Scherpunkt Asien: Takashi Miike: Audition (Japan 1999)

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Jump Cut Filmkritik
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Audition

Regie: Takashi Miike

Mit: Ryo Ishibashi, Eihi Shiina

Nach einem Roman von Ryu Murakami (Tokio Dekadenz)

Erhältlich bei Adrenafilm!

 

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Takashi Miike: Audition (Japan 1999)
Kritik von Ekkehard Knörer

Takashi Miike: Audition

zum Asien-Schwerpunkt

Am Anfang stehen, als kurzer, lapidar erzählter Auftakt, Bilder des Verlusts, der Trauer: Shigeharo Aoyama, ein Mann von etwa Mitte dreißig, am Totenbett seiner Frau. Dann ein Schnitt, sieben Jahre später, Vater und Sohn beim Angeln, darauf zuhause, ein Thema drängt sich in den Vordergrund, der Sohn drängt den Vater, wieder zu heiraten. Der ist ein Romantiker, die Frau seiner Träume aber sucht er auf Anraten eines Freundes bei einem vor allem zu diesem Zweck arrangierten Vorsprechtermin für einen Film, der nie gedreht werden wird. Bis dahin, bis zur titelgebenden Audition erzählt Miike diese Geschichte in ruhigen, Ozu-artigen Bildern, kadriert das Bild gerne mit Abstand zu den Personen, hält die Kamera in Bodennähe. Das Vorsprechen selbst ist dagegen als ein Videoclip geschnitten, rasch werden die Kandidatinne vorgeführt, bis plötzlich die Kamera wieder zur Ruhe kommt: Auftritt Asami, die junge, schöne Frau in weiß, die Herrn Aoyama schon in ihrem Bewerbungsbogen fasziniert hatte, mit der ihn Erfahrungen der Trauer, des Schmerzes zu verbinden scheinen.

Es folgen die ersten schüchternen Dates, bald ein gemeinsamer Ausflug ans Meer. Recht bald schon schieben sich irritierende, nicht weiter erklärte Bilder in die Geschichte dieser Liebe. Asami kauert auf dem Boden einer verwahrlost aussehenden Wohnung, im Hintergrund ein großer Sack. Die unvermittelte Bewegung dieses Sacks ist eine erste Schock-Bild-Injektion, die der Zuschauer nicht vergisst, die alle weiteren, zunächst noch harmlosen Bilder zu infizieren beginnt. Es dauert nicht lange, genau gesagt: bis zum erwähnten Ausflug ans Meer, bis diese Infektion auch im Film, in den immer expliziter werdenden Bildern Raum greift. Ein zweiter Schlag ist es, dasselbe unvermittelte Geräusch diesmal des Betttuchs, Aoyama und Asami haben das erste Mal miteinander geschlafen (Miike zeigt das nicht), fügt nur diesen Schnitt-Schlag ein, dann ist Asami verschwunden.

Es ist dieser Moment, in dem der Film die Grenze zwischen Alptraum und Realität einfach auflöst. Es folgen Szenen, Ereignisse, von denen nicht gesagt werden kann, ob sie sich wirklich ereignen, oder ob sie nur schreckliche Illustrationen der Ängste Aoyamas sind. Die Deutung des Horrors, den Miike folgen lässt, hängt genau an der Frage nach dem Status des Gezeigten; da der höchst bewusst im unklaren gelassen wird, bleibt der Film, notwendig, für unterschiedlichste Interpretationen offen. Er ließe sich lesen als Morality Play, als die (maßlose) Bestrafung Aoyamas für den Trick, mit dem er Asami gefunden hat. Aber eben auch als bloße Projektion, als panischer Schrecken vor der Frau; die entsetzliche Folterszene, in der einem Miike kein Jota Entsetzen erspart - obwohl, oder eher: gerade weil er sie eher andeutend filmt - wäre dann ein sexueller Akt, bei dem der Mann vor der überlegenen Frau gelähmt bleibt, bei dem sie ihn mit einer Folge von Penetrationen und Verstümmelungen vergewaltigt.

Freilich spricht die weitere Ausarbeitung von Asamis Biografie, die motivische Komplettierung des Bildes vom Todesengel, auch in nun nachträglich eingespeisten Dialogszenen mit Aoyama, dagegen. Die Spaltung Asamis in den Engel und den Teufel (stets in weiß) ist radikal, es gibt keinen Übergang von der verletzlichen Unschuld zum mörderischen Monster, stets auch gibt es zwei Versionen: der Vorgeschichte, der Motivierungen (wenngleich die Spuren sich in Richtung Eindeutigkeit zu verdichten scheinen). Wäre das Monster die Wahrheit über Asami, Audition wäre ein bloßer, die Subtexte eher zum Vorwand nehmender Horrorfilm. Die krassen, kaum zu ertragenden Bilder (und Geräusche!) fordern ganz unabweislich die Ambivalenz, um nicht reiner Selbstzweck zu sein, nichts als Lust am Schock. Gelegentlich scheint Audition, und daher rührt ein zuletzt nicht ganz beiseite zu schiebendes ästhetisches Unbehagen, auf die Seite reinen, naturalistisch inszenierten Horrors zu kippen. Stärker, viel stärker, ist er in den Momenten, in denen er klarer, wenn man so sagen kann, auf Ambivalenz setzt.

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