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Zur Retrospektive Production Design bei der Berlinale 2005
 

Rolf Zehetbauer – Production Design ist Vertrauenssache

Interview von Ernst Kramer 

Kramer: Es gibt den Spruch: Film ist Krieg. Welcher Krieg ist härter: der ewige Kampf gegen das fehlende Geld, die Zeit oder das Ringen um eine gemeinsame Vision also der Krieg zwischen den künstlerischen Köpfen Regie, Kamera, Ausstattung?

Zehetbauer: Also das letztere ist kein Krieg, auf keinen Fall, es ist eine Zusammenarbeit, die eigentlich immer klappt. Die Schlacht um das Geld ist natürlich laufender Krieg für die Produzenten, aber das merke ich nicht. Wenn ich engagiert werde, dann sind diese Kriege schon gelaufen. Während einer Produktion kommt natürlich immer wieder die Grenze des Budgets zum Vorschein, das ist ganz klar, und man muss sich eng an die Möglichkeiten halten. Insofern ist meine Arbeit keine freie künstlerische Gestaltung, sondern man muss sich eben soviel erlauben dürfen wie man kann. Mit dem Regisseur als Partner ist das gar nicht so schwer. Schade ist eben nur, dass wenn Regisseur und Production Designer anfangen zu „spinnen“, der Produzent nicht plötzlich mehr Geld dafür hat. Aus meiner Sicht ist der Beruf des Production Designers 50% künstlerisch und 50% kaufmännisch.

Man muss ja auch eine Kostenschätzung abgeben ehe man überhaupt weiß, was der Regisseur will. Ich arbeite im Moment an einem Projekt, da arbeite ich am Drehbuch insofern mit als ich im Vorfeld mitbestimmen kann auf welche Art das später realisiert wird. Da baut sich schon ein Kostenrahmen zusammen, welcher dann für später bindend ist – obwohl ich den Regisseur noch nicht kenne und das Drehbuch noch nicht ganz fertig ist.

Das ist natürlich alles aus meiner Sicht geschildert – es gibt sicher andere Fälle, die viel leichter sind. Aber bei den größeren Projekten, zu denen ich immer tendiere, ist es dann halt so. Aber ich habe natürlich auch amerikanische Produktionen erlebt, da spielte das Geld keine Rolle, und ich durfte mir mit dem Regisseur zusammen ausdenken was ich wollte. Dann haben die Produzenten gesagt: „Aha, soviel kostet das!“ – und haben es finanziert!

Was ist das größere Glück für sie, wenn ihre Arbeit nicht als solche bemerkt oder wenn sie einem Film den eigenen kreativen Stempel aufdrücken?

Also ich sage immer: Man soll nicht an der Art, wie das realisiert ist, gleich sehen, wer das Production Design gemacht hat. Sondern man soll sagen „Aha, das ist ja ne tolle Qualität. Und das könnt ja dann der Zehetbauer gewesen sein... das ist mir lieber. Und man kann einen Stempel schon aufdrücken, aber da gehören ja schon mehr dazu – der Produzent, der Regisseur und der Kameramann.

Wo lagen, was die Arbeitsweise betrifft, die Unterschiede bei den Projekten mit Fassbinder, Bergman, Petersen, Fosse?

Fassbinder, Bergmann und Fosse sind zwar extrem unterschiedlich in der Art, wie sie inszenieren, aber in der Arbeitsweise sehr sehr ähnlich. Sie haben ein riesiges Vertrauen mir gegenüber gehabt. Das was phantastisch. Zum Beispiel Bob Fosse – dem war nur wichtig, dass die Bühne 6,72 mal 5,38 groß ist. Alles andere war ihm nicht egal, aber ich hatte völlig freie Hand. Und er hat als Choreograph natürlich auch unglaubliche Ideen was die Bühnenbilder anbetrifft.

Ähnlich Ingmar Bergman. Der hat in seinem Drehbuch genau beschrieben was er sich vorstellt. Am wichtigsten aber war ihm die Geographie. Das heißt beispielsweise, von der Tür, die nach rechtsrum aufgeht, bis zum Fenster sind’s 7,10 m, und das Fenster muss zweiflügelig aufgehen, und so weiter. Was dazwischen war, war ihm egal. Seine Bücher waren vollgepackt mit Grundrissen, die aber nicht dargestellt haben, wie irgendetwas im Detail ausschaut. Überhaupt nicht. Da waren nur Abmessungen. Er wusste genau, wie sich die Schauspieler bewegen sollten. Er wusste, wie lange das dauern darf, und daraus haben sich Größen von Dekorationen entwickelt.

