Von der ersten Sekunde an hat diese Performance eine Form: somnambul
schon treten die Darsteller auf die Bühne, somnambul bleiben sie, auch
dann noch, wenn sie die verschiedensten Stadien der Hysterie und der
Verzückung durchlaufen. Die Gesichter sind zu Masken geschminkt, die
Frisuren festgegelt in einen Zustand stürmischer Zerzaustheit. Es gibt
Typen, aber keine Figuren, wiederkehrende Verhaltensweisen, aber keine
Charaktere, Texte, aber keine Dialoge und Interaktionen, aber keine Handlung.
Das elegant designte, in schlichtem creme gehaltene Bühnenbild ist selbst
noch einmal Verdopplung einer Bühne, aber auch und vor allem eine
Wundertüte, die sich öffnet, aus der die Darsteller steigen, aber
auch jene Gegenstände entnommen werden, die ganz fraglos im Zentrum
dieser Aufführung stehen.
Vorgeführt wird, liebevoll, enthusiastisch und erfindungsreich,
eine Welt der entzauberten Alttags-Dinge, die, auf ironische Weise, versteht
sich, wieder verzaubert werden sollen. Es sind, das kommt einer solchen Absicht
zu Hilfe, Dinge nicht aus unserer Gegenwart, sondern aus den siebziger Jahren,
wie man sie bereits in den retro-regressiv gestimmten Installationen der
letzten beiden Berlin-Biennalen bewundern konnte. Scheußliche
Gerätschaften, die man liebt, gerade weil sie so unprätentiös
hässlich sind: Staubsauger, Glastragekörbe aus Plastik, ein
aufblasbares Kissen, Taschen, Pullover, Teppichreiniger, Teetassen und vieles
mehr. All das ist freigegeben zur Adoration zum einen, zum anderen und zugleich
aber zum kreativen, aus allem haushaltspraktischen Zusammenhang gerissenen,
in höchst komische neue Kontexte versetzten Spiel.
Alle Verwendung ist Zitat: verfälschendes, groteskes, ironisierendes,
an den ursprünglichen Zusammenhang angelehntes Zitat. Mal sanfter, mal
lauter, mal durchsichtiger, mal absurd kommentiert wird dieses fortgesetzte,
zu einzelnen Nummern geschnittene Dauerzitat, dieses laufende Band der
Konsumartikel, durch einen nahtlosen Musikteppich. Der setzt allerdings bewusst
einen Gegenakzent zur Warenwelt, genauso wie die Darsteller, deren somnambules
Agieren, deren Maskenhaftigkeit noch jede ihrer Verhaltensweisen zum bloß
Zitathaften konterkarieren. Was Nico and the Navigators auf der Grundlage
dieses Prinzips aber auf die Bühne zaubern, ist in erster Linie eines:
herrliche, ins Groteske vernarrte, umwerfende Comedy. Sei es die laute und
wortreiche Anpreisung eines Kleiderbügels, sei es das Minidramolett
um ein gestohlenes Fahrrad mit Luftkissenschlacht oder eine
Teebeutelverkaufsvorführung, die in Chaos und Zerstörung endet:
stets ist das Timing perfekt, sind die absurd-komischen Akzente präzis
gesetzt, treffen Regie und Darsteller punktgenau die Linie zwischen
Wiedererkennbarkeit und Überzeichnung, die es zu treffen gilt, will
man weder in bloße Satire noch in bloßen Nonsens abdriften. Lilli
in Puttgarden ist klug, unprätentiös und komisch, mit einem Wort:
die reine Freude. |