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Douglas überzeugt in 'Wonder Boys'
Es fällt nicht leicht, einen Michael-Douglas-Film sehen
zu wollen, da er so ungefähr die letzten 20
Jahre damit verbracht hat, weniger wirkliche Charaktere als
-ismen zu spielen, als Reflex des jeweiligen Zeitgeists, als
Verkörperung der gerade neuesten Themen der amerikanischen
Medien.
Er ist die Misogynie gewesen
(Eine verhängnisvolle Affäre), ebenso wie homophob (Basic
Instinct), der Kapitalismus (Wall Street) und der Ausländerhass (Black
Rain).
Er war die Stimme von Millionen Amerikanern, die so universelle Fragen
stellen wollten wie: 'Ist es ein Verbrechen, ein selbstbezogener Weißer
zu sein?' (Falling Down) und 'Warum müssen selbstbezogene weiße
Jungs immer die hilflosen Opfer sexueller Verfolgung sein? (Enthüllung)
und 'Wäre Melanie Griffith nicht die perfekte Undercover-Agentin, um
die Nazis zu infiltrieren?' (Shining Through)
Man ist also überrascht, wann immer er entspannt und
erfreulich kompetent in seinen Rollen aufgeht. So geschehen in
The American President (Alternativtitel: 'Und noch ein selbstbezogener
weißer Mann') und jetzt erneut in Wonder Boys.
An Warnsignalen fehlt es auf den ersten Blick nicht. Douglas spielt
Grady Tripp, einen etwas verschlampten Professor für Creative Writing,
der seine besten Tage hinter sich hat. Eine seiner begabtesten Studentinnen
ist eine reizende Studienanfängerin, die von Katie Holmes gespielt
wird und ein Zimmer in seinem Haus mietet und sich, seinen aufrichtigen und
vorsichtigen Zurückweisungen zum Trotz, in ihn verliebt.
Man will diese Entwicklung fast schon abtun als weiteren Eintrag in
Douglas' wachsendes Oeuvre von Fantasie-Filmen über wunderschöne
junge Frauen, die schlechtgelaunte ältere Männer damit quälen,
dass sie sich in sie verlieben. Dann erinnert man sich daran, dass er im
wirklichen Leben gerade dabei ist, Catherine Zeta-Jones zu heiraten, und
vielleicht sind diese Filme in Wahrheit dokumentarische Darstellungen der
Probleme schlechtgelaunter älterer Männer.
Aber ganz egal - dieser Film hat den Geschmack und die
Zurückhaltung, um Tripp nicht zu einer Lester Burnham/Humbert
Humbert/Michael Douglas-Figur zu machen und belässt die
Studentinnenverliebtheit im Subtext, da, wo sie
auch hingehört.
Tatsächlich ist Wonder Boys überhaupt ziemlich
zurückhaltend und für eine Komödie mit einem Gewehr,
einem toten Hund, einem Transvestiten und einem Pelzkragen-Jacket, das
Marilyn Monroe gehörte, ist das
keine geringe Leistung.
Tripp ist ein ausgebrannter Kiffer, dessen erster Roman ein Hit war,
der jetzt aber mit seinem zweiten zu keinem Ende findet - eine
2600-Seiten-Monstrosiät. Sein Verleger (Robert Downey Jr.) ist gerade
in der Stadt und drängt ihn, das Buch endlich zu vollenden.
Außerdem hat ihn seine Frau verlassen, seine Geliebte (Frances
McDormand) ist schwanger und außerdem die Frau des Dekans der
Englisch-Fakultät.
Als wäre das nicht genug, findet er sich in dieser
außergewöhnlich seltsamen Nacht mit James (Tobey Maguire)
konfrontiert, einem Studenten, talentierten Schriftsteller und Fan von
Celebrity-Selbstmorden, der so wenig sozial eingestellt ist, dass man es
auch Autismus nennen könnte - 'Vielleicht bin ich
einfach ein klein wenig traurig heute abend', jammert er
und klingt wie Rain Man mit Studentenausweis.
Und Tripp ist nicht gerade der Vertrauensdozent, dem man seinen
verwirrten Sohn anvertrauen möchte. Als James klagt, dass die Leute
wie einen Freak behandeln, antwortet Tripp mit der anerzogenen Sensibilität
eines professionellen Mentors: 'Naja, du bist ein Freak, James.'
