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ALBANIEN FOREVER - LANG LEBE ALBANIEN

Warum sich ein Besuch der Expo trotz des ganzen Schrotts,
dem man dort begegnet, lohnt

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von Ekkehard Knörer

Expo Hannover

Anspruch und Wirklichkeit

Anspruch und Wirklichkeit verabschieden sich an der Grenze zur Expo voneinander, die Stadt von der Stadt in der Stadt und triste Vorstadtwirklichkeit von der Flughafen-Kulisse des Skywalk, der einen über Tankstellen hinweg ins Unwirkliche gleiten lässt, begleitet noch von den rührenden Vorstellungen, die sich Schulkinder von der Zukunft machen durften. Dann kommt man an, riesige Eingangssperren und Personenkontrollen, nur beinahe ohne Personen, begibt sich in eine Flugsimulation des Welt-Partners Lufthansa, es wird die erste Begegnung mit dem Läppischen.

Das Läppische wird man nicht los, von Pavillon zu Pavillon, von Stand zu Stand, ein Muster mit Variationen, mit viel Computerunterstützung, aber selten kamen einem Computerbildschirme so klein vor. Touch-Screens, die einem bei Berührung immer weitere Bilder entgegenspeien, aber sie sind so bunt, sie sind so beliebig, sie sagen nichts, sie wollen nichts, man ignoriert sie alsbald. Nicht dass es nicht auch große Bilder gäbe, riesige Leinwände - aber über die Ästhetik von Koyaanisqatsi ist man weder in Australien (hier wird man von einem aufblasbaren Känguruh begrüßt) noch in den Themenparks hinausgelangt. Genau genommen unterschreitet man das handwerkliche Niveau dieses Vorbilds an überwältigungsästhetischer Nullreflexion noch um ein Deutliches. Am angenehmsten ist einem dann noch das unverblümt Touristische, die Reisemagazinbilder, die einem etwa Portugal in seinem so unprätentiösen wie lichten Pavillon präsentiert. Von innen ein großes weißes Iglu, riesige Leinwand mit Portugiesischem, das da ignorierbar vorüberfliegt, dazu sitzt man auf Pappkartons. Recycling ist Zukunft

Hölzchen und Stöckchen

Expo Hannover SchweizAm radikalsten haben sich dieses Motto die Schweiz und ihr Architekt Zumthor zum Motto genommen. Hölzchen auf Hölzchen geschichtet, absichtsvoll labyrinthisch, windschief und kein bisschen Pädagogik, nur handgemachte Musik, die durch die Gänge zieht, die düster sind und licht zugleich. Dann eine Bar, an der es Toblerone gibt und großartige ebenfalls handgemachte Heisse Schokolade. Ein paar merkwürdige bis bizarre Texte, die in den in der Schweiz vertretenen Sprachen an die Hölzchen- und Stöckchenwand geworfen werden, und damit hat sie sich schon, die nationale Repräsentation. Ein Gegenentwurf, der natürlich nur als solcher Sinn und Effekt macht, im Angesicht der monumentalen Leere, der pompösen Schlichtheit, von der sich die tapfere Schweiz von allen Seiten umzingelt sieht.

Am pompösesten und zugleich dümmsten hat man sich im Themenpark Planet of Visions und 21. Jahrhundert angestellt. Ein Raum (Panorama der Utopien) demonstriert ungewollt, wie in ihrem Endstadium die postmoderne Vorliebe für die Einebnung von Unterschieden von gewaltiger Geisteszerrüttung nicht mehr unterscheidbar ist. Ein Panorama, entworfen vom Szenographen Francois Schuiten, führt zu sphärisch dräuender Musik und im Dämmerlicht schicke Installationen vor, getrennt vom Betrachter durch eine Balustrade wie im Zoo. Gefüttert wird aber der Besucher, wenn er virtuelle Bildschirmteleskope durch die Gegend schwenkt, die ihm erklären, was er zu sehen vergeblich sich müht. Die Inferno-Installation, die einem wohl klar zu machen versucht, dass es das Böse gibt, lässt einem sanft ein paar Exemplare desselben entgegengleiten, Vietnamgräuel etwa, Hieronymus Bosch oder der Holocaust. Alles dasselbe, alles egal und wie der Begleittext versichert, "vermittelt sich die ganze Fülle und Widersprüchlichkeit menschlicher Vorstellungen von der Zukunft" an justament diesem Denkmal rasender Torheit. Nicht weniger töricht, im selben Verhältnis von Gedanken-Kleckerei und Material-Geklotze, bewegt man sich dann durchs 21. Jahrhundert, geleitet von der schwarzen Stewardess Lisa, die einem auf der Auffahrt zum eigentlichen Ausstellungsraum erst einmal unter den Augen davonstirbt. Danke auch. Danach aber strotzender Optimismus. Angelegt ist das Gelände als archäologische Grabungsstätte (von vier Städten aus natürlich nicht aller Welt) der Zukunft nach dem 21. Jahrhundert. Was man sieht, ist schlechte Science-Fiction, einfallslos aus der Gegenwart verlängerte Gadgets, Lösungen für Gegenwartsprobleme im großen und im kleinen Format. Eine dumme Zukunftsgläubigkeit springt einen hier an, die nur der Massenkompatibilität und den Sponsoren geschuldet sein dürfte.