Wir haben bei „Das Schlangenei“ natürlich sehr lange über die Ausstattung gesprochen. Über den Stil und alles was dazugehört, aber er hat nie einen Entwurf gesehen, nie einen Grundriss, nie ein Modell vorher. Er hat im Studio alles, was wir gebaut hatten, das erste Mal gesehen, einen Tag vor Drehbeginn. Er hat mir künstlerisch voll vertraut und musste eines aber auf jeden Fall im Studio vorfinden – die exakte Choreographie!

Beim „Schlangenei“ gab es ja diese berühmte Strasse, ein typischer Ingmar-Bergman-Fall. Und auch ein Zehetbauer-Fall. Wir hatten ja alle Motive in Berlin gefunden – Originalmotive! An einem Sonntag hat er mich angerufen und hat gesagt: „Du Rolf, komm doch mal bei mir vorbei, ich muss was mit Dir besprechen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Dreharbeiten im Studio bereits begonnen. Er wohnte in einem Hochhaus, an einer zwar fertigen Strasse, aber ohne weitere Häuser. Die Strasse verlief in einem langen Bogen. Er sagte: „Du schau, die armen Berliner, wie haben soviel Nachtaufnahmen, jetzt müssen wir die immer stören, wenn wir Scheinwerfer in ihre Wohnungen stellen“. Ich möchte gerne haben dass du diese Strasse baust: hier auf das Gelände in der Bavaria. Ich sagte „Ingmar, Du bist verrückt!“ Wenn ich Horst und Dino (Wendlandt und deLaurentiis, die Produzenten des Films) das sage, die erklären uns beide für verrückt. Ingmar sagte: „Ach, das werden wir schon sehen!“ Ich habe am gleichen Tag meinen Freund Horst Wendlandt angerufen, natürlich hat er uns wie erwartet sofort für verrückt erklärt. Und dann kam er aber trotzdem drauf, dass der Ingmar recht haben könnte. Dann hat er gefragt was das kostet, ich sagte, ungefähr eine Million. Dann hat er Dino deLaurentiis angerufen, und am nächsten Morgen, als Ingmar Bergman ins Atelier kam, kam Horst dazu und sagte: „OK, Jungs, ihr baut die Strasse!“

So einfach war das dann doch. Ich habe dann die Strasse konzipiert, dann kamen wir in einen schweren Winter, die Strasse hat schließlich 1,3 Millionen gekostet glaube ich, aber das war für die Jungs kein Problem.

Mit Fassbinder hab am wenigsten von allen Regisseuren in meiner Laufbahn über Filme geredet. Der war, was man ja in Anbetracht seines Mythos nicht glauben will, genauso gut vorbereitet wie Ingmar Bergman, hat genauso seine Storyboards gehabt, und sein Drehbuch. Er wusste genau, was er brauchte. Wir sind künstlerisch gut miteinander zurecht gekommen. Nur bei „Querelle“ schien es anfangs Probleme zu geben. Er wollte etwas ganz anderes haben als ich. Aber ich habe ich ihm ein Modell gebaut, es ihm gezeigt, und er war nach zwei Minuten überzeugt davon.

Die längste Produktionsbesprechung die ich mit ihm hatte, war für „Lili Marleen“, da haben wir einen Tag in seiner Küche gesessen und haben alles besprochen, weil dieser Film sehr viel Schauplätze und einen hohen Aufwand erforderte. Er kam dann am ersten Drehtag ins Atelier und hat sich, soviel zu unserem gemeinsamen Verständnis, dann auf Anhieb genau auf die Stelle gestellt, die ich auch für richtige Kameraeinstellung hielt. Er ist nie in ein Atelier gegangen vor dem ersten Drehtag, insofern ist er da sehr vergleichbar mit Ingmar Bergman. Allerdings hat Ingmar wenigstens einen Tag vor Drehbeginn schon mal reingeschaut.