Ein Hund stirbt, verschiedene Dinge werden gestohlen, seltsame Leute
beginnen, Tripp zuhause aufzusuchen, und er findet sich auf einem
lächerlichen und pikaresken Trip durch die düsteren Straßen
Pittsburghs wieder. Regisseur Curtis Hanson behandelt das alles mit der selben
werktäglichen Straightness, die er auch in L.A. Confidential einsetzte
- die schlechte Nachricht ist, dass er es auch mit demselben Sinn für
Komik behandelt, den er in L.A. Confidential an den Tag legte.
Während Michael Chabons Roman ein lakonisches und angenehm
unverbundenes Durcheinander ist, geht Hanson die komischen Seiten von
Wonder Boys so an, dass er sie entweder ignoriert oder verunsichert
übertreibt und die Aufmerksamkeit darauf lenkt
Die Geschichte mit dem Hund und dem Transvestiten ist besonders
ungeheuerlich; es wird Zeit, dass jemand einmal ein Seminar für
Hollywood-Regisseure anbietet darüber, dass totet Haustiere und
große Männer in hochhackigen Schuhen als solche noch
keine tolldreiste Komödie machen.
Und Subtilität ist nicht Hansons stärkste Seite. Ein
Zoom auf Douglas' verwittertes Gesicht und darunter Neil Youngs 'Old Man',
das ist ein klares Beispiel dafür.
Zum Glück hat Hanson fähige Darsteller auf der Habenseite.
Zwar haben Mc Dormand und Holmes Rollen, die nicht viel mehr
als Stereotypen sind, weibliche Reize, auf die Tripp dann reagiert,
aber ihr beträchtliches schauspielerisches Vermögen
wird dennoch deutlich. Downey - der fit wirkt, als habe man ihm
im Knast viel Gelegenheit zum Workout gegeben - ist herrlich komisch,
gibt serienweise solipsistische Scherze und ziselierte Einzeiler von sich.
Und Maguire ist wunderbar undurchsichtig, ein Außenseiter, der seine
Lügen spinnt, als wären Wahrheit, Akzentuierung und Interpunktion
einfach überflüssig.
Aber Douglas trägt den Film. Hansons Zurückhaltung verhindert,
dass er mit den offensichtlichen Scherzen zu viel Spaß hat,
aber vielleicht führt genau das dazu, dass die weniger wichtigen
Dialoge so lustig sind.
Es müsste einen besonderen Oscar dafür geben, dass man
mit einem Satz wie 'Bei mir ist es 8 Uhr 15 - aber ich glaube nicht, dass
das stimmt' heftige Lacher produziert.
Wonder Boys hat seine Fehler. In manchen Momenten zieht er sich.
Das letzte Urteil des Films über Tripps Kifferei und Verschlamptheit
wirkt verkrampft, als hätten die amerikanischen Drogenbeauftragten
und die Friseursinnung Tritte vors Schienbein gegeben.
Und durchwegs legt Hanson eine Furchtsamkeit bei seinem
still anarchischen Thema an den Tag, einen Konservatismus, der
sich sogar in der Werbekampagne für den Film zeigt. Warum
zeigt das Plakat einen freundlichen und onkelhaften Douglas
wie auf einem Umschlagfoto, wenn er die meiste Zeit des Films
mit einer Strumpfmütze, ausgebeulten Jeans und einem zerlumpten
rosa Morgenmantel zubringt?
Zum Glück setzt sich Tripps chronische Verantwortungslosigkeit
immer wieder durch und besudelt den sonst so sauberen Films
mit erfreulichen Schmutzflecken. Er ist verletzt, als Holmes seine
ausufernde Fiktion mit den Worten kritisiert: "Es liest sich, als
hättest du an keiner Stelle irgendwelche Entscheidungen getroffen'
- aber sie bringt das Problem von Tripps Leben auf den Punkt. Er
mäandert durch den Film, häuft eine zunehmende
erschreckende Menge von Krisen und an jeder Wegbiegung entscheidet
er sich wie nebenbei für die verkehrteste und am wenigsten hilfreiche
Option.
In den Händen von Michael Douglas aber wird das zu einer
durch und durch amüsanten Reise.
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