10.12.04

Heißes Pflaster Napoli - Italienische Polizeifilme neu auf DVD

Milano Kaliber 9 (Milano Calibro 9, Italien 1972)
Regie: Fernando Di Leo
Anbieter: Koch Media
Darsteller: Gastone Moschin, Barbara Bouchet, Mario Adorf,
Frank Wolff, Luigi Pistilli, Ivo Garrani, u.a.

Der Teufel führt Regie (Il Boss, Italien 1973)
Regie: Fernando Di Leo
Anbieter: Koch Media
Darsteller:
Henry Silva, Richard Conte, Gianni Garko,
Antonia Santilli, Corrado Gaipa, Marino Masé, u.a.

Camorra - Ein Bulle räumt auf (Napoli Violenta, 1976)
Regie: Umberto Lenzi
Anbieter: Koch Media
Darsteller: Maurizio Merli, John Saxon, Barry Sullivan,
Elio Zamuto, Maria Grazia Spina, Silvano Tranquilli, u.a.

Mit „Die Killer-Meute“ feierte Koch Media vor einigen Monaten den Einstieg in die zwielichtige Welt des italienischen Polizeifilms der 70er Jahre – und legte eine glatte Bauchlandung hin. Bild und Ton der Veröffentlichung waren unterdurchschnittlich, der Film selbst wurde obendrein, und entgegen aller Ankündigungen, nur geschnitten aufgelegt. Eine verpasste Chance, die Fans des Subgenres zudem um die weiteren angekündigten Veröffentlichungen fürchten ließ. Weitere verpatzte Veröffentlichungen des in Deutschland ohnehin kaum repräsentierten Poliziotti wollte man nicht hinnehmen. Mit Milano Kaliber 9 und Der Teufel führt Regie - beides Klassiker des Genreregisseurs Fernando Di Leo, der im letzten Jahr in der Reihe „Masters of the Italian B’s“ des Filmfestivals Venedig mit frisch auf HD gezogenen Kopien geehrt wurde – und dem Reißer Camorra – Ein Bulle räumt auf von Umberto Lenzi, ebenfalls ein altgedienter Herr des italienischen Genrekinos, wurde die Reihe nun fortgesetzt.

Image Hosted by ImageShack.usEin echter Glücksfall und definitiv eine Neu- bzw. Wiederentdeckung wert ist dabei Milano Kaliber 9, der eine packende hard boiled-Story aus der italienischen Unterwelt auf packend inszenierte Weise erzählt. Gastone Moschin gibt den raubeinig-verschlossenen Ugo Piazza, der nach dreijähriger Haft entlassen wird. Draußen vor dem Tor wartet bereits Rocco Musco, wie der Name schon sagt, eine aufdringliche Schmeißfliege und dargestellt von Mario Adorf in einer seiner vielleicht besten Rollen seiner Karriere (von der im faszinierenden Deadlock von Roland Klick vielleicht mal abgesehen). Der handelt im Auftrag des „Amerikaners“ (Lionel Stander), der sich von Piazza hintergangen fühlt: Die 300.000 Dollar aus dem letzten Coup für den Amerikaner, für den Piazza in den Bau wandern musste, sind nie aufgetaucht. Piazza beteuert standhaft, das Geld nicht unterschlagen zu haben. Ein Ultimatum wird verhängt, doch zeigt sich Piazza in keiner Weise ambitioniert, vom Verbleib des Geldes zu berichten. Hilfe und Trost sucht er bei alten Freunden und Freundinnen – ein Spießrutenlauf durch die Unterwelt Mailands beginnt, in dessen Verlauf Loyalitäten auf harte Proben gestellt werden ... Milano Kaliber 9 ist das Paradebeispiel für die packende, mitreißende Kraft alter italienischer Genrefilme: In bester hard boiled-Tradition schildert er eine dramatische, spannende Geschichte, die formal brillant und mit Bedacht erzählt wird. Wo im B-Kino Italiens zuweilen auch etwas dröge Langeweile herrschen mag, setzt Milano Kaliber 9 eine personell genauestens konstruierte und genial besetzte Story entgegen, die sich – wie üblich für das italienische Kino dieser Zeit – gar zu einem verbitterten Kommentar zur Verkommenheit des Menschen aufschwingt. Da die DVD obendrein qualitativ exzellent ist und durch ein gestochen scharfes Bild, sorgfältig ausgepegelte Farbwerte und einen gelungenen Kontrast brilliert, gerät die Wiederentdeckung dieses kleinen Meisterwerks zu einem kleinen Fest. Fernerhin liegt der Film erstmals ungeschnitten vor: Zahlreiche Dialogsequenzen, in denen das narrative Geschehen durch Verweise auf die politischen Unruhen der frühen 70er kontextualisiert und in einen politischen Rahmen gestellt werden, fielen in der deutschen Fassung bislang der Schere zum Opfer. In der nun vorliegenden Edition sind diese wieder im Originalton und mit deutschen Untertiteln ins Werk integriert. Allein etwas schade ist das fehlende Bonusmaterial.