Ganz anders war Petersen. Der war vollgepackt mit Misstrauen von vorne bis hinten. Der wollte alles wissen, der wollte alles sehen. Er war ständig dabei, hat ständig dazwischengeredet. Und insofern kann ich nur sagen, er war aus meiner Sicht der unangenehmste Regisseur. Nicht als Mensch, wir waren gut befreundet. Aber beim „Boot“, das war natürlich eine andere Arbeitsart. Bei der Abnahme bin ich gar nicht mitgegangen, weil ich gesagt habe, ein U-Boot ist ein U-Boot, aber er wollte das ganze Boot durchschnüffeln. Darf er ja. Aber inszenierungs- und Kontrolltechnisch steht er schon an anderer Stelle als Fassbinder, Bergmann und Fosse.

Das ist erstaunlich, bei den aktuellen Produktionen Petersens ist nicht unbedingt eine persönliche Kraft beim Production Design auszumachen.

Die amerikanische Art ist ja schon ein bisschen anders gelagert als bei uns. Bei uns, da macht der Production Designer auf seinem Gebiet alles. Drüben, da sind es ja ganze Stäbe. Und Petersens Produktionen haben Größenordnungen erreicht, da muss er sich auf seinen engsten Stab verlassen. Und so gescheit ist er ja schon dass er das tut, er hat ja auch gezeigt, dass er das gut gemacht hat, auch wenn „Troja“ ein kleiner Flop war.

Wären sie jetzt manchmal gerne mit dabei in Hollywood?

Hier steht mein Klavier, und da spiel ich am besten drauf. Ich hab nach „Cabaret“ natürlich Angebote bekommen, sowohl nach London als auch nach Hollywood, aber das war nicht meine Art, ich wollte hier bleiben. Nicht aus patriotischen Gründen, sondern weil es mir hier vom Arbeiten her besser gefällt. Hier kenne ich die Verhältnisse. Das Arbeiten ist hier wesentlich leichter. Drüben, mit den Gewerkschaften, das ist ja saumäßig schwer, bei der Motivsuche müssen schon 50 Mann mitfahren, anders geht es ja gar nicht. Deshalb wird ja auch oft ausgebrochen, nach Mexiko, oder nach Kanada. Wir sind, als wir amerikanische Motive brauchten, z.B. bei der „Unendlichen Geschichte“, auch nach Kanada gefahren.

Aber natürlich war ich froh, dass große Regisseure auch mal rübergekommen sind nach Deutschland. Nicht, weil sie speziell mit mir arbeiten wollten, sondern weil sie hier produziert haben – und dann zu mir gekommen sind. Das find ich prima.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Romuald Karmakar bei „Manila“?

Karmakar kam zu mir über die Co-Produzentin, Renate Seefeldt. Er selbst war Hauptproduzent und Regisseur und Drehbuchautor. Ich kannte Frau Seefeldt schon von „Cabaret“ und vielen anderen Projekten. Sie brachte Romuald und mich zusammen, und mich hat der Kerl interessiert: der hat eine unglaubliche Ausstrahlung, gerade von der Nähe. Die ersten Gespräche, und wie er das Projekt vorbereitet hat, hat mir sehr gefallen. Die Produktion hatte kein Geld, also habe ich den Film für Hälfte meiner üblichen Gage gemacht. Wegen Renate Seefeldt. Das hätte ich nie machen sollen. Aber man muss auch Fehler machen.

Also es war ein kaufmännischer Fehler?

Ja. Dann hat sich ja auch die Zusammenarbeit mit ihm sehr unglücklich entwickelt. Er hat ja seine eigene Art. Der geht mit dem Kopf durch die Wand. Ich habe mit 130 Regisseuren gearbeitet, aber die Zusammenarbeit mit Karmakar war die unglücklichste. Ich hab dann noch mit ein paar Kollegen gesprochen, die hat er alle hinausgeschmissen, ich selbst hab ausgehalten bis zuletzt, bin dann aber freiwillig heim gefahren.

Sie arbeiten ja sonst eher mit erfahrenen Regisseuren zusammen. Ist der Nachwuchs ungern im Studio oder ist das eine reine Budgetfrage?

