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Science Fiction: David Weber: In Feindeshand |
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REZENSIONDavid Weber, In Feindeshand. 7. Band des Honor-Harrington-Zyklus. von Alexander Goeres ________________________________________________________________
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Wieso diese Art von SF-Büchern "Space Opera" genannt wird, ist nicht sonderlich offensichtlich. Niemand singt, es gibt keine Musikbegleitung, außer der, die sich der Leser selber macht, niemand führt Regie und auch klassische Opern-Figuren wie Walküren sind nur selten zu finden. Die leichteste Erklärung, die sich finden lässt, ist wahrscheinlich die, dass solche Werke eine starke Betonung auf epische Breite, tiefe Dramatik und eben "Space" legen, was sie den Lesern als das Science-Fiction Gegenstück zu Soap Operas erscheinen lässt. All diese Kriterien treffen auf die Reihe um die Figur Honor Harrington vollständig zu. Harrington ist ein weiblicher Offizier bei der Royal Manticorian Navy und als solche nimmt sie teil am Kampf des Sternenkönigreichs Manticore gegen die Volksrepublik Haven. Gebürtig auf dem Planeten Sphinx, hat sie einen dauerhaften Begleiter, einen Baumkater namens Nimitz. Baumkatzen sind eine auf Sphinx heimische Spezies, die anscheinend intelligenter ist, als der Rest des Universums glaubt und die ab und an einen Menschen als dauerhaften Begleiter erwählen, wie der Autor schreibt: "adoptieren". Der Leser erlebt in Verlauf der Reihe ihren Aufstieg in der Navy, leidet mit Honor und teilt ihre Freude. Honor erlebt zahlreiche Kämpfe gegen die "Havies", aus denen sie meist siegreich hervorgeht. Diese Siege führten dazu, daß sie zur Zielscheibe für adelige, politisch sehr konservative Parteien auf Manticore wurde. In dieser Auseinandersetzung wurde Harringtons Freund ermordet, sie selbst aber in den Adelsstand erhoben. Im Verlauf der Bücher hat Harrington einen Planeten religiöser Sektierer, den Planeten Grayson, dessen Bewohner so eine Art "Space-Mormons" darstellen, vor der Eroberung durch die Havies gerettet. Der Herrscher dieses Planeten erhob sie daraufhin zur ersten weiblichen "Gutsherrin" von Grayson und erklärte sie zur seiner persönlichen Beschützerin. Dorthin zog Harrington sich zurück, als sie aus politischen Gründen in den zeitweiligen Ruhestand gehen mußte. "In Feindes Hand" beginnt zu der Zeit, als die RMN sich entschließt, ihre beliebteste Offizierin (Offizeuse??) wieder einzusetzen. Bei einem Routineeinsatz, der eigentlich nur die Zeit überbrücken sollte, bis sie als Geschwaderkommandant einer gemischten Division von Grayson und Manticore weiter gegen die Haveniten kämpfen soll, wird sie zufällig von eben diesen Haveniten gefangen genommen. Der Konvoi, der beschützt werden sollte, kann zwar entkommen aber nur um den Preis, dass Harrington sich dem Feind ergeben muß. Der behandelt sie zunächst sehr zuvorkommend, hat doch Honor Harrington schon vielen havenitischen Schiffen die Kapitulation abgenommen und die ehrlichen Offiziere der unteren Ebenen im havenitischen Militär wissen die korrekte Behandlung, die sie den Gefangenen hat angedeihen lassen, sehr zu würdigen. Doch leider bekommt die Leiterin des Informationsministeriums der Volksrepublik Haven Wind von dieser Gefangennahme. Cordelia Ransom, die zugleich auch Mitglied des allesbeherrschenden Kommittees für Offentliche Sicherheit ist, sieht darin eine zwingende Gelegenheit, sich eines der besten Offiziere des Feindes zu entledigen und