Ruheräume

Expo Hannover SchweizAuch hier gibt es freilich wieder ein Gegenprogramm. Das ist ohnehin die grundsätzliche Stärke der Expo: allem Schrott, allem verblasen oder schlicht Merkantilen steht Gelungenes oder wenigstens Interessantes immer wieder überraschend gegenüber. Im Themenpark etwa (zum Thema Wissen) die großen weißen Wale des ZKM in Karlsruhe, die in ihrem dunklen Raum wie stille und sanfte Urtiere ihre Kreise ziehen - in ihrer angekündigten Reaktionsbildung auf die Besucher weitaus eigensinniger als einem zunächst erzählt wird. Die Installation ist weniger sinnfällig (Netzwerke, gut und schön) als sinnenfällig: schön, beinahe anrührend.

Schlicht angenehm ist dagegen der große weiße Ruheraum, in dem man (Thema Gesundheit) in gemütliche Sessel gebettet und aufs Entspannendste leise durchgerüttelt wird. Dazu ist sogar die wie überall so auch hier gegenwärtige Sphären-Muzak zu ertragen, die Lösung für unsere Krankheitsprobleme, die sich an den Wänden abspielt, kann man mit geschlossenen Augen ignorieren. Vorne schlägt ein kleiner Teich leise Wellen, sollen schon Leute hineingefallen sein.

Neben den öden Messeständen gibt es dann auch Interessantes unter den Länderpavillons. Symptomatisch, wie beim durch und durch kommunistischer Ästhetik verpflichteten Stand der Ukraine mit einem Walhall aus erfolgreichen Sportlern und beeindruckend unattraktiven Schaubildern zu wissenschaftlichen Errungenschaften und erstaunlich ungebrochenem Stolz auf ukrainische Raketentechnologie. Das Café, das günstiges ukrainisches Bier im Angebot hat, ähnelt dem, das ich zuletzt auf dem Flughafen in Sofia gesehen habe - man wartet nur vergeblich auf uniformierte Wächter, die einen verscheuchen wollen. Interessant, weil gelungen, ist dagen der brasilianische Stand, der ganz unspektakulär vorführt, wie man mit ein wenig Einfallsreichtum Länderkunde ohne Folklorismus betreiben kann, wie man die Balance hält zwischen Wiedererkennung (Fußball und Musik) und Verfremdung (viel Poesie und leicht parodistische Betonung von Klischees) - und trotzdem, was ja nicht an sich verwerflich ist,  Spaß für die ganze Familie bietet.

Lang lebe Albanien

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Expo Hannover AlbanienDer bizarrste (und am nachdrücklichsten in Erinnerung bleibende) Stand verdankt sich allerdings schlicht dem Mut der Verzweiflung. Albanien hatte nichts zu verlieren und präsentiert sich als ironische Kunst-Installation. Die Front bildet eine aufgeblasene Fotografie der Küstenlinie, in die Bäume großformatig hineingemalt ein ENVER-Schriftzug. Man betritt die Installation durch einen Bunker, der verdammt echt aussieht. Darinnen eine monströse Heldenfigur, rötlich angestrahlt, sonst Finsternis und auf mehreren Monitoren Filmausschnitte, die kein düsteres Kapitel der albanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts auslassen. Die meisten machen hier wieder kehrt, wen wundert's, aber es gibt einen Hinterausgang. Hier tritt man ins Freie, stößt aber sogleich auf das nächste Schreckensbild: eines der großen überfüllten Schiffe, mit denen verzweifelte Albaner vor wenigen Jahren nach Italien geflohen sind. Links davon ein kleines Stadion, besetzt mit verschiedenen Pappkameraden, Mutter Teresa darunter, ein Militär und sein Opfer, dann Lord Byron. Alle bestückt mit Expo-Badges. Muss alles seine Richtigkeit haben hier. Dann der ad astra-Teil der narrativ zu durchwandernden Installation: aus der Not macht man eine Tugend und behauptet frech, dass Albanien das 20. Jahrhundert eben übersprungen habe, man sieht Schautafeln, läuft über blauen und grünen Stoff, Naturreservate, das Motto der Expo soll schließlich nicht zu kurz kommen.

Wir nehmen das ironisch, und freuen uns, dass es einer der Kleinsten mal wieder allen anderen gezeigt hat.

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