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Berlinale 2006

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Michael Winterbottom: The Road to Guantanamo (GB 2006)

Von Ekkehard Knörer

Es gibt eine Szene in Michael Winterbottoms "The Road to Guantanamo", die erinnert an einen der schrecklichsten Momente in seinem Berlinale-Gewinner "In this World" von 2003. Die Protagonisten des Films landen in einem dunklen Container, menschenunwürdig zusammengepfercht, unterwegs zu einem sehr ungewissen Schicksal. Die Ähnlichkeit ist aber rein oberflächlich, denn die Machart der Filme ist denkbar verschieden. Der ältere Film zwang uns als Betrachter hinein ins Schicksal seiner Helden auf ihrem lebensgefährlichen Weg in den Westen; in einer filmischen al-fresco-Malerei erzählte Winterbottom eine Geschichte hautnah am Leben. Zwischen das geschilderte Schicksal, seine Bilder und unser Empfinden passte in den entscheidenden Momenten kein Blatt Papier und kein erklärendes Wort.

Das Gegenteil ist der Fall im dieses Jahr im Wettbewerb laufenden "The Road to Guantanamo". Es mischen sich die Bilder und Stimmen in ganz anderer, und zwar missratener Art. Drei in Birmingham lebende Pakistanis berichten, als Talking Heads, was ihnen widerfuhr, als sie kurz nach dem 11. September 2001 in die Heimat reisten, die Grenze nach Afghanistan überquerten, in die Hände der US-Armee fielen und für mehr als zwei Jahre im Lager von Guantanamo Bay eingesperrt, gefoltert und wie Tiere behandelt wurden.

Winterbottom verlässt sich aber nicht auf ihre eigenen Worte, sondern illustriert das, was sie zu sagen haben, mit den Bildern, die das Geschilderte in Spielfilmmanier, mit dräuender Musik dazu, nachstellen. Dies Verfahren der Illustration ist so primitiv, wie es klingt. Winterbottom unterbricht wechselweise die Illustration mit Erzählung, die Erzählung mit Illustration; es wird aber an keiner Stelle eine Reflexion daraus. Es kommen offizielle Nachrichtenbilder dazu, wir sind beim Geschehen dabei und blicken darauf, mittendrin und zugleich zum Urteil von draußen und hinterher fähig, so stellt Winterbottom, der bekanntlich schneller Filme dreht als andere Filmkritiken schreiben, sich das wohl vor.

"The Road to Guantanamo" will also sehr viel auf einmal sein und ist deshalb eigentlich nichts richtig. Der Film versteht sich als durch die Aussagen der Beteiligten beglaubigte Dokumentation, als Pamphlet gegen den menschenunwürdigen Umgang der US-Amerikaner und Briten mit ihren Gefangenen, und im illustrativen Teil als Krücke für unsere Vorstellungskraft. Die Naivität, mit der Winterbottom die einfachen Mittel, mit denen er arbeitet, für tauglich hält, etwas anderes zu leisten als die Demonstration guten Willens und der politischen Korrektheit der eigenen Anschauung, ist beträchtlich. Oder, auch das wäre ja möglich, er will gar nichts weiter als das: Nur sagen und zeigen, ein Film als politische Intervention in eher fürs Fernsehen tauglicher Form. Es stellt sich nur, im einen Fall wie im anderen, die Frage, was sein Film im Wettbewerb eines Filmfestivals verloren hat. Andererseits: Er ist, was diese Frage angeht, in guter Gesellschaft.

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