Margarethe von Trotta: Rosenstraße (Deutschland
2003)
In New York verbirgt sich die deutschstämmige Jüdin Ruth
Weinstein nach dem Tod ihres Gatten hinter ihrer "neuentdeckten jewishness"
und ordnet ihren (erwachsenen) Kindern gleiches an. Die bilingual aufgewachsene
Tochter Hannah, eine Journalistin, ordnet sich dem indes nicht unter. Ein
klärendes Gespräch - auch etwa über die Emigration der Mutter
aus dem Dritten Reich - wird seitens der Mutter abgeblockt. Die Journalistin
zieht es im folgenden nach Berlin, wo sie die adlige und greise Lena Fischer
auftut, die sie mit der traumatisierten Biografie der Mutter in Verbindung
bringen kann. Als deutschsprachige New Yorker Journalistin bittet sie die
alte Dame um einige Interviews, verschweigt aber vorerst ihre eigentliche
Identität. In mehreren Sitzungen entfalten sich vor Hannah die tragischen
Umstände der jüngsten Lebensjahre ihrer Mutter: Zuzeiten des Dritten
Reichs war Lena eine von vielen "Arierfrauen in Mischehe", deren jüdische
Gatten während des 2. Weltkriegs zusammen mit anderen in einem Gebäude
in der Rosenstraße provisorisch interniert wurden, um vermutlich in
ein Konzentrationslager überführt zu werden. Auf der Straße
davor sammelten sich die Ehefrauen zum mal schweigsamen, mal engagierten
Protest. Reibereien mit den Ordnungskräften und Institutionen sind die
Folge. Dort vor dem Gebäude macht Lena die Bekanntschaft mit der kleinen
Ruth, deren Mutter sich ebenfalls in Gefangenschaft befindet. Nach einigem
Hin und Her nimmt sie das Mädchen, Hannahs spätere Mutter, bei
sich auf. Als Lenas Bruder dekoriert, aber versehrt von der Ostfront
zurückkehrt und erschüttert von Konzentrationslagern und grausigen
Massenerschießungen berichtet, verschärft sich der Protest der
Frauen unter den Eindrücken des Luftkriegs zusehends ... |
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Margarethe von Trottas offensichtliches Herzensprojekt war bei
seiner Kinoauswertung von Kontroversen begleitet. Vor allem Wolfgang Benz,
der Leiter des Berliner Instituts für Antisemitisforschung, warf dem
Film in der Süddeutschen vor, "Geschichte auf den Kopf zu stellen und
neue Mythen zu erfinden" (zit. nach
angelaufen.de), was
durch eine Authentifizierung der an sich fiktiven Spielhandlung vor historischer
Kulisse mittels einer entsprechenden Notiz im Vorspann besonders ins Gewicht
falle. In der Jungle World wiederum kritisierte man einige Aspekte der Produktion
von hinter den Kulissen, wie das eher zweifelhafte Casting-Gebahren, und
zweifelhafte Befindlichkeiten, die sich im Film, trotz seines engagierten
Gestus, widerspiegeln. Die Kontroverse vor allem um Benz' Kritik zog weite
Kreise: Eher weiche und unbeholfene Stellungnahmen der Regisseurin folgten
im Fernsehen, im Feuilleton diskutierte man über mehrere Artikel hinweg
das Spannungsverhältnis von historischer Faktizität und
filmisch-fiktiver Aufarbeitung.
Nach der Sichtung auf DVD ist der Kritik am Film über weite Strecken
zuzustimmen. Rosenstraße ist in Gestaltung und Tenor von einer Emphase
gegenüber jener Episode des Nazi-Vernichtungsfeldzugs gezeichnet, die
über bloße Entrüstung über die Internierung der Gatten
und die Respektbekundung gegenüber den Ehefrauen in über zwei Stunden
Spielzeit kaum hinauskommt. Das ist zwar ohne Zweifel gutgemeint, kann jedoch
in einem filmischen Versuch allenfalls die Grundlage für weiteres stellen
- ansonsten droht die Rührstückfalle. Eine intellektuelle Aufarbeitung
des historischen Phänomens hat offensichtlich jedoch kaum stattgefunden.
Die unter anderem auch deshalb vorgeschoben wirkende und dramaturgisch gesehen
eher hinderliche Rahmenhandlung im Hier und Jetzt, die selbst mit ein paar
Folklore-Projektionen und Kohärenzproblemen zu kämpfen hat, wirkt
diesbezüglich wie eine fadenscheinige Entschuldigung. Wenn Benz dem
Film vorwirft, lediglich eine "Klamotte" darzustellen, mag dies vielleicht
krass formuliert sein, entbehrt aber nicht eines wahren Kerns: Rosenstraße
wirkt mit seiner holzschnittartigen Erzählung und Figuren über
weite Strecken wie die filmische Aufarbeitung eines knappen Bilderbuchs
über das Dritte Reich - entsprechende Verkürzungen,
Dämonisierungen und unpassende, spekulative Dramatisierungen inklusive.
Das haben weder die Thematik der Shoah und deren Aspekte im Allgemeinen,
noch die historischen Frauen aus der Rosenstraße im Besonderen
verdient.
Zur Besprechung lag die Leihversion von Eurovideo vor. Diese kommt,
wie im Verleihsegment meist üblich, recht "blank" daher. Angaben zu
etwaigen Bonusmaterial der im Juni erhältlichen Verkaufsversion sind
hier deshalb leider nicht möglich; Eurovideo hat für den Handel
aber viele Extras auch über die obligatorischen Dreingaben hinaus
angekündigt. Die Bildqualität der Veröffentlichung ist soweit
passabel und annehmbar, allerdings fällt vor allem in dunklen oder von
großen Farbflächen getragenen Szenen eine stete Blockbildung auf.
Dadurch wirkt das Bild zuweilen etwas unruhig. Auch die Detailschärfe
lässt ein wenig zu wünschen übrig, was vor allem der
Linienführung einiger Szenen mit weitem Blickfeld undienlich ist. Der
Ton hingegen ist glasklar und tadellos. Untertitel wurden leider keine beigegeben
- Menschen mit beeinträchtigtem Gehör haben das Nachsehen. Insgesamt
hätte man bestimmt noch mehr aus den technischen Gegebenheiten des Mediums
und dem zugrunde liegenden Material holen können: Ein Release von eher
durchschnittlicher Qualität also. |
Technische Details
Bild: 2,35:1, 16:9 anamorph
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0)
Untertitel: keine
Regionalcode: 2 / PAL
Laufzeit: ca. 130 Min.
Zusatzmaterial
Verleihversion: keines
Verkaufsversion (angekündigt): Making Of, Interviews mit allen
Hauptdarstellern, Interview mit Margarethe von Trotta, Audiokommentar von
Margarethe von Trotta, "Behind-the-Scenes"-Sequenzen, Cast & Crew Infos,
Produktionsnotizen, Kinotrailer
(Thomas Groh) |