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Über das Kino von Olivier Assayas
Olivier Assayas' Filme stehen, bei aller Eigenständigkeit, in der Tradition der Nouvelle Vague. Unter den französischen Regisseuren seiner Generation ist er damit am ehesten André Techiné vergleichbar, mit dem er auch zusammengearbeitet hat. An die Stelle der Orientierung am Kino Hollywoods ist der Bezug auf die Filme der französischen Vätergeneration getreten - und auf das asiatische Kino. Assayas' Dokumentarfilm über Hou Hsiao Hsien wie der spielerische Umgang mit dem Hongkong-Star Maggie Cheung in Irma Vep belegen diese Affinitäten. Mit der Ausnahme von Irma Vep, seinem ungewöhnlich capriccio-haften und selbstironischen Ton, sind die Filme von Assayas französisches Schauspielkino der vertrauten Art. Porträts von Großstadtmenschen, die ebenso wie ihre Liebes- und Lebensprobleme mit dem Autor-Regisseur altern. Désordre (1986), der großartige Film um eine Gruppe desorientierter Jugendlicher, deren Leben durch eine unüberlegte Gewalttat aus der Bahn gerät, der Film, der Assayas bekannt gemacht hat, war von Wut und Bitterkeit geprägt. Diese sind inzwischen, mit Ende August, Anfang September, einer etwas resignativen Melancholie gewichen. Wenn man nach einem gemeinsamen Kennzeichen von Assayas' Filmen sucht, dann drängt sich ein Begriff wie Ernsthaftigkeit oder Unerbittlichkeit auf. Pascal Bonitzer etwa, vom Drehbuchschreiber (in erster Linie Rivettes) nun zum eleganten Autor-Regisseur gemausert, bewegt sich in ähnlichen Milieus, aber der Ton bleibt bei allen nicht immer angenehmen Schicksalen, die er in seinen Filmen (zuletzt Rien Sur Robert) schildert, leicht. Die Probleme, die Figuren in den Filmen von Olivier Assayas haben, sind im Grunde stets existentiell. Assayas meint es immer ernst, mit sich und seinen Figuren, die die Last der Selbstexplorationen ihres Autors zu tragen haben. Es gibt keine Kompromisse, keine Arrangements mit dem nur unter großer Kraftanstrengung Veränderbaren. Und nicht selten war alles dann doch vergeblich. Die Wünsche der Figuren, in Paris erwacht oder in Ende August, Anfang September, sind in ihrer Maßlosigkeit nicht lebbar. Und werden doch immer wieder gerade wegen dieser Unlebbarkeit gehegt. Auch René Vidal, der Regisseur in Irma Vep bleibt durch alle amüsanten Turbulenzen des Films hindurch eine tragische Figur. Das Scheitern ist eine Konstante im Kino von Olivier Assayas - und das bitterste ist: es liegt selten genug Größe darin. |
Das Problem des Kinos ist die Wahrheit; wie man sich der Fiktion,
erfundener Personen und Szenarien bedient, um sich einem Sprechen über
die Realität zu nähern; etwas zu finden, das eine Präzision
gegenüber der Welt wiederherstellt, die sie selbst nicht hat; nichts
anderes gilt dabei als die eigene Erfahrung, die eigene Aufrichtigkeit, die
eigenen Gefühle.
Olivier Assayas |
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Frage - Wie haben Sie die Figuren rund um
Adrien angeordnet und ihre Beziehungen
entworfen?
Frage - Adrien sagt am Beginn des Films, sein
Problem sei nicht die Zeit, sondern das Geld. Alle anderen Figuren haben
dasselbe Problem: Arbeit, einen Platz zum Geldverdienen zu
finden.
