Francois Ozon
Ein Eintrag ins Lexikon von Ekkehard
Knörer
Biografie
Ozon wird 1967 in Paris geboren. Zwischen 18 und 22 Jahren
produziert er, nicht zuletzt inspiriert von den
Super-8-Heim-Filmen seines Vaters, mehr als 30 kurze
Super-8-Filme. "So habe ich nach dem Abitur, etwa je einen im Monat, mit
einem Budget von 300 FF (der Preis des Filmmaterials) pro Film mehr als 30
Super-8-Filme gedreht. Meine Familie, Freunde, Geliebte waren die Darsteller;
so habe ich gelernt, Geschichten ohne Worte unter Minimalbedingungen zu
erfinden." Er macht seinen Magister in Filmwissenschaften, geht dann auf
die angesehene Filmhochschule FEMIS. In dichter Folge dreht er Super 8- Filme,
Videos, 16mm und schließlich 35mm-filme. 1995 dreht er mit La Petite
Mort den ersten (Kurz-)Film mit der Produktionsgesellschaft Fidélité
Productions. Im selben Jahr macht er einen Dokumentarfilm über Lionel
Jospin.
Mit seinem ersten Spielfilm Sitcom
(1998), der in Cannes lief, macht er sich über die Grenzen
Frankreichs hinaus einen Namen, Les Amants Criminels
(1999), der darauf folgende Film wurde in Venedig gezeigt und
Gouttes
d'eau sur pierrer brulantes (2000) lief mit
Kritikererfolg bei der Berlinale. In
Unter dem
Sand (2001) zeigte Charlotte Rampling eine der besten Leistungen
ihrer Karriere - und sein jüngster Film,
Huit Femmes
(2002), versammelt ein großartiges weibliches Star-Ensemble
(von Catherine Deneuve bis Emanuelle Beart) und läuft wiederum
im Wettbewerb der Berlinale.
Interview
(Ausschnitte)
Interview vom 28.8.1998 in Indiewire (Ausschnitte)
indieWIRE: Wenn man mit jungen französischen Regisseuren
spricht, scheint es manchmal so, als könne jeder, der
es nur will, auch einen Film machen. Ist da
etwas dran?
Ozon: Der Besuch der FEMIS (nationale Filmhochschule) hat mir die
Möglichkeit gegeben, drei oder vier Kurzfilme zu machen. Viele
haben sie gesehen, sie liefen an mehreren Orten, so dass ich mich für
Stipendien bewerben konnte. Es ist möglich Unterstützung
zu bekommen, wenn man einen Film mit geringen finanziellen Mitteln macht.
(...)
iW: Ich glaube, dass die französische Filmindustrie
mit ihren Filmemachern sehr viel netter umgeht als die
amerikansische.
Ozon: Das Kino hat in Frankreich wirklich einen Status als
Kunstform, es gibt den kommerziellen Aspekt, aber er
dominiert nicht alles andere. (...) Das amerikanische Kino scheint
mir sehr fremd. Es scheint so, als würden die Filmemacher
streng kontrolliert, als gehe ein Stück Freiheit verloren,
also habe ich keine Lust, unter diesen
Zwängen zu arbeiten. Zugleich bin ich aber fasziniert
von Clint Eastwood oder Stephen Frears, denen es gelungen ist,
wirklich persönliche Filme im Major-System zu machen.
iW: Vorhin sagten Sie, amerikanische Regisseure seien
ein wichtiger Einfluss? Wer und wie?
Ozon: Die klassischen amerikanischen Regisseure, wie Hitchcock.
Und die Regisseure, die nach Hollywood kamen wie Max Ophuls und Jean
Renoir. Ich mag auch Tim Burton. (...)
Ich versuche, aus dem Mangel an finanziellen Mitteln eine Stärke
zu machen (...), Abkürzungen in der Narration zu finden. Am Ende war
das wirkungsvoller als wenn wir mehr Geld gehabt hätten. Ich habe einen
Ruf, nicht viel Geld für meine Filme zu brauchen. Aber das liegt
daran, dass ich den Mangel nutze, um extreme Dinge zu tun und ihn in sein
Gegenteil zu verkehren und in eine Stärke zu verwandeln.
(...)
iW: Ich habe den Eindruck, dass ein Element von Brutalität in
allen Ihren Filmen eine Rolle spielt...