einen politischen Schauprozess zu führen, dessen Zweck dem Leser aber nicht ganz klar wird. Allerdings wird es auch den Figuren des Werkes nicht ganz klar, bei den ehrlichen Offizieren der Haveniten wachsen in der Folge die Zweifel an der Legitimation einer Regierung, die zu solch grausamen Taten fähig ist. Und sogar einige Politische Komissare, die zur Überwachung der politischen Zuverlässigkeit jedem höheren Offizier beigeordnet werden, entdecken über diese Unmoral ihren guten Kern und fangen an, an der Havenitischen Regierung zu zweifeln (unter anderem auch ein Volkskommissar, der den humorigen Namen "Everard Honeker" trägt). Unter einem fadenscheinigen Vorwand bemächtigt sich Ransom der Gefangenen und transportiert sie auf einem Schiff der Geheimpolizei "SyS" zu einer Art "Space-Gulag", nach Camp Charon auf dem Planeten Hades, um sie dort öffentlich hinrichten zu lassen. Doch da hat sie Lady Dame Honor Harrington, Commodore RMN, und ihre treu ergebene Begleitung falsch eingeschätzt. Am Ende des Romans lebt Harrington und Ransom ist Geschichte. Wie üblich bei solchen Büchern, sind die Charaktere recht einfach gestrickt. Kurz gesagt ist Honor Harrington eine Art Superfrau. Nicht wie im heute populären Sinne beispielsweise Lara Croft, das wäre wohl zu einfach. Honor ist zwar sehr stark, da sie von Schwerweltbewohner abstammt und ist eine Meisterin in dem Kampfsport des "Coup de vitesse", aber sie hat hat Defizite bei ihrem Aussehen. Sie findet sich unansehnlich, eine Einschätzung, die ihre Umwelt nicht teilt. Das ist typisch, denn im weiteren ist sie extrem bescheiden, sehr tapfer und verantwortungsvoll. Sie verfügt auch über sehr großes Mitgefühl, da sie mit ihrem Nimitz empathisch verbunden ist und über ihn direkt die Gefühle ihrer Mitmenschen wahrnimmt. Sie ist offen, großherzig, ehrlich und hat Schwierigkeiten damit, sich in den Vordergrund zu stellen, obwohl sie sich gut damit abfinden kann, wenn es notwendig ist. Als außergewöhnliche Taktikerin und Komandantin ist sie unverzichtbar für jede Navy. Sie engagiert sich als Gutsherrin zusammen mit dem Herrscher für die soziale und wirtschaftliche Modernisierung des Planeten Grayson, was ihr dort wegen ihres einnehmenden Wesens bis auf wenige konservative Fanatiker niemand übelnimmt. Sie ist grundsätzlich erfolgreich, wenn aber durch sie mittelbar oder unmittelbar Schäden entstehen, leidet ihr Selbstwertgefühl immer sehr. Ungefähr auf diesem Niveau liegt auch die Beschreibung der Entourage Honor Harringtons. Genau konträr sind ihre Feinde, von denen im vorliegenden Band nur die havenitischen auftreten. Beispielhaft sei hier die havenitische Ministerin für Öffentliche Information und Mitglied des Kommittees für Öffentliche Sicherheit Cordelia Ransom erwähnt. Sie ist verschlagen und machtversessen. Bei Harringtons Gefangennahme provoziert sie einen Angriff der Gefangenen um diese zu brechen. Ihr Ministerium verbreitet Propaganda, die sich häufig widerspricht und immer dem Machterhalt des Komittees gilt. Aber durch ihre Unberührbarkeit hat sie jeglichen Kontakt zur Realität verloren, wie einer der ehrlichen havenitischen Offiziere im Verlauf der Geschichte entsetzt feststellen muß: sie glaubt an ihre eigene Propaganda! Sie opfert bedenkenlos Menschenmassen und genießt es, ihre Gefangenen zu erniedrigen. Wenn man ein realhistorisches Beispiel finden soll, so könnte man sie getrost als eine Art weiblichen "Space-Stalin" bezeichnen. Und das ist dann ein weiterer Punkt in dieser Kritik: Weber hat sich hemmungslos in der Geschichte