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Berlinale 2006

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Allan King: Memory for Max, Claire, Ida and Company (Kanada 2006)

Von Ekkehard Knörer

Max ist ein schmaler Mann mit Stock. Mit Trippelschritten geht er im Gang auf und ab. Er singt viel, er liebt Claire, auch wenn beide vieles vergessen haben aus ihrem Leben, sie liebt ihn. An ihrem Geburtstag drückt sie ihm einen Kuss auf die Wange. Einmal sehen wir Max noch im Gang, fast sieht er ein wenig aus wie der frühe Chaplin, die Füße gespreizt, ein kleiner Mann mit Stock, die Kamera blickt aus ein wenig Distanz.

Wenig später erfahren wir: Max ist tot. Er ist gestürzt und am selben Tag noch im Krankenhaus gestorben. Seine Mitbewohner im Baycrest Seniorenheim werden in einer kleinen Runde versammelt, man erzählt ihnen von seinem Tod. Claire ist schwer getroffen, sie bricht in Tränen aus. Und doch wird sie es vergessen. Wieder und wieder wird man ihr vom Tod des geliebten Mannes erzählen, wieder und wieder wird sie es vergessen. Jedes Mal erneut erfährt sie den Schock, weint, trauert.

Später erfahren wir, dass auch ihr Ehemann Max hieß. Sie verwechselt, scheint es, die beiden, sie erinnert sich an den einen Max und kaum an den anderen, oder sie sind zu einer Person verschmolzen. Den alten Leuten von Baycrest ist ihr Leben zerfallen, sie haben Alzheimer oder sind dement. Manche wissen es, manche ahnen es, oder manchmal ahnen sie es. Max, der viel sang, schien in seiner Ahnungslosigkeit glücklich. Eine scheint untröstlich, dann sagt sie, sie will nur noch sterben und später lacht sie und sagt, sie fühlt sich sehr jung.

Allan King hat zuletzt in "Dying Grace" (2003), auch auf der Berlinale zu sehen, Todkranke in einer Palliativklinik beobachtet. Sterbende sind auch die Heldinnen und Helden in diesem Film. Halb ist ihnen mit der Erinnerung ihr eigenes Leben schon entglitten. Eine von ihnen, wird ihre Tochter sagen, die sie nicht mehr erkennt, ist nicht mehr die, die sie war. Sie war freundlich und intelligent. Jetzt tritt sie nach denen, die ihr helfen wollen. Eine andere sitzt auf dem Bett, auf dem Stuhl sitzt ihr sarkastischer Sohn, gemeinsam rekonstruieren sie Episoden ihres Lebens. Sie erinnert sich an lange Zurückliegendes, an anderes nicht. Ratlos sitzt man herum, denn das Ausgegrabene wird wieder verschwinden in einem Vergessen, das ganze Leben an sich reißt.

Human ist "Memory for Max, Claire, Ida and Company" in seiner Unaufdringlichkeit. Der Film schweigt nicht davon, wie schwer erträglich das alles ist. Er hat eine Haltung zu dem, was man sieht; oft sieht man die Alten im Gespräch mit Beverly Zwaigen, einer Betreuerin. Die Kamera ist dabei, in der Nähe, sie versteckt sich nicht, sie hört zu. Manchmal reagieren die Gefilmten auf sie, ein paar dieser Szenen zeigt auch der Film. Mehr als Dabeisein ist seine Sache nicht. Musik gibt es nur zu Beginn und am Ende. Kein Voiceover-Kommentar. Der Film macht, dass wir ganz Auge und Ohr sind und Verbündete der Sterbenden, der großer Teile ihrer Leben Beraubten. Wir trauern mit ihnen um das, was sie waren.

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