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Caden Manson / Big Art Group: House of No More (HAU 2, Oktober 2004)

Kritik von Ekkehard Knörer

  

Zwischen Bühne und Publikum, im Orchestergraben sozusagen, drei jungen Herren an ihren Laptops. Sie sind die kybernetischen Puffer zwischen den Medien, sie steuern das auf den Millimeter choreografierte Durcheinander auf der Bühne und ordnen, mischen und montieren es zur filmischen Repräsentation auf der Leinwand. Was hier produziert wird, ist ein Film, live und auf der Bühne, im ersten Teil: Theaterschauspieler zappeln vor dem grünen Bluescreen, fixiert auf die drei Kameras, denen sie hier etwas vorspielen.

Die Herren an den Laptops also sind die Herren der Indirektion der Blicke. Das Publikum weiß nicht, wohin sehen: auf die Leinwand, auf der das theatrale Geschehen zur filmischen Synthese gerinnt, auf die Bühne, die den Blick auf die Kulissen der Dreharbeiten erlaubt und diese Erlaubnis zugleich ausstellt. Dahinter und Davor sind zusammengerückt, was zur Diffusion des Medialen führt. Weder Theater noch Film, weder Aufführung noch Aufzeichnung. Wir sind live dabei, nur bleibt unklar: Wobei eigentlich.

Reenactment, dies die Schrift auf den Leinwänden zu Beginn. Drei Leinwände hängen an Schiebebahnen in vorderster Front der Bühne. Sie lassen Lücken für den Blick, links, in der Mitte, rechts. Man sieht Beine und den Auftrittsraum der Darsteller vor den drei Videokameras, links, in der Mitte rechts. Das Livespiel wird in aufgezeichnete Kulissen eingefügt, im Bluescreen-Trick. Mitaufgeführt und in der Live-Aufführung sogleich durchsichtig gemacht werden special effects der Illusion. Was auf der Video-Leinwand, auf einer von dreien, oder zweien oder nur einer, zusammenkommt, ist die Illusion eines geteilten Filmraums. Der Theaterraum wird so - paradox - dissoziiert: Obwohl er geteilter Raum ist in geteilter Zeit, wird er durch die live und sofort mitgezeigte, als falsch sofort ersichtliche falsche Filmsynthese zerteilt in einzelne Auftrittssphären, die auf die gefakete Illusion hin orientiert sind. Dieser Zerteilung korrespondiert - auch mal ins Splattrige ausbuchstabiert - die Zerstückelung der Körper, im Film umarmt, im richtigen Leben auf der Bühne nicht weit entfernt, aber auch nicht ganz nah.

Es ist aber noch komplizierter. Die sechs Darsteller sind nicht nur nicht mit sich selbst identisch, es kommt auch zu Verschiebungen, Verdopplungen und Verzerrungen, die als Rollenwechsel nicht länger beschreibbar sind. Wo es keine festen Rollen gibt, kann vom Wechsel nicht mehr die Rede sein, nurmehr vom Glissando der - vor allem auch: geschlechtlichen - Identitäten. Eine Butleriade, das auch. Dazu kommt, noch eine Schicht mehr, der Bezug aufs filmische Kriminalfilmvorbild, dessen Plot aus dem Bruchstücken des "reenactment" nicht zu rekonstrieren ist. Ausgespielt aber werden vertraute Momente: Liebesdramen, Mord, Blut, Sex, auf hochtourigem Trivial-, B-Movie- und Pulp-Niveau.

Bleibt also die Frage, warum das alles, trotz souveränen Umgangs mit Theorie und höchster Virtuosität, nicht recht zünden will. Viel hat es zu tun mit den zu vielen Momenten, die ins Spiel kommen, sich aber nach dem Mutwillen der Macher nie zu einer atmosphörischen Einheit fügen sollen. Alles bleibt Illustration von Theorie-Ideen, Gender-Theater und Pulp-Travestie. Zielsicher geht es in Richtung Chaos und Lynch-Verschnitt, vor allem im zweiten Teil, für den ein Gaze-Vorhang niedergeht, als nicht ganz blickdichte - nun wirklich: Kino-Leinwand, hinter der Gehampel zu ahnen, auf der übereinanderkopiertes Gehampel nach aus dem ersten Teil vertrauter Manier zu sehen ist. Irgendwie geht der enorme Aufwand im Zitat-, Theorie- und Technikwirbel recht zielsicher ins Leere.

     
 

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