Scherpunkt Asien: Kim Ki-Duk: The Isle (Korea 2000)

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The Isle

Regie: Kim Ki-Duk

Mit: Suh Jung, Yoosuk Kim

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Kim Ki-Duk: The Isle (Korea 2000)
Kritik von Ekkehard Knörer

Kim Ki-Duk: The Isle

zum Asien-Schwerpunkt

No man is an island, entire of itself.
John Donne

Still liegt der See, Nebel steigt auf. Mit der Idylle, mit dem vermeintlichen Jenseits der Zivilisation ist freilich Schluss gleich mit dem Auftauchen der ersten Menschen. Der Horror des Sees ist keiner, der sich vorzeitlichen Monstern verdankt, er ist ein durch und durch psycho-sozialer; was The Isle zeigt ist, den Bildern zum Trotz, kein Landschaftsbild, sondern ein Schlachtfeld des Zwischenmenschlichen. Die Schönheit der Natur ist erst einmal: Ironie, die Reinheit des Arrangements ist der Hintergrund, vor dem sich ein gesellschaftlicher Mikrokosmos im Stadium des Zerfalls umso klarer spiegelt.

Dieses Arrangement ist von atemberaubender Schlichtheit: es gibt nur den See, darauf ein paar schwimmende Inseln mit kleinen Häuschen, auf diesen Inseln Angler. Untereinander treten sie nicht in Kontakt, jeder eine Insel für sich, als Medium der Bewegung wie der Versorgung fungiert nur Hee-Jin, eine stumme Frau mit einem motorisierten Kahn. Sie schläft mit den Männern, für Geld, sie gibt ihnen, was sie verlangen, für Geld, doch sie weigert sich zu sprechen. Sie steht, wie verzweifelt, außerhalb dieser Gesellschaft, die sie in Gang hält, sie wahrt diesen Ort des Draußen, ihrer eigenen Hütte am Ufer, von der aus diese asoziale Gemeinschaft - nichts ist sie weniger als das: eine Gemeinschaft - organisiert wird. Der Hass steht in ihren Augen.

Etwas ändert sich, als ein junger Mann, Hyun-Shik, diese kleine Insel-Welt betritt. In einem kurzen Flashback bekommt man Einblick in seine Vorgeschichte: er hat seine Frau und deren Geliebten ermordet (lässt sich wenigstens mutmaßen), er kann mit der Schuld nicht leben und setzt sich den Revolver an die Schläfe. Hee-Jin, die wie ein Geist des Wassers allgegenwärtig ist, greift ein, attackiert ihn mit einem Angelhaken, verhindert so seinen Selbstmord. Der Beginn einer Annäherung. Sie sucht seine Insel auf, ohne Grund. Sie lehnt ihren Kopf an seine Schulter - und er fällt über sie her. Sie flieht und spricht noch immer kein Wort.

Sie schickt ihm eine Prostituierte, mit der Hyun-Shik Kaffee trinkt, aber nicht schläft. Es ist, als wäre ein Tor geöffnet worden: Agenten der Außenwelt dringen in den Mikrokosmus, der brutale Zuhälter erst, dann eine Suchdelegation der Polizei. Hyun-Shik unternimmt, in Panik, einen weiteren Selbstmordversuch, verschluckt Angelhaken und will sich das Innere aus dem Körper reißen. Hee-Jin zieht ihn mit der Angel aus dem Wasser, hat ihn am Haken, eine zugleich sehr materiale und höchst symbolische Art zwischenmenschlicher Bindung, die sich am Ende spiegeln wird, wenn sich Hee-Jin in einem Versuch, Hyun-Shik zurückzugewinnen, die Vagina am Angelhaken aus dem Leibe reißt.

In die Welt, in der alles aufs Minimum der Existenz reduziert ist, Fressen, Ficken und Scheißen, in der Soziales nur als minimale Notwendigkeit der Aufrechterhaltung dieses Zustands vorkommt (oder bestenfalls als darüber hinausschießender Sadismus), in diese Welt dringt die sich entwickelnde Liebesgeschichte wie ein Restfetzen Utopie. Die jedoch hoffnungslos durchschossen ist vom Verfall, von der Gewalt, in der sich das Begehren einzig äußern kann. Und doch hat sich, in der gegenseitigen Befreiung von den Angelhaken, etwas wie Gegenseitigkeit hergestellt: friedlich liegen die beiden Körper von Hyun-Shik und Hee-Jin wenigstens im Schlaf nebeneinander. Sie driften, zuletzt, im frisch gestrichenen Insel-Haus, hinaus auf den See. Ihre Annäherung, nun als Ausschluss aus dem Sozialen in der Erschaffung eines paradiesischen locus amoenus, ist nicht ohne Opfer möglich gewesen: die Prostituierte, die vor allem Freundschaft wollte, ist tot, ihr Zuhälter auch. Der utopische Horizont ist einer der Flucht. Für einen Moment sieht es so aus, als ließe der Film sie davonkommen.

Die Hoffnung trügt. The Isle lässt den Betrachter zurück mit zwei Rätselbildern; Hyun-Suk verschwindet in einer Schilfinsel im See. Hee-Jin treibt nackt in ihrem Kahn, knapp unter der Wasseroberfläche. Ein Film aus Bildern, die zu interpretativen Anstrengungen aufzufordern scheinen. Man sollte, denke ich, diesen Aufforderungen widerstehen. Die Bilder von The Isle sprechen, in aller Ambivalenz, für sich.

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