Yukinojos Rache ist ein Film, der im Theater spielt
und, sobald er das Theater verlässt, in einer Wirklichkeit, die zu gleichen
Teilen nach den scheinbar sich ausschließenden Raumgesetzen des Theaters
und des Films modelliert ist. Sogleich öffnet sich nach dem Beginn,
der das Geschehen als eines auf der Bühne situiert, der Blick ins Weite.
Der falsche Schnee ist echt, von einem Schnitt zum nächsten. Der Baum
ist echt, die Welt ist echt. So echt die Welt des Films im Studio sein kann,
wenn ein Flächenkünstler und Meister der Zweidimensionalität
wie Kon Ichikawa sie in Szene setzt. Die Weite ist jedoch keine Tiefe, ein
dünnes weißes Seil schwebt in der Schwärze einer atemberaubenden
Kampfszene wie ein weißer Strich auf schwarzer Leinwand. Die Kamera
stößt, sich oftmals mit einer der Figuren zur Seite bewegend,
auf Wände, die den Blick in die Tiefe verstellen. Rasant quert der Film
die Medien, denn so nah wie hier kommt das Kino der abstrakten Malerei selten,
am dünnen Seil nur hängt in diesen Momenten das Bild mit der
Erzählung zusammen, deren Logik es zum Schein wenigstens untersteht.
Die Bühne als abgregrenzter Raum, die Weite der Leinwand als
flächiger, sich aufspannender Raum und das malerische Chiaroscuro von
in Bewegung gesetztem Licht- und Schattenspiel, das ist die Form dieses Films.
Diese drei Darstellungs- und Bewegungsräume lässt er ineinander
übergehen, setzt er zueinander in Beziehung und in sie trägt er
seine Figuren ein und die Geschichten, die sie verbinden. Das Zentrum, das
aber nicht alle Figuren und nicht alle Beziehungen regiert, ist die Geschichte
von der Rache des Schauspielers. Drei Kaufleute haben einst in Nagasaki seine
Eltern in den Tod getrieben, in Edo begegnen sie sich wieder. Er ist, als
berühmter Frauendarsteller im Kabuki-Theater, der Star der Bühne
und gelangt ins Haus seines Feindes, weil dessen wunderschöne,
kränkliche Tochter ihn begehrt. Sie ist die Mätresse des Shoguns
und verliebt hat sie sich in den Bühnendarsteller. Yukinojo aber bleibt
als effeminierter Mann auch im richtigen Leben eine Kunstfigur.
In Nebenhandlungen gibt es Nebenfiguren wie ein Diebespaar, das erst im Theater,
dann im nie genau lokalisierbaren Draußen auf Geldbörsen aus ist.
Oder einen einstigen Konkurrenten von schlechtem Charakter. Durchs Schwarz,
das das Schwarz der Leinwand viel eher als das Schwarz der Nacht ist, blitzen
Schwerter, auf der Tonspur flattern Gewänder. Die Kamera ist vom Imperativ
des realistischen Kinos befreit, der befiehlt, Ordnung und Übersicht
herzustellen immerdar. Hier kann sie sich in den Anblick eines roten Edelsteins
verlieben, sich der gefilmten Wasseroberfläche überlassen, sich
an die Nacht verlieren. Kon Ichikawa begreift das Kino als Komposition, als
Tanz zwischen den Medien. Das Bild ist immer Kunstprodukt wie der
Kabuki-Darsteller, der von der Natürlichkeit auch im richtigen Leben
weit entfernt bleibt. Echt ist die Künstlichkeit, nichts anderes.
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