Theater: Daniel C. Dennett: Kinds of Minds

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Daniel C. Dennett

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PHILOSOPHIE

Daniel C. Dennett: Kinds of Minds

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Daniel Dennett beginnt "Kinds of Minds" mit einer ganzen Serie von Fragen, die dann aber in die beiden folgenden, entscheidenden, münden: "What kinds of minds are there? And how do we know?" Im Vorgriff auf den Gang der Argumentation betont Dennett, dass der philosophische Fauxpas der Verknüpfung von Ontologie und Epistemologie an dieser Stelle mit voller Absicht geschieht. Das Wissen, das wir über das Vorhandensein von "minds" (Bewusstsein, Verstand, Geist, nichts davon trifft richtig) erlangen können, hängt, im guten wie im bösen, an dem "kind of mind", das wir besitzen. Die Neigung, ähnliche "minds" bei Tieren zu vermuten, da sie ähnliches Verhalten an den Tag legen, muss durch die Reflexion auf die Besonderheit der menschlichen "kind of mind" überprüft werden.

Anthropomorphisierende Betrachtung ist Gefahr wie Chance. Dennetts experimentelle Denkmethode spielt mit der Zweischneidigkeit; er will alles tierische Verhalten (aber auch das von Bakterien wie Robotern) unter der Perspektive des "intentional stance" beschreiben, also der grundlegenden Gerichtetheit, um aus dieser Parallelschaltung von offensichtlich bewusstem und offensichtlich unbewusstem Verhalten heraus die Unterschiede und auch mögliche Übergänge zwischen beidem sichtbar werden zu lassen. Dieser Vorstellung einer grundsätzlichen Gerichtetheit liegt natürlich die Evolutionstheorie zugrunde, die Entwicklung ja genau nach der Art einer schein-teleologischen Wirkursache funktionieren sieht, also "intentional" im philosophischen Sinne, ohne dass man ihr "Intentionen" im alltagssprachlichen Sinne unterstellen könnte.

Dem Leitfaden der Evolution folgt Dennett auch durch die - phylogenetische - Diachronie: im Durchgang durch verschiedene Entwicklungsstadien von "Minds". Gerade der Unterschied von Diachronie und Synchronie verschwimmt aber bereits auf den ersten Blick: alle höheren, komplexeren Wesen sind immer schon aufgebaut auf und zusammengesetzt aus weniger komplexen: "auf jeder Analyseebene von der molekularn an erweist sich unser Körper (das Gehirn natürlich eingeschlossen) als zusammengesetzt aus Maschinen, die ahnungslos ihre großartige, elegant entworfene Aufgabe erfüllen". Bei einem archäologischen Querschnitt erweist sich der Mensch nicht so sehr als Rekapitulation der Phylogenese wie als Schauplatz, an dem die Phylogenese geradezu hegelianisch aufgehoben ist: ein System aus Systemen, die ihre evolutionäre Geschichte haben. Das vergleichsweise simple Transportsystem via Blut, das Immunsystem, das Nervensystem - und all das noch ohne bewussten Verstand - sind ineinander und aufeinander gebaut.

An diesem Punkt beginnt dann auch das - von Dennet einst vertretene - starke AI-Argument fraglich zu werden. Dennett räumt ein, dass er seine eigene Position an dieser Stelle revidiert hat. Plausibel erscheint im Angesicht der evolutionären Gewordenheit dieses Meta-Systems Mensch die These, dass "Mind" in der Art, wie es nur der Mensch besitzt, nur unter eben diesen Bedingungen emergieren kann. Nicht im funktionsäquivalenten Nachbau eines Gehirns als vermeintlichem Ort, als vermeintlicher Zentrale von "Mind", nicht im Zusammenschalten von Computern, sondern nur unter diesen Bedingungen evolutionär entstandener Hybridität. Dennett geht einige Schritte in diese Richtung, wenn er immer wieder betont, wie "intentional", wie "intelligent" und wie eigenständig nicht-bewusste Systemteile unseres Körpers agieren können (als eindrücklichstes Beispiel nennt er das Capgras-Syndrom, bei dem, so seine These, ein unbewusster Personen-Wiedererkennungsmechanismus ausfällt und durch die bewusste Einsicht in die Ähnlichkeit von Personen nicht zu korrigieren ist). Wenn unser "Mind" aber aus dem Substrat all dieser vorbewussten Systeme nicht wegzudenken, nicht zu entfernen ist, ohne seine "Mind"-Artigkeit zu verlieren, dann wäre die Form von Intelligenz, die künstlich entstehen könnte, jedenfalls nicht mit unserer Art von "Mind" zu vergleichen.