imdb ~ info-sheet

Image Hosted by ImageShack.usEin Jahr später inszenierte Di Leo mit Der Teufel führt Regie ein Werk von beinahe schon epischem Charakter, das sich an die personelle und intrigante Komplexität der großen Mafiafilme anlehnt. Dabei nimmt es aber nicht den Karriereweg eines Mafiosi ins Visier, sondern konzentriert sich ganz auf einen Underdog, der als Spielball zwischen die Fronten gerät. Im Zentrum steht der verschlossene Killer Lanzetta (Henry Silva), der mit einem Auftragsmord der Marke „Sieben auf einem Streich“ im Auftrag der Familia des Don Giuseppe Daniello (Claudio Nicastro) den Clan von Antonio Attardi (Andrea Aureli) beinahe zur Gänze von der Bühne fegt. Doch einer, Cocchi (Pier Paolo Capponi), überlebt und schwört Rache. Kommissar Torri (Gianni Garko), selbst nicht ganz unzwielichtig in diesem Spiel, warnt vor einer Vendetta. Die Ereignisse überschlagen sich, als Cocchi Daniellos Tochter (Antonia Santili) entführt und Lanzetta zusehends zwischen alle Stühle gerät ...
Der Teufel führt Regie ist ein gewiss exploitatives Werk, das den Zuschauer allerdings nicht nur mit knalligen Sequenzen – etwa der Anschlag gleich zu Beginn in einem Pornokino –zu umstricken versucht. Eher verlangt er von ihm volle Konzentration, um den zahlreichen Wendungen und Verbindungen der Personen zu folgen. Auch hier zeigt sich die Größe Fernando Di Leos als Regisseur von hartgesottenem Genrestoff. Auch diese DVD liegt in einer erfreulichen, Qualität vor (wenn auch nicht ganz so hervorragend wie bei Milano), kommt aber ebenfalls ohne Bonusmaterialien (vom Kinotrailer mal abgesehen). Beinahe schon erschreckend ist es, wie der nunmehr ungeschnitten vorliegende Film seine eigene traurige Zensurgeschichte in Deutschland kommentiert: Da auch hier alle vormals geschnittenen Szenen wieder originalsprachlich mit Untertiteln integriert wurden und der Film auf diese Weise ganz fröhlich zwischen deutschen und italienischen Passagen pendelt, scheint Der Teufel führt Regie früher in der Tat fast nur aus Kürzungen bestanden zu haben. Dies erschwert ein wenig die Aufnahmebereitschaft während der Sichtung dieses ohnehin recht komplex angelegten Films. Dennoch eine erfreuliche Veröffentlichung.

imdb ~ info-sheet

Image Hosted by ImageShack.usVon dieser kann im Falle von Camorra – Ein Bulle räumt auf leider kaum gesprochen werden. Dies liegt weniger am Film selbst, sondern an der erzielten Qualität der Edition, die Erinnerungen an die verbaselte Killer-Meute hochkommen lässt: Ohne jegliche Extras ausgestattet (selbst der auf dem Backcover angekündigte Trailer fehlt), kommt der Film obendrein auch bloß mit der deutschen Tonfassung auf den Markt – fast wie in seligen VHS-Zeiten. Das Bild ist dabei zwar ganz ordentlich (von gelegentlichen Altersspuren abgesehen), doch ist der Ton reichlich dumpf geraten und weist das von der Killer-Meute bekannte Plätschern und Rascheln im Hintergrund auf, das leider weit nach vorne in die Tonkulisse hineinstrahlt und somit die Sichtung nur unter einem schlechten Stern ermöglicht: Ohne extreme Pegelspielereien am Verstärker ist diese kaum durchzuführen und selbst dann will sich eine „Versunkenheit“ kaum einstellen.
Der Film selbst zeigt Maurizio Merli, den vermutlich berühmtesten Schnauzbartträger der italienischen Filmgeschichte, in seiner Paraderolle als Kommissar Betti, der mit allen legalen und illegalen Mitteln seine Stadt von der Camorra säubern will. Harte Sprüche und fetzige Verfolgungsjagden durch die Straßen und Gemüsestände von Neapel sind da Programm und bei der Bewerbung voll miteinkalkuliert: „Harter Polizeifilm, dessen episodische Struktur vor allem der Aneinanderreihung von Gewalttaten dient.“ wird auf dem Backcover süffisant das Online-Filmlexikon von Kabel1.de zitiert. Dem gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen: Da weiß jeder, was ihn erwartet.

imdb ~ kein Info-Sheet bei Koch Media wg. Indizierung des Titels.

Technische Details:

Milano Kaliber 9
  • Laufzeit: ca. 96 Minuten
  • Bild: 16:9, 1,85:1
  • Ton: Deutsch (DD 2.0), Italienisch (DD 2.0)
  • Untertitel: Deutsch
  • Zusatzmaterial: Kinotrailer

    Der Teufel führt Regie
  • Laufzeit: ca. 105 Minuten
  • Bild: 1,85:1, 16:9
  • Ton: Deutsch (DD 2.0), Italienisch (DD 2.0)
  • Untertitel: Deutsch
  • Zusatzmaterial: Kinotrailer

    Camorra - Ein Bulle räumt auf
  • Laufzeit: 90 Minuten
  • Bild: 2,35:1, 16:9
  • Ton: Deutsch (DD 2.0)
  • Zusatzmaterial: keines (die angegebene Trailershow ist nicht vorhanden)

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