Eröffnungsfilm Kinderfilmfest
Hayat, Regie: Gholamreza Ramezani, Iran 2004, 75 Min. empfohlen
ab 7 Jahren
Ich will zur Schule! Ein in unseren Breiten vielleicht nicht
ganz nachvollziehbarer Wunsch eines Mädchens in einem Dorf im Iran.
Hayat muss an diesem Morgen für eine entscheidende Prüfung in die
Schule. Gerade jetzt wird ihr Vater krank, die Mutter fährt mit ihm
Hals über Kopf zum Arzt. Das Mädchen bleibt mit seinen Geschwistern
allein zurück, hat die Verantwortung für Haus und Hof, muss
Milchflaschen füllen, Windeln wechseln, Tiere füttern, Wasser holen
und versuchen, irgendwo im Dorf jemanden aufzutreiben, der ihr für ein
paar Stunden das Baby abnimmt. Ein Hindernislauf, der allein beim Zusehen
schlaucht. Klassisch-schönes iranisches Kino, mit viel Ruhe und
emanzipatorischem Anspruch erzählt.
Eröffnungsfilm 14plus
Voces Inocentes (Innocent Voices), Regie: Luis Mandoki, Mexiko
2004, 110 Min.
Hollywood im Zoo Palast. Nicht, dass das Kinderfilmfest/14plus mit dem
Starauftrieb auf dem roten Teppich vor dem Berlinale Palast konkurrieren
könnte, aber diese Premiere am Eröffnungstag wird allein auf Grund
des Regisseurs Luis Mandoki dreht seit 15 Jahren in den USA Filme,
u.a. mit Meg Ryan und Andy Garcia (When a man loves a woman), Kevin Costner
(Message in a bottle) sowie Jennifer Lopez (Angel Eye) und des krassen
Themas für Aufsehen sorgen. In einem Dorf in El Salvador geraten in
den 80er Jahren die Landbewohner während des Bürgerkriegs zwischen
die Fronten der Armee und der Widerstandsbewegung. Alle Jungen, die das 12.
Lebensjahr erreicht haben, werden von der Armee zwangsrekrutiert. Wahrscheinlich
die einzige Produktion auf dem Kinderfilmfest, die den Bundesstart schon
in der Tasche hat (21. April). Kein auf die Tränendrüse
drückender Rührschinken, sondern aufrichtig traurig.
Kinderfilmfest
Die Farbe der Milch, Regie: Torun Lian, Norwegen/Schweden
2004, 94 Min., empfohlen ab 9 Jahren
Ich kann mir nicht helfen: Dieser Film erinnerte mich in seiner Mischung
an die Poesie aus tschechischen Märchenfilmen, verpflanzt in das
Ikea-Ambiente eines kleinen skandinavischen Küstenortes. Da ich ein
Fan des schwedischen Möbelhauses bin und Drei Haselnüsse
für Aschenbrödel zum vielfach abgespielten Bestand meiner
Privat-Videothek gehört, ist das als Superlativ eines Kompliments gemeint.
Selma findet, dass Jungen eine Naturkatastrophe sind. Kann man nachvollziehen.
Mit ihren Freundinnen hat sie einen Pakt geschlossen: kein Interesse am anderen
Geschlecht. Die Mädchen wechseln die Seiten, poussieren herum, und eine
von ihnen flirtet dann auch noch mit Andy, den Selma insgeheim total nett
findet. Eine Coming-of-Age-Story, die zwischen Märchen, Drama und
Komödie balanciert, ein Film zum Wohlfühlen und Liebhaben, ohne
Gefühlsduselei.
Kinderfilmfest
Kurzfilm-Paket Nummer 4, 69 Minuten, empfohlen ab 11 Jahren
Es ist alles so schön ernst hier. Mädchen sind böse, üble
Pissnelken (Der Schatten in Sara), deren Wut sich gegen die
Geschwister und Mutter richtet oder die ungerecht zu Freunden sind und ihre
Zuneigung erst bemerken, wenn es zu spät ist (Kerosene Creek);
die ihre Oma in den Hühnerstall sperren oder mit einer Kette ans Bett
fesseln, weil sie im rosa Bademantel in der Gegend herum rennt und die
Klassenkameraden über die Verrückte Witze machen
(Wackelkontakt). Ein kleiner Junge spielt Krieg mit seinen
Plastiksoldaten und seine Eltern, mit sich und dem Scheidungskampf
beschäftigt sind, merken nicht, wie unglücklich sie ihn mit ihren
lautstarken Auseinandersetzungen machen. Nur beim zufälligen gemeinsamen
Fußballspiel auf der grünen Wiesen zwischen den Häusern
schließen die Eltern kurzfristig Frieden (No mans land).
Es sind The little things, so der Titel eines Kurzfilmbeitrags
aus Neuseeland, die kleinen Dinge, die in diesen Kurzfilmen visuell interessant
umgesetzt und mit überraschenden Wendungen spannend auf den Punkt gebracht
werden. In ihrer Bildsprache herausragend: die scherenschnittartigen Wind-
und Schattenspiele in Vent oder die einfallsreich gezeichnete
Umsetzung der Sage von der Knochenfrau im kalten Polarmeer, die
durch die Liebe eines Fischers von ihrem Fluch befreit wird.
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