Einen enttäuschenden Film nach dem anderen hat der einst so
große chinesische Regisseur Zhang Yimou in den letzten Jahren gedreht.
Zusehends hat sich die schneidende Schärfe, die seine Meisterwerke
Das rote Kornfeld oder "Rote Laterne" auszeichnete, verloren.
Yimou begann, mit Heimweg oder dem zuletzt gelaufenen Happy
Times, läppische Geschichten zu erzählen, die sowohl den
Bezug zu den chinesischen Realitäten, den noch Die Geschichte
der Qiu Ju besaß, als auch die Wucht seiner großformatigen
früheren Werke vermissen ließen. Präzision und Radikalität
wurden ersetzt durch politisches Kompromisslertum (egal, was man in Happy
Times so alles hineinzulesen bemüht war) und eine
Altmännerpoesie, die die Schönheit nur noch um der Schönheit
willen feierte.
Auf sein neuestes Werk Hero durfte man nun gespannt sein.
Erstmals wagt sich der Kunstfilmer Zhang Yimou ans Martial-Arts-Kino, ermutigt,
das sagt er selbst, durch den großen Erfolg von Ang Lees Tiger
and Dragon. Ein wenig ungewöhnlich ist die genaue historische
Situierung seiner Geschichte - zu den Problemen, die er sich damit eingehandelt
hat, später. Angesiedelt ist Hero in der Zeit der großen
Kriege, die in die brutale Einigung des Reichs unter dem Herrscher von Qin
mündeten, der dadurch zum ersten Kaiser von China wurde. Seine Figur
ist legendenumwoben, schon Chen Kaiges Der Kaiser und sein
Attentäter aus dem Jahr 1998 erzählte von einer dieser Legenden.
Atemberaubend klar ist zunächst einmal die Struktur des Films.
Das Zusammentreffen des Schwertkämpfers mit dem schönen Namen
Namenlos mit dem König Qin gibt den Rahmen, in den hinein
die Vorgeschichte dieser Begegnung erzählt wird. Namenlos hat die drei
ärgsten Widersacher des Königs - auch sie tragen schöne Namen:
Broken Sword, Flying Snow und Sky - besiegt, zum Beweis hat er ihre Schwerter
mitgebracht und darf nun berichten, wie das zuging. Und zwar, als Erweis
der Herrschergunst, in beispielloser Nähe zu dessen Thron: ganze zehn
Schritte entfernt sitzen sie sich gegenüber, der Kaiser und der Held.
So klar die Struktur, so verschieden, zeigt sich bald, die Versionen
der Dinge, die zur Begegnung führten. In Rashomon-Manier bekommen wir
Varianten geboten, eine erste, in der Namenlos mit mehr List als
Kämpferkunst die Attentäter besiegte. Eine zweite, der Wahrheit
näher, die der König vorschlägt. Und zuletzt eine dritte,
die endgültige, die wahre, der in den letzten Bildern des Films noch
ein Monument errichtet werden wird. Höhepunkte aller drei Geschichten
sind, wie könnte es anders sein, die Kampfszenen - atemberaubend alle
miteinander. Interessant schon, dass Zhang Yimou nicht in erster Linie auf
Schnelligkeit setzt, im Schnitt etwa, sondern auf Verlangsamungen. Meist
sind zwischen die Kämpfer und ihre Schwerter Medien geschaltet, Regen
etwa, Pfeilhagel oder fallende Blätter, mit der Folge, dass der Raum
und die Zeit noch einmal, im Kontakt mit diesen Medien, gedehnt, verschoben
und zugleich materialisiert werden. Das Wasser, die Pfeile, die Blätter
machen Bewegung sichtbar als Matrix, in die diese hineingezeichnet wird.
Weit konventioneller als dieser Umgang mit Raum und Zeit in der
Inszenierung der Kämpfe ist die ästhetische Stilisierung der drei
Episoden. Sie werden in jeweils unterschiedliche Farben getaucht, blau,
weiß, rot, grün zuletzt, wallende Gewänder und Stoffbahnen,
genau geplante Lichtwechsel, all das wirkt ein wenig wie von Robert Wilsons
Theater abgeguckt und schrammt, im Verbund mit den großformatigen
Landschaften, die sich Yimou aus ganz China zusammengeklaut hat, gelegentlich
nur knapp am Kitsch vorbei. Von erhabener Größe ist jedoch der
Höhepunkt des Films, ein Kampf auf der Oberfläche eines Bergsees,
ein wunderbar choreografiertes Konzert aus Wasser und Bewegung, Schwert und
Landschaft, Ton und Bild.
Leider aber ist Yimou die Kunst der Martial Arts nicht genug. "Hero"
bietet eine spirituelle Botschaft als Dreingabe - und die läuft, um
es kurz zu machen, darauf hinaus, dass der wahre Held den Tyrannen verschont,
sein Leben opfert, wenn es um die große nationale Sache geht. Gewiss
ist die Rede von Frieden und Gewaltlosigkeit - dies aber bleibt angesichts
der historischen Rolle des überaus brutalen Kaisers Quin eine mehr als
zweischneidige Angelegenheit. Zhang Yimou beteuert in der Pressekonferenz
mehrfach, dass er nicht die Absicht gehabt habe, einen politischen Film zu
drehen. So naiv aber kann er nicht wirklich sein - und es ist alles andere
als verwunderlich, dass die alten Herren des chinesischen Politbüros
auf dieses Werk weitaus beglückter reagiert haben als die
Bürgerrechtler. Besonderes Unbehagen bereiten im übrigen die letzten
Bilder des Films, entpolitisiert zum Monument opferbereiter Liebe auf der
einen Seite. Und die Aufmärsche der herrscherlichen Garde auf den weiten
Plätzen des Palasts wecken erst recht ungute Gefühle - die Art,
in der Yimou hier die Masse als Ornament inszeniert, ist von Leni Riefenstahl
so weit nicht mehr entfernt.
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