bedient und Klischee-Staaten erfunden. Das fällt besonders auf, wenn man die Beschreibung der Haveniten in der Roman-Reihe betrachtet. Haven ist ein Planet, dessen Haupstadt Nouveau Paris heißt. Aus einem Wohlfahrtsstaat hatte sich dort eine Gesellschaft entwickelt, in der wenige Familien, die "Legislaturisten", die nur dem Namen nach demokratischen Institutionen beherrschten, der Rest der Gesellschaft wurde in Unbildung und Arbeitslosigkeit gehalten, die "Dolisten". Wer diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen will, sollte in einem Englisch-Wörterbuch unter "dole" nachsehen. Dieses korrupte System konnte nur durch Expansion weiter existieren. Als es aber bei seinem Eroberungszug auf das Sternenkönigreich Manticore stieß, und somit militärisch auf einen ebenbürtigen Gegner, brach es zusammen. Es kam zu einer Revolution, die die Legislaturisten in blutigen Massakern wegfegte und ein "Komittee für die Öffentliche Sicherheit" putschte sich an die Macht. Dessen Vorsitzender heißt "Robert Stanton Pierre", auch "Rob S. Pierre" genannt und der hat den Terror zur Staatsdoktrin erhoben. Insgesamt zeichnet sich die Volksrepublik Haven durch all das aus, was in der anglo-amerikanischen Science-Fiction immer das Reich des Bösen darstellt. Es trägt immer sowjetische Züge, neu an diesem Buch ist die zusätzliche historische Remineszenz an die französische Revolution, die einem mit diesen Zaunpfählen nahegebracht wird. Das Sternenkönigreich Manticore hingegen wirkt, als wäre es dem Idealbild us-amerikanischer Science-Fiction Autoren entsprungen: eine konstitutionelle Monarchie, die über mehrere Sternensysteme gerecht herrscht. Es existiert Demokratie, da es Parlamente gibt, wie ein Ober- und Unterhaus, aber auch die Königin hat Entscheidendes zur Politik beizusteuern und ist nicht auf reine Zeremonie beschränkt. Das Sternenkönigreich wirkt wie eine kleiner, aber talentierterer Bruder. Die Bildung ist besser, da die Bürger nicht auf rein öffentliche Schulen beschränkt sind, sondern sich auch privat bilden lassen können (was die anglo-amerikanischen Autoren gegen kostenlose staatliche Schulen haben, werde ich nie verstehen). Die Wirtschaft ist besser, die Moral ist besser, die Wissenschaft ist besser und das Militär ist besser, nur leider etwas kleiner. Die RMN muß sich gehörig anstrengen, die Havies im Zaum zu halten. Das wird aber immer schwerer, da es noch wenigstens einen großen Mitspieler gibt, der bis dato noch nicht aktiv in der Geschichte erschien, aber doch immer im Hintergrund vorhanden ist: die "Solare Liga". Sie ist sozusagen der größere, ältere Bruder zum Sternenkönigreich Manticore. Hierzu ein Zitat: "Trotz ihrer unleugbaren Macht und Ausdehnung war die Liga in mancher Hinsicht ein sehr wackeliges Gebilde. Auch wenn es die 'Solare Liga' genannt wurde, war Alterde doch nicht mehr als ein Erster unter Gleichen, denn jedes Mitgliedsystem erhielt einen Sitz im Ministerrat - und jeder Ratsabgeordnete besaß das Vetorecht. Aus alter Tradition wurde dieses Vetorecht in innenpolitischen Angelegenheiten nur sehr selten ausgeübt..