Scherpunkt Asien: Johnnie To: The Mission (Hong Kong 1999)

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The Mission

Regie: Johnnie To

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Johnnie To: The Mission (Hong Kong 1999)
Kritik von Ekkehard Knörer

Johnnie To: The Mission

zum Asien-Schwerpunkt

Genres funktionieren durch eine Doppelbewegung zwischen Abstraktion und Variation. Die Reduktion auf die immerselben, wieder erkennbaren und vom Publikum prompt und blind auch wieder erkannten Muster einerseits, die unerwarteten Twists und Volten, oder, funktionsäquivalent, aber weniger sophisticated, Effektsteigerungen andererseits. Subversionen und Innovationen sind innerhalb gewisser, im vorhinein nie bestimmbarer Grenzen immer möglich und als nicht sogleich, aber bald selbst wieder zu Mustern gerinnende Ansatzpunkte für weitere Arbeit am Genre auch notwendig. Genres sind so immer auch Kreuzungspunkt von Struktur und Geschichte, Umbauten finden auf offener See statt.

Der Actionfilm ist vielleicht das abstrakteste aller Genres und so zugleich das offenste, das nicht auf eine beschränkte Anzahl von einzuarbeitenden Mythen (siehe Western) begrenzt ist. Wilder Synkretismus (z.B. in Hong Kong Daniel Lees Black Mask) ist ebenso möglich wie Reflexivität in Momenten, in denen ein (wie auch immer vorläufiges) Endstadium erreicht ist, man denke an McTiernan/Schwarzeneggers Last Action Hero. An ein solches Ende war nach einer ungeheuren Blütezeit das Actionkino von Hong Kong in den 90er Jahren gelangt, die Regiestars von Tsui Hark bis John Woo hatten sich, zum Unglück eigentlich aller Beteiligten, nach Hollywood orientiert. Das Genre schien ausgebrannt.

Mit Werken wie Running Out of Time, die sich der totalen Abstraktion nähern, dies aber in Austellung des Spielcharakters und Raffinesse des Plots ummünzen, ist Johnnie To der Regisseur von souveränen, aber ums eigene Spätkommen wissenden Satyrspielen zur heroischen Epoche Hong Kongs geworden. The Mission geht einen anderen Weg: die Geschichte ist aufs mythische Minimum reduziert, im Zentrum steht eine Gruppe von für einen großen Auftrag, die Bewachung eines gefährdeten Triaden-Bosses, zusammen gestellten Leibwächtern, es geht um nichts anderes als die innere Dynamik dieser Gruppe und die äußere Dynamik der Shootouts, in denen sie sich zu bewähren haben. Dynamik ist freilich genau das falsche Wort, denn das Grundprinzip ist viel eher die Verlangsamung, manchmal die Stillstellung zur abstrakten Psycho- und Kampf-Choreografie. Das Emblem für diese Abbremsung zur Statik sind ausgestreckte Arme, für viele Sekunden lange Einstellungen eingefrorene Schusshaltungen, das Patt gegenseitiger Bedrohung.

The Mission beginnt mit einem vergleichsweise konventionell inszenierten Shootout, bringt seine Helden bei nächster Gelegenheit in eine Art Schützengraben-Situation. In die Filmgeschichte eingehen wird ein weiterer Shootout in einem Kaufhaus, der, gefilmt aus der Distanz und Unterperspektive, in vergleichsweise extrem langsame Schnitte zerteilt wird und die Leibwächter-Helden in einem zur völligen Unübersichtlichkeit dekomponierten Raum postiert. Nur gelegentlich fällt ein Schuss, die Situation wird aufgelöst in eine aller üblichen Wirework- und Schnittstakkato-Ästhetik entgegen gesetzten Choreografie der Stasis und der minimalen Verschiebungen. Die Zeit, das Genre steht still in diesen Momenten, die pure Abstraktion sind der Kampfsituation, radikales Absurdum von Action.

Der Film fällt, natürlich, zurück an Plot und Psychologie. Die Coda, nach erfolgreich ausgeführtem Auftrag, dreht die Konstellation endgültig auf die Innendynamik der Gruppe. Shin, der die Frau des Chefs gevögelt hat, soll liquidiert werden. Inszeniert wird der Zusammenstoß zweier Ehrenkodizes, des einen der Berufs-, des anderen der Gruppenehre (alles selbstverständlich rein männerbündische Konventionen; die Frau, eine statuarische Schönheit in Weiß, wird nicht für eine Sekunde Subjekt und zuletzt umstandslos getötet). Die Auflösung, die To für den Konflikt findet, ist wunderbar und versammelt noch einmal alle zentralen Motive des Films: Gruppendynamik, Waffen, Statik und Spiel mit der räumlichen Desorientierung des Zuschauers. Das Ende führt den Film, der zwischendurch die eisigsten Gipfel der De-Naturalisierung seines Genres überquert hat, versöhnlich zurück in die Konvention. Es ist dies kein Rückfall, sondern einfach eine weitere sehr souveräne Geste.

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