Ich glaube das ist eigentlich keine Budgetfrage. Es hängt sicher vom Stoff ab, und ich bin einer, der nicht gerne original dreht, und aus irgendeinem Schlafzimmer ein Wohnzimmer einrichtet. Das ist nicht meine Art: wenn ich an einem Film arbeite, will ich was zu bauen haben. Ich will etwas kreativ zu lösen haben. Ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass ein junger Regisseur gesagt hat, na mit dem alten Deppen arbeite ich nicht... glaube ich eigentlich nicht. Allerdings: wenn das Drehbuch oder das Budget verlangt, dass man sehr viel original dreht, dann fragt man mich nicht, denn man kennt mich als den der gerne baut und der gerne Geld ausgibt – wenn es da ist.

Obwohl ja das Finden einer richtigen Location ja auch ein kreativer Prozess sein kann...

Das stimmt, absolut. Und ich bin derjenige, der am liebsten zunächst mal eine Motivsuche allein macht, und dann, wenn ich Orte gefunden habe, die mir gefallen, dann zeig ich sie dem Regisseur. Natürlich kommt es auch vor, dass man mit Kameramann und Regisseur wochenlang durch die Gegend fährt und gemeinsam nach dem Richtigen fahndet, was aber sehr zeitaufwändig ist. Ich mache lieber das ganze Konzept fertig und präsentiere es dann dem Regisseur und dem Kameramann.

Zu dem Konzept gehört ja auch immer Recherche. Wie verhält sich, zum Beispiel in einem Film wie „das Boot“, die Stilisierung und der Anspruch auf historische Korrektheit?

„Das Boot“ war für mein Gefühl eine meine leichtesten Übungen. Wir hatten ja so viele Fotos von dem Autor der Buchvorlage, Lothar-Günther Buchheim, die nie veröffentlicht waren. Der hat das ja alles rundum photographiert... wir mussten im Prinzip nur das realisieren, was auf den Fotos war.

Den Kriegshafen La Rochelle gab es ja damals noch, die Bunker standen ja noch rum, da waren sogar noch die deutschen Inschriften an der Wand, von der Marine. Insofern war es kein Problem. Ein Boot ist ein U-Boot. Mit den Regisseuren ändert sich jedoch immer viel: Am Anfang waren amerikanische Regisseure mit im Gespräch, einer von ihnen war z.B. Don Siegel („Dirty Harry“). Diese Regisseure hatten ein Problem mit der Größe des U-Boots. Sie sagten, „Du kannst mir hier keine U-Boot in Original-Größe, bzw. Original-Enge hinstellen, da passen die Kameras ja gar nicht rein...wir müssen uns doch da drin bewegen können, es muss größer und weiter sein.“ Das hat sich dann aber bei Gesprächen mit dem Produzenten, Professor Helmut Jederle, und Buchheim zerschlagen, weil wir gesagt haben, wir wollen das Boot genau so zeigen, wie es war. Natürlich haben wir uns auch das einzige noch erhaltene Boot der VII-C-Klasse in Laboe angesehen, und dann haben wir die Fotos von Buchheim genommen und wir haben das Boot gebaut, ohne einen Regisseur zu haben. Das hat ein Jahr gedauert, wir haben auf alles geachtet, Originalabmessungen, alles aus Eisen, nicht Sperrholz (wie die Amis das wollten). So steht es ja heute noch in den Bavaria-Studios. Dann wurde Günter Rohrbach Bavaria-Chef und kam auf die Petersen-Idee. Wolfgang Petersen hat sich mit Buchheim auf Anhieb gut verstanden. Dann durfte er das Drehbuch schreiben, 5 Folgen Fernsehen, und als das alles fertig war, haben wir angefangen zu drehen, wir mussten zu der Zeit aus technischen Gründen noch mit Aufprojektionen und Ähnlichem arbeiten, da lachen heute die Hühner drüber. Auch die Unterwasser-Aufnahmen würde man heute digital machen, ganz einfach und viel besser, und wir haben uns da rumgequält mit einem Spezial-Kameramann aus London im Bavaria-Becken. Das würde heute anders gelöst werden.

Aber es ist ja trotzdem phantastisch geworden...

