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i want you

(r: michael winterbottom gb 1998)

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Fortsetzung der Winterbottomschen Nachrichten aus dem beschädigten Leben. Wieder
sucht sich der schopenhauerische Pessimismus des Regisseurs seinen Platz an den Rändern
der Gesellschaft. Nach der durchaus kongenialen Verfilmung von Thomas Hardys 'Jude the
Obscure' nun buchstäblich am nicht näher genannten Rande eines kalten und unwirtlichen Ge-
genwartsenglands, einem Küstenort, der etwa an den von Neil Jordans 'The Miracle' erinnert.
Vier Leben sind es, die miteinander in Beziehung gesetzt werden, so kunstvoll wie gnadenlos.
Helen, die Friseuse, und ein durch den Selbstmord seiner Mutter zur Sprachlosigkeit trauma-
tisierter Junge (nur wir hören seine Stimme, am Anfang des Films und am Ende; eine beunruhi-
gende, alte und junge Stimme) knallen zusammen und bleiben zunächst benommen liegen. Der
Junge und seine Schwester, sie sind Ausländer slawischer Herkunft, leben in einem über die
Bande von Tonbandaufnahmen gespielten inzestuösen Verhältnis zusammen. Überhaupt kom-
pensiert der Junge seine Stummheit mit dem Mitschneiden dessen, was man intime Momente
nennen würde, wäre es nicht stets bedeutungsloser Sex, ein bloßes Aufeinanderprallen von Kör-
pern. Winterbottom versteht das so zu inszenieren, daß einem alle Lust vergeht.

Das ist ohnehin seine Spezialität. Keiner der Figuren darf man näherkommen, die emotionalen
Barrieren, die zwischen den Personen liegen (und auch zwischen dem Zuschauer und den Perso-
nen) finden eine reichhaltige sowohl filmische als auch bildliche Metaphorik. Das beginnt mit den
Filtern, die alle Klarheit, alle Frische und alle Schärfe aus den Bildern von Anbeginn wegsaugen
und nichts als öde Trostlosigkeit und kaltes Sonnenlicht übrig lassen (wie in Gattaca war Kies-
lowskis Kameramann Idziak am Werk). Scheiben sind das zum Überdruß wiederholte, Ausge-
schlossensein und Eingesperrtsein zugleich symbolisierende Leitmotiv des Films, zum Beispiel
die Scheiben diverser Aquarien, durch die hin und wieder durchgefilmt wird, aber eigentlich se-
hen die Bilder fast immer so aus, als seien sie durch die milchigen Scheiben eines Aquariums
gesehen. Selbstverständlich trennt eine Glasscheibe, am Arbeitsplatz und auch in Helens Haus,
Helen und Martin, den Mann, mit dem sie eine dunkle Vorgeschichte verbindet, die der Film
ohne Interesse an den Spannungsmomenten einer solchen Lüftung eines Geheimnisses im weite-
ren Verlauf enthüllt. Es will einem das zu kunstvoll und ausgedacht vorkommen. 

Die obsessive Beziehung zwischen den beiden steht im Zentrum des Films, ihr verdankt sich der
im entscheidenden Moment von Elvis Costello dazu schaurig geschluchzte Titel. Man sieht, wie
das gemeint ist, es gibt dann sogar doch ein, zwei Momente von einiger Intensität, aber es endet
schaurig, was Winterbottom offenbar für einen Ausdruck von Konsequenz und Kompromißlosig-
keit hält. Das ist es ja auch, aber eben leider in erster Linie vorhersehbar und, ja, ein bißchen sehr
simpel. Ich glaube, die nächsten Filme von Winterbottom werden ohne mich auskommen müssen.

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