Rainer Werner Fassbinder/Michael Fengler: Warum läuft Herr R.
Amok? (Deutschland 1970)
Warum läuft Herr R. Amok? ist nur auf den ersten Blick ein im
Werk außergewöhnlicher Fassbinderfilm. Das formal Ausgeklügelte
und theaterhaft Gestelzte, wie man es aus anderen, gemeinhin als "typisch"
wahrgenommenen Filmen kennt, wird hier durch eine oft an amateurhafte
Privataufnahmen erinnernde Kameraarbeit und improvisierte Dialoge ersetzt.
Beinahe schon episodisch und ohne als solche nennenswerte Narration schildert
Fassbinder mit seinem Team den Alltag von Herr R. (der wie stets großartige
Kurt Raab), einem technischen Zeichner in einem Architekturbüro und
sprachlich nicht sonderlich belecktem Spießbürger. Das
alltägliche in den Bildern, das oft schon einschläfernd undramaturgisch
wirkt, entwickelt - nicht zuletzt bedingt durch den Titel des Films, der
den Endpunkt stets im Raum stehen lässt - trotz allem eine gefährliche
Spannung, die sich an der mangelnden Dramaturgie effektiv reibt. |
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Mit dem Werk Fassbinders verbindet den Film letztendlich das Anliegen:
Ein Bloßstellen spießbürgerlicher Muffigkeit der
post-wirtschaftswunderbaren Jahre, inklusive der Beschädigungen, die
diese untergründig mit sich bringt. Dass der Film dabei auf eine
Kausalstruktur verzichtet, diese schon allein durch seinen Titel nicht in
Aussicht stellt, gereicht ihm dabei natürlich zum Vorteil, machte ihn
aber seinerzeit auch zum Gegenstand zahlreicher Kontroversen: Unvermittelt
erschlägt Herr R., dieser Prototyp des normalen, unauffälligen
eher etwas ungelenken Kleinbürgers, Nachbarin, Gattin und Sohn vor laufendem
Fernsehgerät mit dem Kerzenständer. Er selbst richtet sich auf
der Angestelltentoilette seiner Arbeitsstätte. Seine Kollegen, die Polizei:
Ratlos.
Kinowelt/Arthaus baut seine kleine Fassbinder-Reihe mit dieser gelungenen
Edition weiter aus. Von Bild und Ton sind aufgrund der bewussten Ästhetik
des Films natürlich keine Referenzleistungen zu erwarten, können
vor diesem Hintergrund aber weitgehend bestehen. Allerdings hätte das
Bild ein klein wenig rauschfreier ausfallen können. Als ganz besonderes
Extra findet sich auf der DVD das spielfilmlange Fassbinderportrait Ich will
nicht nur, dass ihr mich liebt von H.G. Pflaum, dem Filmkritiker der
Süddeutschen Zeitung. In diesem montiert Pflaum historische Aufnahmen
von Fassbinder selbst, Interviews mit Hinterbliebenem aus Fassbinders Umfeld
und Szenen aus Fassbinders Filmen zu einer ungemein dichten und sichtlich
von ihrem Gegenstand eingenommenen Respektbekundung, die man jedoch auch,
so man will, für ihre Vorgehensweise, Aussagen der Gesprächspartner
mit Spielfilmszenen zu unterstreichen und so letzteren zum Teil prophetischen
Charakter zuzusprechen, kritisieren könnte. In manchen Momenten gelingt
dies zwar ohne Zweifel, wenn aber ein Interview des sichtlich von seinem
Aidsleiden gezeichneten Kurt Raab mit einer Sterbeszene, die er Jahre zuvor
für Fassbinder gespielt hat, verstärkt wird, erscheint das nicht
nur tendenziell manieriert, sondern auch geschmacklos. Dennoch ist der Film
ohne Zweifel ein wichtiges Dokument, das Essenzielles über Fassbinder
auszusagen vermag. Gut, dass Kinowelt diesen Film zumindest über den
Umweg des Zusatzmaterials wieder verfügbar gemacht hat.
Thomas Groh |
Technische Details
Bild: 1,33:1
Ton: Deutsch (Dolby Digital 1.0 Mono)
Untertitel: keine
Regionalcode: 2/PAL
Laufzeit: ca. 84 Minuten
Zusatzmaterial
Biografie von R.W. Fassbinder, Portrait "Ich will nicht nur, dass ihr mich
liebt"
Weiterführende Links:
Fassbinder
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