[..] Doch während die Innenpolitik der Liga dadurch immerhin eine gewisse Kohärenz erlangte, war dies bei der Militär- und Außenpolitik längst nicht der Fall, denn an der diplomatischen Front ließ sich ein Konsens nur erheblich mühsamer erzielen. Zum größten Teil lag dies an der schier überwältigenden Macht und Görße der Liga. [..] Infolgedessen ließ sich eine Ligawelt nur sehr schwer davon überzeugen, daß irgendjemand eine ernsthaft Bedrohung für die Liga darstellen könne. Dieses sublime Selbstvertrauen erwies sich immer dann als katastrophal, wenn es galt, einen Konsens für eine gemeinsame Außenpolitik zu finden. [..] Ministerratsabgeordnete neigten viel mehr dazu, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen, um 'gefährliche auswärtige Abenteuer' zu verhindern, als ihren Kollegen in innenpolitischen Angelegenheiten Steine in den Weg zu legen" (S. 88, 89). Aus diesen negativen Charaktereigenschaften der Liga resultiert, daß sie zu einem Boykott der beiden Kriegsparteien gezwungen werden mussten. Dennoch machen einige verantwortungslose Liga-Mitglieder gute Geschäfte mit den Havies, indem sie ihnen Kriegstechnologie verkaufen, wodurch der technische Vorsprung des Sternenkönigreiches immer geringer wird. Nach welchem Vorbild ein solcher Staat von Weber erfunden wurde, darüber darf der Leser nach Belieben selber spekulieren. Auch wenn es mit dem vorliegenden Buch nicht direkt zu tun hat, so erscheint es doch zumindest verwunderlich, daß in sehr vielen us-amerikanischen SF-Romanen die Guten immer Königreiche sind (was die USA ja bekanntlich nicht sind), die Bösen im Grunde immer Variationen über die Sowjetunion. Was in diesem Rahmen die deutlichen Anspielungen auf die EU oder UN bedeuten, das ist wiederum jedermanns freier Spekulation überlassen. Etwas unangenehm fällt auch Webers Neigung auf, penetrant bedeutungsvolle Namen zu verwenden. Besagter Rob S. Pierre und Volkskommissar Honeker sind nur einige Beispiele. Es gibt auch sprechende Namen, nicht nur ist Honor die Gute, sondern auch Ransom ("Lösegeld") die Böse. Es gibt Wortspiele: der Leiter der Geheimpolizei beispielsweise heißt "Saint-Just", was man mit "Heilig-Gerecht" übersetzen könnte. Vielleicht ist es dem Autor nicht bewußt, vielleicht wirkt es im Original nicht so merkwürdig, vielleicht aber doch. Wenn das ein Stilmittel sein sollte, mit Anspielungen die Geschichte aufzuwerten, so ist es ziemlich mißlungen. Die Gesellschaftsstruktur, die Weber seiner Geschichte zugrundegelegt hat, erscheint doch recht primitiv, aber hat er sich sehr viel mehr Mühe gegeben, den Weltraumkampf zu erfinden. Falls ein Leser Probleme damit hat, herauszufinden, was ein "Wallschiff" sein soll, oder wozu "ELOKA" gut ist, kann er Abhilfe schaffen, indem er das angehängte Glossar zu Rate zieht. Weber beschreibt die Aufstellung von Kampfschiffen stellenweise bis in Detail. Man erfährt wie man unbekannte Systeme militärisch aufklärt oder wie man ein Schiff so in die Ecke drängt, daß es keine Chance mehr hat, dem feindlichen Beschuss zu entkommen. Auch die Organisation einer RMN mit "BuShips", "BuPers" und anderen "Bu-"s und die strategischen und taktischen Probleme, die eine Space-Navy hat, sind sehr detailliert dargestellt. Damit wird er sicher die Herzen aller Fans erfreuen. Der Stil ist flüssig und spannend, so daß man am Ende eines Buches ziemlich gespannt auf das Erscheinen des nächsten wartet, wenn es einem gelingt, das Buch als das zu nehmen, das es ist: eine Space-Opera ohne jeden höheren Anspruch, aber gut geschrieben. Die Reihe erfüllt alle Kriterien, die zu einem Enstehen einer Honor-Harrington-Fangemeinde führen können und wahrscheinlich gibt es schon zahlreiche Leser, die versuchen, sich eine Sozialgesellschaft der Baumkatzen auszudenken. Man darf eben nicht zu sehr über solche Werke nachdenken, doch wer will das schon, wenn er oder sie mit "In Feindes Hand" von David Weber am Strand oder im Schwimmbad liegt?
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