. .

.

. .

wild things

(***)

(R: John McNaughton. USA 1998)


Der Film ist ein Muster an Kaltblütigkeit - mehr noch als seine Protagonisten -
und spielt dabei seinen letzten und entscheidenden Trumpf erst zum Schluß, ja:
nach dem Schluß. Dort erweist er sich nämlich als Experiment mit der Narration,
d.h. als Spiel mit dem Zuschauer, als Operatoion an dessen offenem Auge und
Verstand. Man kann gar nicht erst anfangen, erzählen zu wollen ,was sich ereig-
net. Geld und Sex und Verbrechen, so weit das Übliche. Die Charaktere sind
nicht mehr als Schachfiguren ind diesem Spiel, Figuren freilich, die von Zug zu
Zug (und die Erzählung geht Zug um Zug voran, meist durch Schwarzblenden
getrennt: was die erste größere Schwarzblende - Kelly und Sam Lombardo bei
ihm zuhause -, wirklich verschweigt, erfährt man erst sehr viel später als man denkt;
genaugenommen erfährt man es überhaupt nicht, ahnt nur. Was man erfährt, ist, wie
es nicht war) ihren Wert, ihren moralischen Charakter (aus der Perspektive des Zu-
schauers) und ihre scheinbare strategische Position ändern. Mit jedem Zug muß man
wieder umdenken, weil sich die narrative Gesamtkonfiguration wieder geändert hat.

Die Charaktere sind bar jeder Individualität, bar jeder Tiefe und bar jeder Psycholo-
gie. Bloße Spielsteine eben. Von Interesse sind nur die Verschiebungen. Der Schluß
nach dem Ende, an dem sich erst zeigt, wie bewußt dieses Experiment angelegt ist, ist
ein Kommentar. Ohne erklärende Wort, auf einen Erzähler hat man zum Glück über-
haupt verzichtet, werden  jene Szenen aneinandergereiht, die vorher auspespart wor-
den waren, jene Szenen, die, wären sie an Ort und Stelle innerhalb der Narration er-
zählt worden, alles erklärt und damit verdorben hätten. Die Puzzlestücke, deren Einfü-
gung das ganze Bild ergeben hätte. Daß der Film sie lakonisch zeigt, nach dem The End-
Schriftzug, kommentarlos, macht ihn so abgefeimt, clever und reflektiert.

Besucher Nr.

seit dem 25.10.1998