Es ist ein Schulfilm in Hollywood geworden über Wasser-Filme. Das war natürlich das phantastische: Die einfachen Mittel, Aufprojektionen und so weiter, haben letztendlich dann doch einen unglaublichen Realismus auf die Leinwand gebracht. Das ist ja auch die Gefahr bei den Digitalproduktionen.

Apropos CGI, Kommen wir doch jetzt zur technologischen Entwicklung, die ja auch ihre Arbeit betrifft...

Das Produzieren von Filmen hat in den letzten Jahrzehnten oftmals riesige Sprünge gemacht – als wir 1957 Königin Louise gedreht haben, standen an der Balustrade des Ballsaals eine Batterie von Scheinwerfern, die alle 1,50 bis 2 m Durchmesser hatten. Die Hitzentwicklung war enorm, ganz zu schweigen vom Handling. Ein Riesenlichtaufwand. Nichts mit Plafond. Aber dann wurde das Filmmaterial empfindlicher, was beim Drehen kleinere Lichteinheiten erlaubte. Das ist nur eine von vielen Entwicklungen. Die digitale Sache haben wir immer von Deutschland aus beobachtet, und ich meinte immer: Wenn der George Lucas oder Steven Spielberg sagen, jetzt sind wir soweit, dann sollten wir auch erst damit beginnen. Denn bevor die zwei nicht sagen „es geht!“, geht’s bei uns erst recht nicht. Und so war es denn dann auch.

Die digitale Bearbeitung birgt eine große Gefahr, abgesehen davon, dass sie immer noch sehr teuer ist: Sie verleitet die Leute dazu, auf Teufel komm raus einfach alles digital machen zu wollen, weil man sich Bauten und Reisekosten und sonstige Strapazen ersparen will. Das sieht man dann natürlich. Man muss die Möglichkeiten ausschöpfen, das stimmt. Insofern kann sie schon eine wahnsinnige Bereicherung sein, weil plötzlich vieles möglich wird, was bisher nicht möglich war. Es gibt ja Filmproduktionen oder Production Designer, die geben das ganze Drehbuch einfach an die Digital Firma und sagen: „jetzt denkt euch mal was aus, macht mal was draus.“ Ich möchte aber das Ruder in der Hand behalten bis zuletzt. Da habe ich bei der Münchener Firma Scanline phantastische Partner gefunden, die hochkünstlerisch arbeiten und die ihr Geschäft verstehen. Und die natürlich eingehen auf meine Entwürfe und Vorstellungen. Es ist wichtig, dass man das, was man sich am Anfang vorstellt, bei digitalen Bearbeitung mitbeobachtet – zugegeben, auch im Bereich der digitalen Bearbeitung findet man große Künstler und Techniker, aber wenn ich die machen lasse was die wollen, dann ist das plötzlich nicht mehr meine Handschrift, und das möchte ich natürlich nicht.

Sie haben selber bei Luther auch CGI verwandt, aber offenbar eher, um das historische Bild zu komplettieren, also nicht um der CGI selbst willen....

Es gibt bestimmte Motive, Wittenberg an der Elbe zum Beispiel, da haben wir einen Bach digital zu einem Fluss von der Breite der Elbe verbreitert, und im Hintergrund sieht man das Stadtpanorama Wittenberg – als Matte Painting, ganz analog. Der Marktplatz von Wittenberg, von dem wir geglaubt haben, wir finden den irgendwo in Tschechien, den mussten wir dann bis zu einer Höhe von ca. 5 m bauen, real, und alles, was darüber war, ist dann digital gewesen – Häuser, Kirche, etc. Das war eine unumgängliche Hilfe, denn sonst hätten wir den Marktplatz nicht darstellen können. Einen Marktplatz komplett zu bauen, wäre selbst in dem etwas kostengünstigeren Tschechien nicht zu bewältigen gewesen.

Ich selbst wollte eigentlich nur grüne Wände hinstellen und alles am Computer machen, aber da war der Regisseur Eric Till dagegen. Im Prinzip auch zu Recht, denn die Schauspieler müssen ja zumindest eine kleine Ahnung davon haben, wo sie sich gerade bewegen. Das war dann auch richtig so.

