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David Cronenberg: A History of Violence (USA 2005)

Von Ekkehard Knörer 

Die Kamera setzt sich in Bewegung, sanft, dazu, fast nicht im Hintergrund, das gleißende Surren der Natur. Zwei Männer, amerikanische Provinz, das Auto, eine sanfte Kamerabewegung, ein Ausbruch von Gewalt, die Toten, die dem Blick dargeboten werden wie eine nicht weiter spektakuläre Szenerie am Straßenrand. Ein Schuss, ein Schnitt, ein Szenenwechsel.

Der denkbar größte Kontrast, den der Film mit denkbar großer Gründlichkeit kollabieren lassen wird. Eine Kernfamilie, Vater, Mutter, zwei Kinder, man eilt ans Bett der Kleinen, die böse geträumt hat, die Grammatik der Erzählung legt uns nahe: den sanften Traum vom Bösen, der uns soeben vor Augen geführt wurde. Es scheint wie bei Stephen King: Das Böse nähert sich, es ist noch nicht da. "A History of Violence" aber hat mit Kings Mythisierung des Bösen als übernatürliche Kraft hat der Film wenig zu tun. Seine Mythen nimmt er von anderswo.

Das Szenario scheint klar. Die amerikanische Kleinstadt mit amerikanischer Kleinfamilie, ein kleines Leben, in dem es aber, da es eben das ganze Leben ist, zum Drama wird, wenn der Sohn an der High School den Schultyrannen im Baseball vorführt. Die Struktur von Gewalt, das führt Cronenberg in seiner übertrieben scheinenden Inszenierung dieser Szene vor, liegt im alltäglichen Leben der Kleinstadt, in der die Welt nicht in Ordnung ist, weil sie nie und nirgends in Ordnung ist. Die Zeitstruktur der Gewalt ist die der fortwährenden Latenz einer Vergangenheit, die jederzeit gegenwärtig werden kann.

Also dringt auch zum Schein nur die Gewalt ein in diese säuberliche Welt. Wenn man "A History of Violence" in einen Satz zusammenfassen kann - und es ist eine Schwäche des Films, dass man das kann -, dann muss er lauten: Die Gewalt war immer schon da, keine Domestizierung ist von Dauer. Und vielleicht eine Weiterung, die man realistisch, aber auch reaktionär und machistisch finden kann: Die Gewalt, die in die Domestizierung bricht, bereitet uns Lust. Cronenberg macht den domestizierten Helden im Cheergirl-Sex lächerlich und zeigt uns den Gewaltfick auf der Treppe als sehr viel lustvoller. Wohl nicht ohne Ambivalenz, aber die Blessur der Frau ist als Manifestation dieser These lesbar.

Es gibt in "A History of Violence" Ambivalenzen, aber keine Subtilitäten. Der Grund, der diese Untersuchung zur Gewalt tragen muss, ist reine Pulp Fiction. Gegen die Verhärtung der Figuren zum Klischee unternimmt Cronenberg - gewiss mit Absicht - nichts. So landet er erst beim Western, dann beim blutigen Gangsterfilm. Die Vermittlung zwischen der Schießerei im Saloon, der Verteidigung des eigenen Hauses mit der Schrotflinte und dem todesmutigen Angriff auf die Festung des feindlichen Bruders liefert nur die Vertrautheit mit den jeweiligen Versatzstücken der Genres.

Es lässt sich zweifeln, ob diesen Versatzstücken sehr viel mehr abzugewinnen ist als letztlich dem Genre immanent bleibende Verfremdungen. Cronenberg arrangiert sie kunstvoll, aber es bleibt die Frage, ob er über Aussagen zum exploitativen Charakter der Klischees hinauskommt. Es könnte, anders gesagt, sein, dass wir hier nüchterne Betrachtungen über die Lust an der Gewalt im Genrekino vor uns haben. Aber werden wir daraus klüger als aus unseren ambivalenten Erfahrungen mit der Gewalt im Genrekino erster Ordnung? Hat "A History of Violence", wie vielfach unterstellt, tatsächlich die analytische Kraft einer Gewaltbeobachtung zweiter Ordnung - oder verfällt er nicht doch der Lust am Genre, deren Wahrheit eine vermittelte ist, analysierbar, aber eben nicht: analysiert?

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