Im Hinterraum, klein, in dem die Sicht um die Ecke verschwindet,
der Beginn im Licht, als die Tribüne sich noch füllt. Dazwischen
der Saal, leer und dunkel. Ein Rucken, große Augen, aufrecht an der
Wand Anna Huber, von der Wand sich lösend, ein paar Zentimeter, und
dann doch nicht. Eine, die in ein Netz geraten ist, das keiner sieht. Eine,
die sich befreien will und nicht kann. Eine mechanische Person, in der etwas
- mechanisch - ruckt, als wollte es anderswohin. Das geht eine Weile, die
Spiel- und Freiräume werden größer, langsam, bis, dann,
irgendwann, der Körper von der Wand sich löst, bis, dann, irgendwann,
der Saal erobert ist, aber natürlich ist das keine Eroberungsbewegung,
eher ein Hinausgestoßensein, aber mit der Zeit auch der Genuss einer
neuen Welt, die der Körper sich, gehemmt erst, erarbeiten will, groß,
leer, ein Freiraum, dass einem Angst werden kann um den Körper, der
sich hier erstaunt bewegt, beschleunigt, verlangsamt, sich, den Raum erkundet,
ruckend immer wieder, ungewiss, den Fliehkräften des Raums sich ausgesetzt
sieht, mehr aber noch denen des eigenen Körpers, der Fremdkörper
bleibt, sich bewegt, wie es scheint, viel weniger sich von einem Willen bewegen
lässt, der wüsste, was er will und wohin und warum.
Diese Erkundungen des Körpers, Selbsterkundungen ohne Freiraum, Erkundungen
eines Bewegungsspielraums, der immerzu begrenzt bleibt, sind von großer
Akuratesse im Ungelenken. Das Ungelenke wird ermesslich in den Bewegungen
des Körpers von Anna Huber. Zum Tanz als einer geschmeidigen Bewegung,
die zu wissen scheint, was sie will, fügt es sich nicht. Im Ansatz nur.
Die Glieder erfinden sich Rhythmen, finden Gelegenheiten, etwas aus sich
zu machen, gewinnen Eigenleben und dieser Gewinn an Freiheitsraum ist zugleich
beängstigend, denn im Eigenleben der Körperglieder droht immer
die Pathologie. Zwischen freier Bewegung und Spasmus liegt der Spielraum
der sich windenden, rhythmisch zu sich findenden und außer sich geratenden
Körperglieder von Anna Huber. Rudernd im Eigentakt, dann Geräusche,
die zur Musik so sehr und so wenig finden wie der Körper zum Tanz. Wenn
denn Tanz heißt, und Musik heißt: ein Schwingen im Freiraum eines
selbst sich gebenden Rhythmus der Bewegung, des Klangs, in Mustern, die Ordnung
finden im Spiel mit der Grammatik, die sie beherrschen.
Der Körper, der zuckt, dessen Arm sich in Bewegung setzt, dessen Hand
aus dem Takt gerät, in einen eigenen Takt gerät, dessen Kopf sich
gefährlich rasch wiegt und wiegt und wiegt, als habe er mit dem Rest,
dem Körperrest, als der der Körper sich von diesem Wiegen aus
darstellt, nichts zu tun, als wolle er alle Verbindung aufgeben, nur Wiegen
sein (nicht einmal mehr Kopf) von der einen Seite zur anderen. Oder die Beine,
die an der Wand sich kreuzen, hin und her, der Körper auf dem Kopf,
im Raum der Ecke, anders, ganz anders zu Beginn - dem Gefangensein steht,
jetzt, auf dem Kopf, ein Eigensinn entgegen, mag sein, nicht des ganzen
Körpers, aber doch ein Widerstand gegen jedes gewöhnliche
Erscheinungsbild. Dann nimmt der Körper auch Fahrt auf, rast durch den
Raum. Er gewinnt, als wäre er nicht länger gefangen, in sich, oder
Glied für Glied in einer zwanghaften Ausmessung kleiner und kleinster
Spielräume und Eigenkräfte, er gewinnt die Fähigkeit, zu sich
selbst ein Verhältnis einzunehmen, das fast als humoristisch zu bezeichnen
wäre. Die Arme verschränken sich hinterm Körper, die Hände
wachsen seitenverkehrt aus den Hüften hervor und schwänzeln im
Einklang mit dem Körper geradeaus durch den Raum auf das Publikum zu.
Dem Autismus entrissen, eine Kontaktaufnahme. So viel lässt sich vielleicht
sagen.
***
Im zweiten Teil Kristyna Lhotakova, turnerischer veranlagt. Gesprochen wird
auch ins Mikrofon über Heimat auf Englisch teils, dann auch tschechisch.
Eingestreut ab und zu eine Ballettfigur, ein Verhältnis zum Raum will
sich nicht einstellen. Vielleicht ließe sich mehr darüber sagen. |