Ab und zu nutzt man digitale Technik auch, um kleinere Malheurs bei den Dreharbeiten zu korrigieren. In einer Szene wurde ein gusseisernes Gitter, was nur von einer Seite patiniert war, verkehrt herum zur Kamera gehalten. Da haben wir es dann einfach in der Postproduktion digital rosten lassen. Und einer der Komparsen hatte bei einer Massenszene auf dieser Treppe noch seine schicken, modernen Schnürschuhe an – die mussten dann auch digital retouchiert werden.

Wenn man Filme wie „Alexander“, „Troja“ oder „Episode 1“ miteinander vergleicht, dann wirkt alles gigantisch, aber auch irgendwie gleich und konventionell...

Ich sehe das genauso. Wenn in „Troja“ 100000 Soldaten da rumstehen, und wenn dann bei „Alexander“ auch wieder mal 100000 rumstehen, und beim nächsten Film schon wieder, dann sieht man schon, dass dieselbe Software benutzt wurde. Diese digitalen Szenen sehen sich absolut ähnlich. Aber die da drüben gehen eben etwas lockerer damit um als ich das hier gewohnt bin.

Wie arbeiten sie? Stimmt es, dass sie briefmarkengroße „production paintings“ anfertigen?

Das stimmt, ja. Ich bin ja kein Maler. Ich muss erst mal wissen, wie ich mir den Film und die Ausstattung vorstelle und wie damit umgegangen wird, wo was gedreht wird, etc. Dann rede ich mit dem Regisseur, da hat der aber noch lange nichts gesehen von mir. Und dann mache ich Storyboards, für den Regisseur, auf meine Art. Nachdem der Regisseur, und auch der Produzent, diese Storyboards, also die Machbarkeit dieses Filmes, festgelegt hat oder einverstanden war mit meinen Vorschlägen, dann lasse ich Production Paintings machen. Ich mache also wieder etwas größere Skizzen für den Production Painter, und der malt dann die Bilder. Der braucht für ein Bild zwei bis drei Tage. Bei Luther hatten wir über hundert Production Paintings. Da würde ich heute noch dran malen, wenn ich es überhaupt könnte.

Dann ist es für mich an der Zeit – es werden parallel zu production paintings technische Zeichnungen und Bauzeichnungen erstellt. Ab einem gewissen Punkt bin ich dann der Beobachter und beaufsichtige das Treiben, damit es so gemacht wird, wie ich mir das vorstelle. So fängt alles mit einer Briefmarke an...

Gibt es noch offene Wünsche? Auf dem Audiokommentarspur der Luther-DVD sagen sie über ihren Job: „Es wird immer interessanter, und es hört nie auf!“ Dabei haben war ihre Karriere sicher selbst für einen Production Designer schon ziemlich aufregend und abwechslungsreich. Was könnte jetzt also noch kommen?

Offenen Wünsche habe ich nicht, ich lasse alles auf mich zukommen. Im Moment arbeite ich an der Vorbereitung von zwei Produktionen. An der einen arbeite ich jetzt schon am Drehbuch mit. Weil ich jetzt schon mit Scanline bespreche was man realisieren kann – es handelt sich um ein technisch sehr schwieriges Projekt, und die Produzenten müssen wissen, auf was sie sich einlassen und ob sich der jeweilige Drehbuchentwurf mit den gegebenen finanziellen Mitteln realisieren lässt.

Kann man als gut beschäftigter Filmmensch auch ein geordnetes Privatleben führen?

Ja. Das ist ganz einfach zu erklären: Meine Frau und ich haben von Anfang an eine ganz strikte Trennungslinie zwischen Studio und Privatleben gezogen. Natürlich hatten wir Zeiten, als unsere Kinder klein waren, da war ich schon mal ein halbes Jahr nicht zuhause, das geht halt dann nicht anders, weil wir auf Auslandsdreh waren und so weiter und sofort. Außer Luggi Waldleitner, Ingmar Bergmann und Horst Wendlandt und Gerd Fröbe war nie ein Filmmensch oder ein Star bei uns zuhause. Man kann nicht heim kommen, ausgeblutet, aus dem Studio, und zuhause dann über den Käse weiter reden, den man tagsüber im Studio erlebt hat, das gab es bei uns nie. Das war das Rezept für unsere Ehe – wir sind heute noch fröhlich und gut beieinander.

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