Frage - Von entscheidender
Bedeutung für Adrien ist in dem Film die Frage nach der Zeit. Auch diese
Erfahrung teilen die anderen Protagonisten mit ihm: die der vergangenen Zeit,
der verlorenen Zeit... |
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Sieben Fragen an Olivier Assayas zu 'Irma Vep'
Mark L. Feinsod
indieWIRE: Gehört Irma Vep in eine bestimmte
ästhetische
Tradition? IW: Wer sind Ihre ästhetischen Vorbilder? OA: Ich befinde mich in der Tradition französischer Filmemacher, aber es gibt da keine stilistische Einhat, es ist einfach die sehr grundsätzliche Vorstellung, Filme mit derselben Art von Freiheit herzustellen, wie ein Buch zu schreiben oder eine Leinwand zu bemalen. Ich glaube nicht, dass ich sogar mit meinen Lieblingsfilmemachern stilistisch viel gemeinsam habe. Es gibt Einflüsse von den großen Meistern, von Malern, moderner Fotografie, aber es setzt sich in meinem Kopf wie ein Puzzle zusammen, ein riesiges Durcheinander. IW: Glauben Sie, dass amerikanische Filme unter der Kontrolle Hollywoods und des Marktes leiden - und darunter, dass die Filmemacher zu wenig Raum zum Experimentieren haben? OA: Die Unterschiede sind groß zwischen Hollywood und Europa, was die Art angeht, wie man mit dem Filmemachen beginnt. In Frankreich fangen viele mit eigenen Kurzfilmen an und kommen dann zum Spielfilm. Sie bekommen dabei keine Hilfe in dem Sinn, in dem das Hollywood-System -- das nicht gerade sehr interessant ist -- den Leuten hilft. (...) IW: Was ist Ihr Eindruck von der amerikanischen Indie-Filmszene? Assayas: Die amerikanische Independent-Filmszene ist das aufregendste, was es in den letzten Jahren im Kino gegeben hat. Ich habe den Eindruck, dass die Beziehungen zwischen europäischen und amerikanischen Filmemachern existieren, weil sie mit denselben Problemen kämpfen. Dieselben Budgets, dieselben Themen - jenseits des Mainstream - und dasselbe Verhältnis zur Industrie; der Versuch, an den Rändern zu bleiben und nicht vom hässlichsten Teil davon aufgesaugt zu werden. iW: Wollen wir über das Ende von 'Irma Vep' reden, wo der Zuschauer sieht, was Rene Vidal geschnitten hat.? Assayas: Ich habe Filme in Filmen nie leiden können. In 'Die amerikanische Nacht' z.B. wird ein dämlicher Film gedreht, den niemand sich anschauen würde. Meine Idee war, einen Film im Film zu machen, der zu meiner Geschichte etwas beiträgt. Ich nehme die Fragen, die er sich stellt, ernst. Viele dieser Fragen stelle ich mir selbst. Im Kontext des modernen Kinos bestand die erfolgreiche Auseinandersetzung mit diesen Fragen in einer Verbindung experimentellen Filmemachens mit Erzählen in irgendeiner Form. Seine Vorstellung ist, dass der Ärger, den er mit dem Material hat, mit seiner Unfähigkeit, einen modernen Ausdruck dafür zu finden, zu tun hat. Ich glaube, dass es für das Kino wichtig ist, die Verbindung zum Experimentalfilm wiederherzustellen; alles, was in Europa Avantgarde war, ist zum Video übergewechselt. iW: Könnten Sie etwas über das Ende von Zoes Geschichte sagen? Ist es als Bestätigung dessen gedacht, was der Regieassistent über sie gesagt hatte?
Assayas: Zoe ist einer der Charaktere,
die mich am meisten interessieren. Sie spricht aus, was ich über das
Filmemachen denke, genau das, was man tun sollte. I mag es, Konfusion in
den Prozess des Filmemachens zu bringen, und dafür steht sie. Sie ist
die einzige, die traurig ist, dass die Dreharbeiten enden; es ist als hätte
man sie vergessen; vor allem aber hat man den Geist des Films, den sie gedreht
hatten, vergessen. |
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Jedes Mal, wenn ich einen Film mache, habe ich das Gefühl,
mich auf ein neues Gebiet zu wagen, unbekanntes Gelände zu betreten,
Dinge zu finden, die ich nicht kannte.
Olivier Assayas |
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Destinées sentimentales (1999)
Fin août, début septembre (1998)
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