Ozon: Ja. Was mich interessiert, sind Gewalt und Sex, denn es
ist eine echte Herausforderung, das Starke und Mächtige zu zeigen statt
des Schwachen und Trivialen. Ich mag Stoffe, die Fragen nach der Moral
stellen.
vollständiges Interview in
Indiewire
Filmografie
Spielfilme
Dreißig Super 8 Filme (1986-1990)
DEUX PLUS UN (1991, 9 min, 16mm)
LE TROU MADAME (1991, Documentary, 10 min, Video)
PEAU CONTRE PEAU (1991, 8 min, Video)
UNE GOUTTE DE SANG (1991, 10 min, Video)
THOMAS RECONSTITUÉ (1992, 10 min, Video)
VICTOR (1993, 14 min, 35mm)
UNE ROSE ENTRE NOUS (1994, 27 min, 35mm)
ACTION VÉRITÉ (1994, 4 min, 35mm)
LA PETITE MORT (1995, 26 min, 35mm)
Beziehungsviereck: ein junger Mann, sein Freund, seine Schwester und
sein Vater, der im Sterben liegt; der seinen Sohn als Baby nicht anerkannt
hat, der ihn nun, da er ihn am Sterbebett besucht, nicht erkennt. Zugleich
die Suche des Sohnes nach dem Moment des Glücks, den er in fotografierten
Momenten des Orgasmus aufsucht.
JOSPIN S'ÉCLAIRE (1995, Documentary, 52 min)
UNE ROBE D'ÉTÉ (1996, 15 min, 35mm)
Dreiecksgeschichte (aber fast ohne Plot): ein schwules Paar, einer
geht alleine an den Strand, eine Frau taucht auf, verführt ihn, seine
Kleidung ist verschwunden, er zieht ihr Kleid an, das sein Freund ihm beim
Sex wieder vom Körper reißt. Tags darauf fährt sie mit dem
Schiff davon, schenkt ihm das Kleid.
SCÈNES DE LIT (1997, 26 min, 35mm)
REGARDE LA MER (1997, 52 min, 35mm)
Drei Personen: eine Frau im Ferienhaus, ihr Mann bleibt abwesend,
in Paris. Ihre kleine Tochter. Eine junge Frau, die darum bittet, ihr Zelt
im Garten der Frau aufschlagen zu dürfen. Die beiden Frauen freunden
sich an, wenigstens sieht es so aus. Die jüngere, namenlose aber bleibt
rätselhaft, unheimlich. Die Katastrophe, auf die der Film zusteuert,
ist von Beginn an unterschwellig zu spüren.
Regarde La Mer war schrecklich, denn die Schauspielerin
war verrückt. Sie war zum ersten Mal in einem Film und
wollte mir beweisen, dass sie in der Lage
war, bösartig zu sein. Nach dem Dreh,
wir schliefen alle im selben Haus, blieb sie die
Figur, die sie spielte. Sie war drauf und dran, die
ganze Crew umzubringen --- das war sehr seltsam. Aber ich liebe sie,
sie spielt auch in Sitcom wieder mit. (...) Ich habe
sie in der Filmschule kennengelernt. Sie hatte
ihren eigenen Film gemacht, über einen Vater,
der seiner Tochter Fellatio beibringt. Der andere Film, den
sie machte, ging um ein Mädchen, das
nicht scheißen kann."
Francois Ozon
im Interview |
SITCOM (1998, 80 min, 35mm)
Der Film ist ganz anders als Regarde La Mer.
Ich habe versucht, das Konzept von Sitcoms, die
ich für ziemlich mies halte, zu übernehmen, aber den
Kontext und die Technik zu benutzen, um es
mit der Art von Kino zu füllen, die ich mag.
Horror-Filme, Familiendramen, Suspense. Sitcom ist experimenteller.
Es ist auch keine Parodie. (...) Was die
Unterschiede angeht: Ich versuche immer, den jeweils neuesten
gegen den letzten Film zu drehen, also hier
leichter als Regarde La mer, alles weniger gewichtig.
Was sich ähnelt, ist die Manipulation der Zuschauer, das
Verschweigen bestimmter Dinge, dass ich einiges
der Fantasie überlasse.
Francois Ozon im
Interview |
LES AMANTS CRIMINELS (1998 / 90min / 35mm)
GOUTTES D'EAU SUR PIERRES BRULANTES (2000/ 35mm)
Jump-Cut-Kritik zu Tropfen auf heiße Steine
SOUS LE SABLE (2000)
Jump-Cut-Kritik
zu Unter dem Sand
Links
Es gibt tatsächlich eine (französische)
Ozon-Website
- und sie ist nicht schlecht!
Korrigiere mich: es gibt
eine
zweite, die allerdings nicht so gut ist (und das Design...)
Kontaktadresse
François Ozon
c/o Fidélité Productions
13,rue Etienne Marcel
75001 Paris
Auteur - Lexikon der Regisseure: Francois
Ozon |
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