Man nennt sie Piranha, sagt einer, ein Schnitt und im
nächsten Bild sehen wir ein Aquarium mit Zierfischen. Davor sitzt die
Untersuchungsrichterin Jeanne Charmant-Killman (Isabelle Huppert), soeben
als Piranha tituliert. Sehr zu recht, das wird sich zeigen. Aber Moment,
werden Sie fragen, dieser Name, Charmant-Killman, meint Chabrol das denn
Ernst?
Ja. Nein. Wie man es nimmt. Es gibt noch den Anwalt Parlebas und den CEO
Sibaud. Ernst im Sinne von strikt literal meint Chabrol das gewiss nicht;
das Schauspiel, die Szene, wird vielmehr punktiert durch den in sie auf diese
Weise - und oft durch die Musik - eingelassenen Kommentar. Über
politthrillerhafte Mimesis ans Wirkliche ist Chabrol ebenso erhaben wie
über Genre-Klischees. Er kommt den Tatsachen stattdessen mit Ironie.
Das alles beruht sehr wohl auf tatsächlichen Begebenheiten. Und darum,
sagt eine Schrifttafel ganz zu Beginn, sei jede Ähnlichkeit dazu, "wie
man so sagt", reiner Zufall. Dann zeigt der Vorspann, während die Namen
diverser Chabrols in unterschiedlichen Funktionen eingeblendet werden, einen
Boss, der verhaftet wird und ins Gefängnis gebracht. Er muss sich dort
ausziehen, er lässt die Hosen runter. Schwarzblende. Dann der letzte
Schriftzug des Vorspanns: Regie Claude Chabrol.
Für keinen bösen Scherz ist er sich zu schade, auch an Sarkasmus
mangelt es nicht. Aber mit dem in der Sache blutigen Ernst und den scharfen
Zähnen, die Piranhas eigen sind, fräst Chabrol sich durch diese
Geschichte. Vielmehr lässt er seine Heldin sich fräsen, die mit
knallhartem Charme keine Gnade kennt. Und zwar mit den Männern. Eine
bitterböse Abrechnung nämlich ist "L'Ivresse du pouvoir" vor allem
mit den Old Boys und Granden, mit den männlichen Bossen in Wirtschaft
und Politik. Auch mit dem Schwächling zu Hause, der es, aus bester Familie,
nicht erträgt, im Schatten seiner Frau zu stehen. (Es ist wirklich
keineswegs so, dass hier das Klischee von den privaten Opfern der in der
Öffentlichkeit erfolgreichen Frau bedient würde. Ihr Mann ist ein
Schwächling, nichts weiter. Er wird durch seinen Neffen, der auch
Chorfunktion hat, einfach ersetzt.)
In der Darstellung der allgemein korrupten Verhältnisse geht es Chabrol
nicht um naturalistische Genauigkeit im Detail. Vielmehr inszeniert er durchweg
analytisch. Seziert das Verhalten jener, die im Innern von Geld und Macht
zwischen Recht und Unrecht nicht mehr unterscheiden. Szene für Szene
kommt Eingemachtes frisch auf den Tisch. So ist "L'Ivresse du pouvoir" ein
Genrefilm ohne die mindeste Konzession an die Konvention. Der Ironie der
sprechenden Namen korrespondiert eine Übergenauigkeit im Arrangement
von Räumen, Gegenständen, Figuren.
Die Mise-en-scène nimmt sich sehr zurück - und es ist das Gegenteil
von Gleichgültigkeit. Vielmehr ist die Regie in einer jeden Szene auf
unheimliche Weise von beinahe totaler Präsenz, geht ein in die Gesten,
die Worte, die Betonung von Silben, den Lichtfall, die Berührung der
Körper. Der Rhythmus des Films, das Timing der Schnitte, der Geist der
Montagen zeugen vom Können eines alten Meisters auf der Höhe seiner
Kunst.
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