Damiano Damiani: Töte Amigo (Quien Sabe?, Italien
1966)
Zu Beginn eine militärische Hinrichtung. "Wir kämpfen für
unser Land und unsere Freiheit - es lebe Mexiko", ruft der eine noch, bevor
er im Kugelhagel sein Leben lassen muss. "Ihr gottverdammten Schweine", bleiben
seine letzten Worte. Es folgt ein Kommentar aus dem Off: 1 Million Tote,
so die traurige Bilanz nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands
mexikanischer Landarbeiter. Keine Frage: Töte Amigo, 1967 vor den
Eindrücken des Vietnamkriegs in einer Phase der italienischen Filmproduktion
gedreht, in der viele Regisseure die Form des Westerns als Transportvehikel
für ihre linken Überzeugungen nutzten, will von Anfang an ernstgenommen
werden und sich der Reihe großer, epischer Western einfügen.
Über weite Strecken gelingt ihm das auch sehr gut.
Erzählt wird die Geschichte des jungen, beinahe schon bilderbuchhaft
anämisch-puritanisch charakterisierten US-Amerikaners Bill Tate (Lou
Castel), der sich als Reisender nach einem Zugüberfall in der mexikanischen
Sierra aus zunächst kaum durchschaubaren Gründen freiwillig in
die Hände der "Revolutionäre" übergibt. Hierzu inszeniert
er sich als Gefangener auf seinem Transport, der zudem - was hingegen der
Wahrheit entspricht - den Zugführer niedergeschossen und die Bahn angehalten
hat. Er bietet der Gruppe seine Dienste an und freundet sich im weiteren
Verlauf zunehmend mit deren Anführer El Chuncho an. Dieser erweist sich
schon bald weniger als Idealist, sondern eher als sorgloser Hedonist, dem
es vor allem ums Geld geht - dem steht Chunchos Bruder El Santo (Klaus Kinski)
gegenüber, ein Priester mit Gewehr, der wortwörtlich mit Feuer
und Flamme seine Ziele verfolgt. |
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Zum Zweck der Bereicherung verkauft die Gruppe die bei Raubzügen
erbeuteten Waffen an den eigentlichen Revolutionsführer, an einen General,
der sich in der Wüste versteckt hält. Nach mehreren gemeinsamen,
erfolgreich bestandenen Raubzügen, die den Banditen zudem ein
Maschinengewehr einbrachten, drängt Tate darauf, die Beute endlich zu
Geld zu machen ...
Trotz seiner Actionlastigkeit - vor allem in der ersten Hälfte
vergeht kaum eine Passage ohne kämpferische Auseinandersetzung - ist
Töte Amigo ohne weiteres auch als ernstzunehmender, parabelhafter
Kommentar zum Zeitgeschehen lesbar. Seine Figuren dienen ihm dabei als zum
Teil ganz überspitzt dargestellte Prototypen aus dem Arsenal politischer
Folklore: Santo als pervertiert-fanatischer Revolutionär, der seine
Gegner einen sadistischen Tod sterben lässt, Chuncho als beinahe schon
sympathischer Hedonist, der in der Revolution vor allem die Möglichkeit
zu einem Leben voller Lust und Abenteuer sieht, dabei aber seine ganz eigene
Hybris erfährt, und schließlich Tate als deutlich so zu erkennende
Personifikation der USA und ihrem Verhalten auf dem internationalen Parkett,
wie es der Einschätzung der Linken der späten 60er entspricht.
Dass die Ausführung holzschnittartig bleibt, mag dabei zum einen dem
Zeitgeist geschuldet sein, zum anderen dem die Narration stets bestimmenden
Korsett des Genrefilms. Das im Film ausbuchstabierte Statement spricht dabei
die deutliche Sprache der damaligen Zeit: "Kauf kein Brot, kauf Dynamit"
sind die letzten Worte im Film. An die düstere Epik beispielsweise der
Leone-Western lehnt man sich dabei zwar an, doch erreicht man dieses Niveau
vor allem aufgrund der eher einfach gestrickten, vor allem aber leicht
durchschaubaren Geschichte nur teilweise. Dennoch ist der Film ohne Zweifel
zu den großen Klassikern des Subgenres zu zählen und die Tatsache,
dass der Film hierzulande nun erstmals in einer ungekürzten Version
zu sehen ist, ist mehr als erfreulich.
