Rezensionen: Greg Egan: Quarantäne

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Autor

Greg Egan

geb. 1961in Perth (Australien). Während seiner Zeit an der University of Western Australia drehte er Amateurfilme, ein Hobby, das er nach seinem Abschluss an einer Filmhochschule weiter verfolgen wollte - aber nur für ein paar Wochen. 1983 erschien ein erster Roman, An unusual Angle, auf den Egan heute nicht mehr stolz ist. Danach arbeitete er viele Jahre als Programmierer und hatte erst mit seinem nächsten Roman Quarantäne (1992) seinen Durchbruch als Schriftsteller. Seither wächst sein Ruhm und Egan gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Sci-Fi-Autoren.

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Greg Egans Website mit vielen kurzen Texten und einer umfangreichen Bibliografie

REZENSION

Greg Egan: Quarantäne

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Der Auftrag, den Privatdetektiv Nick Stavrianos bekommt, ist nicht weiter ungewöhnlich. Auf den ersten Blick jedenfalls. Er soll Laura Andrews wiederfinden, eine junge Frau, die seit ihrer Geburt dement scheint und in einer Anstalt weggeschlossen wurde. Sie ist verschwunden und der Detektiv setzt sich auf ihre Spur. Sein Auftraggeber bleibt im Dunkeln - noch viel dunkler aber bleibt lange der Grund für die Entführung der Frau. Oder ist sie, ein Ding der Unmöglichkeit eigentlich, selbst aus der Anstalt entwichen? Die Ermittlungen führen den Detektiv nach Neu-Hongkong, im Jahr 2068 ein Staat auf dem australischen Kontinent. Er entdeckt, dass Laura von einem Konzern gefangen gehalten wird und eilt zu ihrer Befreiung. Damit endet der erste, nicht sehr aufregende Teil.

Der zweite Teil beginnt damit, dass Stavrianos beim Einbruch ertappt wird, doch statt ihn zu töten, wird ihm ein spezielles Loyalitätsmodul ins Hirn gepflanzt und damit geht der Roman erst so richtig los. Zwei Spezifika insbesondere zeichnen Egans Zukunft aus: ein historisches Ereignis kosmischen Ausmaßes, die Abschließung des vertrauten Sonnensystems durch eine Barriere, deren physikalische Eigenschaften am ehesten Ähnlichkeit mit einem Schwarzen Loch haben. Die lebensweltlichen Auswirkungen sind einerseits nicht sehr bedeutend, andererseits umstürzend: die Sterne sind verschwunden, der Nachthimmel ist, von den Planeten abgesehen, schwarz. Dass das zunächst Klaustrophobie verursacht, will einem einleuchten. Das zweite Spezifikum liegt dagegen auf der Mikro-Ebene der menschlichen Biologie. Quarantäne stellt sich und seine Welt in die Cyberpunk-Tradition der Verschmelzung von Mensch und Computer. Feinstens tarierte und dosierende Module ermöglichen beinahe jede Erweiterung des menschlichen Geistes und beinahe jeden Eingriff in Verstandes- und Gefühlsleben.

Mit diesen beiden Prämissen, Barriere wie Module, setzt Egan - unter Verzicht auf jeden überflüssigen Fantasieplüsch - ein und entwickelt lakonisch, aber immer überzeugend die Konsequenzen daraus. Als entscheidender Katalysator kommt ein komplexes quantenmechanisches Experiment dazu, das die Firma, die den Detektiv zur Loyalität verdammt hat, anstellt. Kurz gesagt geht es um die lebensweltliche Ontologisierung des quantenphysikalischen Messproblems: was wäre, wenn man sich, im Zustand der Bewusstheit, vor dem Moment des Kollapses der Unentscheidbarkeit, in dem sie zur (einzigen) Realität wird, aufhalten könnte? Wenn, über einen gewissen „Zeitraum" hinweg, alle Möglichkeiten offen, ja für den einzelnen kontrollierbar blieben. Unter den vielen paradoxen Konsequenzen interessiert Egan vor allem die eine, die mit den Möglichkeiten des Modul-Einsatzes ohnehin schon angesprochen ist: wie selbst-identisch wäre ein solches immer wieder „verschmiertes" Ich noch. Ich ist nicht einer, sondern geradezu (je nachdem, wie unwahrscheinlich das gerade Erlebte ist) unendlich viele, ist total kontingent. Alle bis auf einen müssen im Moment der Messung verschwinden - was hier immer wieder mit der (halben) Metapher des Tötens und Sterbens zu fassen versucht wird. Die Kontinuität des Bewusstseins wie des Seins jedenfalls entpuppt sich so als metaleptische (also: erst im nachhinein hergestellte) Illusion.

Egan setzt auf völlig eigenständige Weise jenen Zweig der Science Fiction fort (den interessantesten), in dem es um die Befragung und Bezweiflung der Realität und dessen, was wir dafür halten, geht. Philip K. Dick war die psychedelisch-religiöse (aber dadurch auf ihre krude Weise auch sehr traditionsgesättigte) Variante, Galouye und seine Cyberpunk-Kinder virtualisierten die Wirklichkeit und potentialisierten sie genau dadurch. Simulation und Wirklichkeit näherten sich bis zu Verwechselbarkeit - und exakt an diesem Punkt, dem der Ununterscheidbarkeit, liegt dann immer wieder die ironischste Pointe dieser Simulation, von der noch Filme wie The Matrix zehren. Egan nun, der Mathematiker, spielt das überzeugend für die Quantenphysik durch. Bewundernswert ist er in der Beharrlichkeit, mit der er auf den metaphysischen, von physikalischen aber kaum zu trennenden Fragen, die durch seine Anordnung aufgeworfen werden, herumreitet. Da gibt es kaum Konzessionen ans Popcorn-Publikum, noch nicht einmal in den Handlungs-Konsequenzen, zu denen er seine Geschichte treibt. Geschickt nämlich bringt er die Quanten-Experimente mit der Barriere in einen - allerdings sehr düsteren - Zusammenhang und inszeniert einen Showdown, dessen Noir-Atmosphäre alles zu bieten hat, nur keine falschen Hoffnungen.

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