ROM) eine Vollversion von Reclams elektronische, Filmlexikon
für den PC. Auf diesem digitalen Pendant zur bekannten Buchausgabe befinden
sich Texte zu mehreren Hundert ausgewählten Filmen, die einen guten
Überblick über die Filmgeschichte ermöglichen sollen, und
biografische Vorstellungen einiger wichtiger internationaler Regisseure.
Leider aber handelt es sich hierbei um eine etwas ältere und somit hier
und da nicht immer aktuelle Version, die auch von den speziellen
Möglichkeiten einer Multimedia-CD-ROM keinen Gebrauch macht: Wo man
hinblickt Bleiwüste, nach kurzen Filmausschnitten oder Soundsamples
sucht man vergebens, auch Hyperlinks innerhalb der Applikation oder spezielle
Sortiermöglichkeiten gibt es keine. So bleibt das Lexikon lediglich
gut gemeinte Dreingabe, die aber im direkten Vergleich etwa mit dem digitalen
Lexikon des internationalen Films, das dem Medium wesentlich gerechter wird,
kaum zu überzeugen weiß.
Im Großen und Ganzen ist der KochMedia mit diesem Set eine rundum
zu begeistern wissende Edition geglückt, die auf weitere Glücksgriffe
der Classic Movie Collection hoffen lässt. Vor allem filmhistorisch
orientierte DVD-Freunde dürfen wohl schon mal Platz im Regal
machen. |
Technische Details
Bild: 4:3 Vollbild
Ton: Deutsch, Englisch (je Dolby Digital Mono 2.0)
Untertitel: Deutsch
Laufzeit: 112 Minuten
Regionalcode 2
Zusatzmaterial
Begleitheft, Feature, geschnittene Szenen, Trailer, Biografien,
Fotogalerien, Reclams elektronisches Filmlexikon (Vollversion)
(Thomas Groh) |