Jump Cut
Klassiker

Startseite -  Inhaltsverzeichnis - Klassiker - Archiv - Links - Forum - Mail

Anzeige 

 
Raoul Walsh: Dark Command (USA 1940)

Von Ekkehard Knörer 

Männer, die gerne Helden wären, in Kansas, im Jahre 1859. Kansas ist umstritten zwischen Nord und Süd und bald geht es drunter und drüber. Der eine Mann ist Bob Seaton (John Wayne) aus Texas, verdient sein Geld, indem er Männern, die ihm dumm kommen, die Zähne einschlägt, die sein Kompagnon, ein Zahnarzt, dann repariert. Seaton sehnt sich nach der See, nach den Bergen, aber erst einmal landen die beiden in Lawrence, einer kleinen Stadt in Kansas. Es reitet ihnen, bei der Ankunft, eine schöne Frau über den Weg (Claire Trevor), in die Bob sich sehr prompt verliebt. Sie ist reich und der Vater sähe es sehr gerne, nähme sie den, der sie will, den sie nur leider nicht liebt: Will Cantrell, Lehrer und Anwalt vor Ort. Sehr viel lieber wäre Will ein Mann von Bedeutung als ein Gelehrter des Rechts und der Sprache.

Mit leichtester Hand und großer Dynamik entwirft, zwischen Überblendungen fliegender Jagd zu Pferde und flüssig bewegter Kamera im Innern der Häuser, Raoul Walsh diese Ausgangslage. Scherz und tragisches Potenzial halten sich durchweg die Waage. Lawrence, der Ort, der gern eine Stadt wäre, sucht einen Marshall. Zwei Kandidaten – natürlich: Seaton und Cantrell - halten Reden vor dem versammelten Volk, es wird eine Lektion in Demokratie à la Frank Capra. Die Kamera wechselt von Großaufnahmen der Gesichter der Sprechenden in den Rücken des Volks. Der eine, Cantrell, preist sich als Mann der Schrift und des Worts und mischt in die Bewerbung unüberhörbar den Spott über den illiteraten Konkurrenten. Der gibt sich als Mann der Tat und des Witzes. Als Mann also des Volks, das ihn liebt und prompt wählt.

Nun kommt es zu einer Art Dispersion des Konflikts. Walsh sucht nicht die Konzentration, sondern die Verstreuung der Energien in Aktionsbilder elegantester Art. Cantrell nämlich wird zum Jekyll und Hyde. Zum Anführer einer Räuberbande bei Nacht, bleibt Anwalt am Tage. Der Bruder der von beiden Geliebten erschießt einen Mann, kommt vor Gericht, Cantrell verteidigt ihn. Seaton stellt das Recht über die Liebe. Die Gerichtsszenen sind makellos in der Ökonomie ihrer Auflösungen. Zwei ausdrucksstarke Geschworenengesichter genügen zur Akzentuierung der Situation, die nur auf die falsche Wahl der umworbenen Frau hinauslaufen kann. Nicht nur das führt zur Verschärfung der Lage. Seaton jagt Cantrell und der jagt ihn.

Walsh inszeniert den Ort und die Orte nicht als übersichtliches Geviert auszutragender Kämpfe, gar Duelle, sondern als Energiediagonalen. Nachts strahlt das Weiß der dahin fliegenden Pferde im Dunkeln. Kerzen sind unaufdringliches Leitmotiv, zuletzt überführt in Flammen und Feuer der brennenden Stadt. Die Narration wird in bewegungsförmig gemachte Bestandteile zerlegt: Eindringen und Hinauswollen, Insistieren und Fliehen, Retten und Zerstören. Noch den Kuss nimmt Seaton in einem Zugreifen, das fließend in ein Erschrecken und Davonlaufen übergeht. Walsh unterbricht nichts, er stolpert nicht ein einziges Mal, sondern treibt voran und wahrt dabei die äußerste Eleganz. Ein Film, von dem man hinterher glauben kann, man habe ihn geträumt. Man wird gepackt und davongerissen vom Strom des Geschehens, das wie schwebend voraneilt, zu auf ein "All's Well that Ends Well" mit Shakespeare, von dem Bob Seaton nur das eine weiß: Er muss seiner klugen Sentenzen wegen ein Texaner gewesen sein

zur Jump Cut Startseite

Suchen
 
Google
Web Jump Cut