Es gibt eine Szene in Michael Winterbottoms "The Road to
Guantanamo", die erinnert an einen der schrecklichsten Momente in seinem
Berlinale-Gewinner "In this World" von 2003. Die Protagonisten des Films
landen in einem dunklen Container, menschenunwürdig zusammengepfercht,
unterwegs zu einem sehr ungewissen Schicksal. Die Ähnlichkeit ist aber
rein oberflächlich, denn die Machart der Filme ist denkbar verschieden.
Der ältere Film zwang uns als Betrachter hinein ins Schicksal seiner
Helden auf ihrem lebensgefährlichen Weg in den Westen; in einer filmischen
al-fresco-Malerei erzählte Winterbottom eine Geschichte hautnah am Leben.
Zwischen das geschilderte Schicksal, seine Bilder und unser Empfinden passte
in den entscheidenden Momenten kein Blatt Papier und kein erklärendes
Wort.
Das Gegenteil ist der Fall im dieses Jahr im Wettbewerb laufenden "The Road
to Guantanamo". Es mischen sich die Bilder und Stimmen in ganz anderer, und
zwar missratener Art. Drei in Birmingham lebende Pakistanis berichten, als
Talking Heads, was ihnen widerfuhr, als sie kurz nach dem 11. September 2001
in die Heimat reisten, die Grenze nach Afghanistan überquerten, in die
Hände der US-Armee fielen und für mehr als zwei Jahre im Lager
von Guantanamo Bay eingesperrt, gefoltert und wie Tiere behandelt wurden.
Winterbottom verlässt sich aber nicht auf ihre eigenen Worte, sondern
illustriert das, was sie zu sagen haben, mit den Bildern, die das Geschilderte
in Spielfilmmanier, mit dräuender Musik dazu, nachstellen. Dies Verfahren
der Illustration ist so primitiv, wie es klingt. Winterbottom unterbricht
wechselweise die Illustration mit Erzählung, die Erzählung mit
Illustration; es wird aber an keiner Stelle eine Reflexion daraus. Es kommen
offizielle Nachrichtenbilder dazu, wir sind beim Geschehen dabei und blicken
darauf, mittendrin und zugleich zum Urteil von draußen und hinterher
fähig, so stellt Winterbottom, der bekanntlich schneller Filme dreht
als andere Filmkritiken schreiben, sich das wohl vor.
"The Road to Guantanamo" will also sehr viel auf einmal sein und ist deshalb
eigentlich nichts richtig. Der Film versteht sich als durch die Aussagen
der Beteiligten beglaubigte Dokumentation, als Pamphlet gegen den
menschenunwürdigen Umgang der US-Amerikaner und Briten mit ihren Gefangenen,
und im illustrativen Teil als Krücke für unsere Vorstellungskraft.
Die Naivität, mit der Winterbottom die einfachen Mittel, mit denen er
arbeitet, für tauglich hält, etwas anderes zu leisten als die
Demonstration guten Willens und der politischen Korrektheit der eigenen
Anschauung, ist beträchtlich. Oder, auch das wäre ja möglich,
er will gar nichts weiter als das: Nur sagen und zeigen, ein Film als politische
Intervention in eher fürs Fernsehen tauglicher Form. Es stellt sich
nur, im einen Fall wie im anderen, die Frage, was sein Film im Wettbewerb
eines Filmfestivals verloren hat. Andererseits: Er ist, was diese Frage angeht,
in guter Gesellschaft.
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