Am Anfang stehen, als kurzer, lapidar erzählter Auftakt,
Bilder des Verlusts, der Trauer: Shigeharo Aoyama, ein Mann von etwa Mitte
dreißig, am Totenbett seiner Frau. Dann ein Schnitt, sieben Jahre
später, Vater und Sohn beim Angeln, darauf zuhause, ein Thema drängt
sich in den Vordergrund, der Sohn drängt den Vater, wieder zu heiraten.
Der ist ein Romantiker, die Frau seiner Träume aber sucht er auf Anraten
eines Freundes bei einem vor allem zu diesem Zweck arrangierten Vorsprechtermin
für einen Film, der nie gedreht werden wird. Bis dahin, bis zur
titelgebenden Audition erzählt Miike diese Geschichte in ruhigen,
Ozu-artigen Bildern, kadriert das Bild gerne mit Abstand zu den Personen,
hält die Kamera in Bodennähe. Das Vorsprechen selbst ist dagegen
als ein Videoclip geschnitten, rasch werden die Kandidatinne vorgeführt,
bis plötzlich die Kamera wieder zur Ruhe kommt: Auftritt Asami, die
junge, schöne Frau in weiß, die Herrn Aoyama schon in ihrem
Bewerbungsbogen fasziniert hatte, mit der ihn Erfahrungen der Trauer, des
Schmerzes zu verbinden scheinen.
Es folgen die ersten schüchternen Dates, bald ein gemeinsamer
Ausflug ans Meer. Recht bald schon schieben sich irritierende, nicht weiter
erklärte Bilder in die Geschichte dieser Liebe. Asami kauert auf dem
Boden einer verwahrlost aussehenden Wohnung, im Hintergrund ein großer
Sack. Die unvermittelte Bewegung dieses Sacks ist eine erste
Schock-Bild-Injektion, die der Zuschauer nicht vergisst, die alle weiteren,
zunächst noch harmlosen Bilder zu infizieren beginnt. Es dauert nicht
lange, genau gesagt: bis zum erwähnten Ausflug ans Meer, bis diese Infektion
auch im Film, in den immer expliziter werdenden Bildern Raum greift. Ein
zweiter Schlag ist es, dasselbe unvermittelte Geräusch diesmal des
Betttuchs, Aoyama und Asami haben das erste Mal miteinander geschlafen (Miike
zeigt das nicht), fügt nur diesen Schnitt-Schlag ein, dann ist Asami
verschwunden.
Es ist dieser Moment, in dem der Film die Grenze zwischen Alptraum
und Realität einfach auflöst. Es folgen Szenen, Ereignisse, von
denen nicht gesagt werden kann, ob sie sich wirklich ereignen, oder ob sie
nur schreckliche Illustrationen der Ängste Aoyamas sind. Die Deutung
des Horrors, den Miike folgen lässt, hängt genau an der Frage nach
dem Status des Gezeigten; da der höchst bewusst im unklaren gelassen
wird, bleibt der Film, notwendig, für unterschiedlichste Interpretationen
offen. Er ließe sich lesen als Morality Play, als die
(maßlose) Bestrafung Aoyamas für den Trick, mit dem er Asami gefunden
hat. Aber eben auch als bloße Projektion, als panischer Schrecken vor
der Frau; die entsetzliche Folterszene, in der einem Miike kein Jota Entsetzen
erspart - obwohl, oder eher: gerade weil er sie eher andeutend filmt - wäre
dann ein sexueller Akt, bei dem der Mann vor der überlegenen Frau
gelähmt bleibt, bei dem sie ihn mit einer Folge von Penetrationen und
Verstümmelungen vergewaltigt.
Freilich spricht die weitere Ausarbeitung von Asamis Biografie, die
motivische Komplettierung des Bildes vom Todesengel, auch in nun
nachträglich eingespeisten Dialogszenen mit Aoyama, dagegen. Die Spaltung
Asamis in den Engel und den Teufel (stets in weiß) ist radikal, es
gibt keinen Übergang von der verletzlichen Unschuld zum mörderischen
Monster, stets auch gibt es zwei Versionen: der Vorgeschichte, der Motivierungen
(wenngleich die Spuren sich in Richtung Eindeutigkeit zu verdichten scheinen).
Wäre das Monster die Wahrheit über Asami, Audition wäre ein
bloßer, die Subtexte eher zum Vorwand nehmender Horrorfilm. Die krassen,
kaum zu ertragenden Bilder (und Geräusche!) fordern ganz unabweislich
die Ambivalenz, um nicht reiner Selbstzweck zu sein, nichts als Lust am Schock.
Gelegentlich scheint Audition, und daher rührt ein zuletzt nicht
ganz beiseite zu schiebendes ästhetisches Unbehagen, auf die Seite reinen,
naturalistisch inszenierten Horrors zu kippen. Stärker, viel stärker,
ist er in den Momenten, in denen er klarer, wenn man so sagen kann, auf
Ambivalenz setzt.
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