Die "kinds of minds", denen man evolutionär begegnet, lassen sich auf Namen bringen: Darwinsche Kreaturen sind auf blindes trial-and-error angewiesen. Skinnersche Kreaturen lernen durch Erfahrung. Poppersche Kreaturen sind zum internen Testen von Hypothesen fähig. Ein besonderer Fall (und der Weg zum Sonderfall Mensch) sind die Gregoryschen Kreaturen: sie importieren kulturell entstandene Werkzeuge in ihre Hypothesenbildung. Damit wird erstmals eine bestimmte Form von komplexitätssteigerndem Outsourcing möglich, die Aufbewahrung von umweltangepasstem und potentiell umweltveränderndem Wissen außerhalb des menschlichen Geistes - und damit auch die Bereitstellung dieses Wissens über Generationen hinweg. Eng verbunden ist damit die Fähigkeit zur Generalisierung, zur Bildung von "Begriffen", die die Mannigfaltigkeit des Begegnenden neu strukturieren. Es ist klar, was nun (wenig originell, aber natürlich deswegen nicht weniger überzeugend) als Königsweg zum Menschsein ersichtlich wird: Sprache. Verstanden auch als die Möglichkeit konsequenter Entlastung durch die Anbringung von Etiketten und Zeichen in der Umwelt. Präsenz wird ersetzbar durch Aufrufbarkeit. (Enttäuschend im übrigen, dass Dennett an dieser Stelle so gar nichts zum Thema Gedächtnis zu sagen hat.) Worte, so seine These, gewinnen bereits im Plappern (des, hier folgt er Chomsky, zum Reden geborenen Menschen) erste Prägnanz. Begriffe sind dann, am Ende der Entwicklung, "Worte", die ihre materiale Verankerung (fast) verloren haben. Worte in diesem Sinne markieren den Bruch noch zum Artverwandtesten: nicht viel spricht dafür, dass Schimpansen - Dennett liefert eine skeptische Lektüre der Köhlerschen Versuche - Konzepte von abwesenden Dingen in ihrem Verstand manipulieren können.

Anfang wie Ende des Buches widmen sich der Kernfrage nach den Auswirkungen dieser scharfen Grenzziehung auf die Moral. Es scheint klar für Dennett, dass die meisten Tiere - er macht plausibel, warum Hunde in gewisser Weise die einzige Ausnahme sein könnten - Schmerz nicht annähernd so erleben wie wir. Wenn Tiere keine Anzeichen von Schmerz und Leid zeigen, so Dennett, dann ist begründet davon auszugehen, dass sie ihn auch nicht empfinden. Vor allem aber gilt der Umkehrschluss: "Wenn wir auf Leid treffen, werden wir es ohne Schwierigkeit erkennen. Es ist nur zu vertraut." Dieser Rückzug auf einen angenommenen Common Sense der Erfahrung dürfte in keiner Weise hinreichen, scharfe Grenzen für die Anerkennung von Tierrechten zu ziehen. Es ist die einzige Stelle, an der es sich Dennett offensichtlich zu einfach macht. Im Gegenzug verdeutlicht aber die Lektüre des Buches gerade: es kann und wird nicht leicht, ja: im strengen Sinne unmöglich sein, hier (und das betrifft auch die Zuerkennung von Menschenrechten an Embryonen), eine letztbegründete Grenze zu ziehen. Es ist gerade das Wesen der Evolution - jedenfalls nach Dennetts Verständnis, nicht nach dem seines Widerparts Stephen Jay Gould -, sich in Graduierungen zu entwickeln, nicht in Sprüngen. Dennett zeigt, warum die Art von "Mind", die der Mensch entwickelt hat, davon vielleicht die einzige Ausnahme ist - aber über das Verhältnis von Quantität und Qualität lässt sich auch hier streiten. Bei allen weiteren entschiedenen Grenzziehungen geht uns die Natur nur sehr bedingt zur Hand.

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