Jump Cut Theater & Tanz Kritik

Startseite Jump Cut -  Inhalt - Theater- Forum - Mail

 

two ones:

Anna Huber: hierundoderhierundoderhierundoderdort

Kristýna Lhotákova: I am here, you are at home

Kritik von Ekkehard Knörer

  

Im Hinterraum, klein, in dem die Sicht um die Ecke verschwindet, der Beginn im Licht, als die Tribüne sich noch füllt. Dazwischen der Saal, leer und dunkel. Ein Rucken, große Augen, aufrecht an der Wand Anna Huber, von der Wand sich lösend, ein paar Zentimeter, und dann doch nicht. Eine, die in ein Netz geraten ist, das keiner sieht. Eine, die sich befreien will und nicht kann. Eine mechanische Person, in der etwas - mechanisch - ruckt, als wollte es anderswohin. Das geht eine Weile, die Spiel- und Freiräume werden größer, langsam, bis, dann, irgendwann, der Körper von der Wand sich löst, bis, dann, irgendwann, der Saal erobert ist, aber natürlich ist das keine Eroberungsbewegung, eher ein Hinausgestoßensein, aber mit der Zeit auch der Genuss einer neuen Welt, die der Körper sich, gehemmt erst, erarbeiten will, groß, leer, ein Freiraum, dass einem Angst werden kann um den Körper, der sich hier erstaunt bewegt, beschleunigt, verlangsamt, sich, den Raum erkundet, ruckend immer wieder, ungewiss, den Fliehkräften des Raums sich ausgesetzt sieht, mehr aber noch denen des eigenen Körpers, der Fremdkörper bleibt, sich bewegt, wie es scheint, viel weniger sich von einem Willen bewegen lässt, der wüsste, was er will und wohin und warum.

Diese Erkundungen des Körpers, Selbsterkundungen ohne Freiraum, Erkundungen eines Bewegungsspielraums, der immerzu begrenzt bleibt, sind von großer Akuratesse im Ungelenken. Das Ungelenke wird ermesslich in den Bewegungen des Körpers von Anna Huber. Zum Tanz als einer geschmeidigen Bewegung, die zu wissen scheint, was sie will, fügt es sich nicht. Im Ansatz nur. Die Glieder erfinden sich Rhythmen, finden Gelegenheiten, etwas aus sich zu machen, gewinnen Eigenleben und dieser Gewinn an Freiheitsraum ist zugleich beängstigend, denn im Eigenleben der Körperglieder droht immer die Pathologie. Zwischen freier Bewegung und Spasmus liegt der Spielraum der sich windenden, rhythmisch zu sich findenden und außer sich geratenden Körperglieder von Anna Huber. Rudernd im Eigentakt, dann Geräusche, die zur Musik so sehr und so wenig finden wie der Körper zum Tanz. Wenn denn Tanz heißt, und Musik heißt: ein Schwingen im Freiraum eines selbst sich gebenden Rhythmus der Bewegung, des Klangs, in Mustern, die Ordnung finden im Spiel mit der Grammatik, die sie beherrschen.

Der Körper, der zuckt, dessen Arm sich in Bewegung setzt, dessen Hand aus dem Takt gerät, in einen eigenen Takt gerät, dessen Kopf sich gefährlich rasch wiegt und wiegt und wiegt, als habe er mit dem Rest, dem Körperrest, als der der Körper sich von diesem Wiegen aus darstellt, nichts zu tun, als wolle er alle Verbindung aufgeben, nur Wiegen sein (nicht einmal mehr Kopf) von der einen Seite zur anderen. Oder die Beine, die an der Wand sich kreuzen, hin und her, der Körper auf dem Kopf, im Raum der Ecke, anders, ganz anders zu Beginn - dem Gefangensein steht, jetzt, auf dem Kopf, ein Eigensinn entgegen, mag sein, nicht des ganzen Körpers, aber doch ein Widerstand gegen jedes gewöhnliche Erscheinungsbild. Dann nimmt der Körper auch Fahrt auf, rast durch den Raum. Er gewinnt, als wäre er nicht länger gefangen, in sich, oder Glied für Glied in einer zwanghaften Ausmessung kleiner und kleinster Spielräume und Eigenkräfte, er gewinnt die Fähigkeit, zu sich selbst ein Verhältnis einzunehmen, das fast als humoristisch zu bezeichnen wäre. Die Arme verschränken sich hinterm Körper, die Hände wachsen seitenverkehrt aus den Hüften hervor und schwänzeln im Einklang mit dem Körper geradeaus durch den Raum auf das Publikum zu. Dem Autismus entrissen, eine Kontaktaufnahme. So viel lässt sich vielleicht sagen.

***

Im zweiten Teil Kristyna Lhotakova, turnerischer veranlagt. Gesprochen wird auch ins Mikrofon über Heimat auf Englisch teils, dann auch tschechisch. Eingestreut ab und zu eine Ballettfigur, ein Verhältnis zum Raum will sich nicht einstellen. Vielleicht ließe sich mehr darüber sagen.

     
 

Suchen
 
Google
Web Jump Cut

 


 

.