Wir haben Manfred Zapatka nicht mit Heinrich Himmler verwechselt,
wir verwechseln ihn nun auch nicht mit dem islamischen Prediger Fazazi. Aus
Zapatkas Mund kommen fremde Worte, die er sich nicht aneignet. Er stellt
sie nicht dar, er spricht sie nur aus.
Die "Hamburger Lektionen" sind die Karmakarisierung da es nun, beim
zweiten Mal nach dem "Himmler-Projekt", Methode wird, ist die Wortprägung
fällig zweier Frage-und-Antwort-Veranstaltungen in der Hamburger
Moschee, die drei der Attentäter vom 11. September besuchten. Ob sie
bei diesen beiden Terminen im Jahr 2000 zugegen waren, werden die, die es
wissen, keinem verraten. Fazazi, der hier den Koran auslegt, sitzt inzwischen
im Gefängnis, in Marokko, des prägenden Einflusses auf andere Untaten
wegen.
Manfred Zapatka sitzt auf einem Stuhl, zwei Schemeltischchen neben sich,
einer links, einer rechts. Der Hintergrund ist neutral, eine Wand wie im
Museum, die nicht sich, sondern, das, was zu ihr kontrastiert, zur Geltung
bringt. Vom Schemel linker Hand nimmt Zapatka den Text, den er liest, auf
dem Schemel rechter Hand legt er ihn wieder ab. Drei oder vier unterschiedliche
Einstellung kennt die Kamera, eine von halbrechts halbnah, zwei Frontale,
eine davon ein Close-Up aufs Gesicht des Darstellers, der nichts darstellt
außer dem Vorlesenden, der er ist. Nur wenige Male nimmt eine Einstellung
das Gesamtarrangement in den Blick: den Mann auf seinem Stuhl, die Schemel,
den Raum. Kaum Ablenkungsmanöver, nur gelegentlich wird ein Zettel
reingereicht, nur gelegentlich fällt der Schatten des Körpers des
Regisseurs (oder eines Helfers) auf die Wand hinter Zapatka.
Volle Konzentration auf den Text. Der Prediger Fazazi widmet sich theologischen
Fragen, in einiger, für den vielleicht nicht so am Detail Interessierten,
doch etwas enervierender Ausführlichkeit. Verhandelt wird etwa der genau
Termin des Beginns des Ramadan. Sorgfältig ist der vorgelesene Text
dabei übersetzt, zwischendurch immer wieder unterbrochen durch
Erläuterungen von Begriffen, die termini technici sind und auch im
arabischen Original genannt werden. "Bidaa" etwa, was Reform heißt
und als Abweichung vom Koran und der Sunna grundsätzlich von übel
ist.
Oder "halal", das heißt "erlaubt". In den, aus terrorismustheoretischer
Sicht jedenfalls, interessantesten Passagen wird es darum gehen, ob es erlaubt
ist, sich am Eigentum der Ungläubigen zu vergreifen. Ja, wird der Prediger
sagen, es ist "halal", denn die Ungläubigen haben es den Muslims immer
schon gestohlen. Da wird wenig verklausuliert. Weil man auch immer
schon im Krieg ist mit den Ungläubigen, ist es auch erlaubt,
sie zu töten, um nicht getötet zu werden.
Wie Fazazi diesen Sprengstoff in theologische Haarspaltereien hineinfaltet
und in rituell wiederkehrende Formen wickelt, das gibt einen guten Eindruck,
denkt man, vom Denk- und Empfindungsmilieu des Fundamentalismus. Eingeblendet
werden auch immer wieder die Reaktionen des in der Zapatka-Lektion
natürlich nicht nachgestellten Publikums: lautes Lachen, unterdrücktes
Kichern. Das Einverständnis zeigt sich so, nachvollziehbar, auch und
erst recht im nicht Ausgesprochenen. Der Humor der Fundamentalisten ist die
Freiheit zur Tötung des Andersdenkenden.
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