Die Fassung von Koch Media fällt an sich solide aus, hat allerdings
auch mit ein paar Schwachpunkten im Detail zu kämpfen. Diese sind jedoch
kaum Koch Media selbst anzulasten, sondern zeugen eher von dem saumseligen
Umgang mit Genrefilmen der letzten Jahrzehnte im Allgemeinen, mit dem
Italo-Western im Besonderen. Dies korrespondiert mit den Verlautbarungen
anderer Labels, die Filme dieses Subgenres auf den Markt bringen und dabei
zum Teil vor kaum zu bewältigenden Problemen beim Zusammenstellen einer
einwandfreien Edition stehen. Die Bildqualität ist dabei ohne weiteres
fabelhaft gelungen - das zugrunde liegende, offenbar sehr gut erhaltene Material
und der solide Transfer verleihen dem Technicolor-Film über weite Strecken
optische Brillanz. Nur gelegentlich, vor allem bei Aufnahmen mit viel Himmel
im Bild, ist ein leichtes Bildrauschen zu bemerken. Die Tonspur entwickelt
hingegen zumindest in der deutschen Sprachfassung beinahe schon
Stückwerk-Charakter: Da der Film in Deutschland bislang nur erheblich
gekürzt zu sehen gewesen ist, wechselt der Film in schöner
Regelmäßigkeit zwischen der deutschen und englischen Tonspur.
Zwar ist der Film in Deutschland seinerzeit komplett synchronisiert worden
- die Liner Notes bestätigen dies -, doch war ein Zugriff auf diese
Tonspur offenbar nicht mehr möglich. Die vorliegende Edition erscheint
somit auch als Dokument des zweifelhaften Verhaltens mancher deutscher
Filmverleiher gegenüber ihren Filmen: So fielen in der alten Fassung
nicht nur einige Gewaltszenen (hier wurde bemerkenswert wenig gekürzt)
der Verleihwillkür zum Opfer, auch zahlreiche handlungstragende Sequenzen
wurden entfernt. Offenbar war man an der Vermarktung eines schnellen,
reißerischen Films interessiert und rieb sich etwas an dessen epischen
Ausrichtung. Die Rechnung zahlt der heutige Filmfreund, der nun in der deutschen
Fassung mit einer beinahe schon nervig unsteten Tonspur zu kämpfen hat.
Die wieder eingefügten Szenen wurden dabei mit eigenen Untertiteln versehen,
die in den synchronisierten Stellen nicht zum Tragen kommen. Eine lobenswerte
Vorgehensweise, die allerdings in ihrer Umsetzung etwas unbefriedigend bleibt:
Gelegentlich springen die Untertitel etwas zu früh an und untertiteln
bereits noch deutsch belassene Stellen. Zudem fallen in den letzten Minuten
ein paar Masteringfehler auf der deutschen Tonspur auf: Dort sind einige
Tonartefakte wie von schlecht erstellten MP3-Dateien zu hören.
In der Bildergalerie gibt es wie stets alte Aushangmaterialien zu
sehen; ein wenig schade ist es, dass hierbei die einzelnen Repros das Bild
selbst überlappen, bzw. nur auszugsweise zu sehen sind. Da war die alte
Lösung - bildschirmfüllende und auf diesen auch ausgerichtete
Reproduktionen - besser. Zudem finden sich ausführliche Biografien von
Klaus Kinski und Gian Maria Volonté, die jedoch an der in Folge der
Textmasse pro Tafel etwas klein geratenen Schrift leiden.
Insgesamt eine solide Veröffentlichung, der im Detail noch etwas
mehr Sorgfalt gut getan hätte. Obendrein erfreulicher Umstand am Rande:
Der Film wurde von der FSK mit dem Siegel "Keine Jugendfreigabe" (früher:
FSK18) versehen und ist somit nach der Novellierung des Jugendschutzgesetzes
im Jahr 2003 von der BPjM nicht mehr indizierbar - seine vormalige Indizierung
ist somit aufgehoben, der Film ist frei erhältlich und bewerbbar. |
Technische Details
Bild: 2,35:1 4:3
Ton: Deutsch, Englisch (je Dolby Digital 2.0)
Untertitel: deutsch (nur ehedem entfallene Szenen)
Regionalcode: 0 / PAL
Laufzeit: ca. 118 Min.
Zusatzmaterial:
Bildergalerie, drei Kinotrailer, Liner Notes
(Thomas Groh) |