Man müsste von einem Sich-Lösen sprechen und einem
Haften, einem Mangel an Nahtlosigkeit, einem Riss, der verbindet.
Der Realismus des Charles Burnett ist auf der Suche nach einer Form und er
findet sie, suchend, auch und gerade da, wo er sie verfehlt. So gibt es Passagen
der Offenheit, minutenlanges Herumgequatsche in einem Zimmer, in dem einer
herumliegt, der übel zusammengeschlagen wurde, in dem andere herumsitzen
und sich einen Joint anzünden. Eine Offenheit im Narrativen, das
Gespräch kreist und stockt, wiederholt sich. Es geht um einen Motor,
den Stan und sein Freund kaufen wollen, ein Verkaufsgespräch, aber diese
Beschreibung der Szene wird man erst hinterher finden können. Und hinterher
wird sich die Szene beschleunigen, ja aufgipfeln zu einer Miniatur der
Sinnlosigkeit. Ächzend hieven Stand und sein Freund den schweren Motor
die Treppe hinunter und auf die Ladefläche des Pickup hinauf. Sie vergessen
die Klappe zu schließen, beim Anfahren fällt der Motor, für
den sie 15 Dollar gezahlt haben - es ist viel Geld, für sie - hinunter,
auf die Straße. Die beiden springen aus dem Auto, sehen sich das Malheur
an. Der Motor ist kaputt. Sie lassen ihn liegen, auf der Straße, sie
fahren davon.
Unversehens verdichtet sich hier eine Szene, die nirgendwohin zu führen
schien, zur tragikomischen Allegorie der Vergeblichkeit. Es gibt diese
Aufschwünge immer wieder in "Killer of Sheep", insbesondere auch in
den Passagen, denen sich der Titel verdankt. Stan, der in einer Schlachterei
arbeitet, die Schafe zusammentreibt und tötet, ihnen das Fell abzieht.
Es ist ein Scheißjob, er hasst ihn. Er wird, zuhause, Anstrengungen
unternehmen, zu Akten der Verzweiflung sich aufzuschwingen, zu denen ihm
im Grunde die Kraft fehlt. Von Selbstmord sprechen. Sich eine Waffe besorgen.
Mit Kriminellen verkehren. Es kommt ihm seine Frau dazwischen, seine Tochter.
Nicht dass da Hoffnung wäre, aber doch, mit dem Rest einer Entschlossenheit,
dieses Dazwischenkommen. Die Momente des Haftens, in denen sich
zusammenschließt, was sonst bewusst aneinander vorbei, auseinander,
ins Leere driftet, sind jene, in denen Burnett Musik und Bild verschmilzt.
Dem Dokumentarischen, auch dem Zerfallenden im vergehenden Geschehen, das
Pathos des musikalischen Klagegesangs entgegenhält. Zur Größe,
die das Leben im Ghetto von Watts, L.A. nicht hat, verhilft ex negativo
im pathetischen Zusammenhalt von Bild und Musik die Form.
Und dann, nach diesem Verschmelzen, wieder ganz charakteristisch das
Sich-Lösen, ja, eine Auflösung. Sie ist auch dem Sprechen der
Darsteller gedankt, die keine Profis sind, die sich den Dialog, der
vollständig geschrieben ist, aneignen, aber so, dass man merkt, wie
sie um eine Natürlichkeit kämpfen, die sie so um ein Haar oft
verfehlen. Die Authentizität liegt gerade in diesem Riss, was sich
dokumentiert, ist das Ringen um die authentische Darstellung. Auch hier,
auf dieser anderen Ebene, kommt es zu Momenten, in denen die Darsteller ganz
bei sich scheinen und zu denen werden, die sie verkörpern, in den
Situationen, die sie spielen. Dann zerfällt es wieder. Spielende Kinder
auf den Straßen, in den Trümmern inszeniert Burnett mit beinahe
virtuosem Können. Dann wieder löst sich die Inszenierung auf in
den Schein eines bloßen Dabeiseins, das keinen Effekt will und keine
Inszenierung. Diese Wechsel geben dem Film einen sehr eigenen Rhythmus, ein
An- und Abschwellen, ein Springen vom allegorischen zum dokumentarischen
Pol in Nullkommanichts. Man könnte von Uneinheitlichkeit sprechen. Und
gewiss ist es die Uneinheitlichkeit des Debüts, des Abschlussfilms,
aber die Größe von "Killer of Sheep" macht es aus, dass sich das,
im Riss, im Gegeneinander von Haften und Sich-Lösen, zu einer sehr
spezifischen Ästhetik der Unfertigkeit entwickelt.
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