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BERLINALE 2001

Schwarzes Brett: Lesermeinungen

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BERLINALE 2001 - 7.-18.2.2001

Randnotizen

Schwarzes Brett

Sascha Rettig berichtet von der Berlinale

Tag 10: Vermischtes

Connery gefunden!

Sean ConneryLag es an Sean Connery oder an den ungeschickten Fragen der Journalisten? Auf jede zweite Frage sagte Connery Dinge, wie z.B. "Das ist aber schwer zu beantworten.", "Ich verstehe die Frage nicht." oder "Da muss ich erstmal drüber nachdenken.". Eigentlich war das aber auch egal. Connery ist Connery Der Saal, in dem die Pressekonferenzen abgehalten werden, war so vollgestopft mit stargeilen Reportern, dass die Chance, den ersten Bond mal aus der Nähe zu sehen, ziemlich gering war. Ich stand ziemlich weit hinten, was jeden Blick auf Connery, zwischen den vielen Köpfen und gereckten Hälsen, zum Geschenk machte. Was er und sein junger Schauspielerkollege Sean Connery und Bob BrownBrown sagten, wurde da sowieso zweitrangig. Zieht man die Situation in der Pressekonferenz in Betracht, dann erklärt sich auch fast von selbst, warum Gus van Sants rührselige Mainstream-Mär und Wunderkind-Story "Finding Forrester" den Weg in den Wettbewerb gefunden hat.

Die Antwort auf die erste Frage war dann auch gleich der amüsante Höhepunkt der gesamten Konferenz.

"Herr Connery, Sie gelten immer noch als einer der sexiesten Männer der Welt. Was ist Ihr Geheimnis?" Connery: "Ah, ich glaube, dass werde ich wohl mit ins Grab nehmen..."

Es folgten langweilige Fragen zu "Finding Forrester", die Frage, welcher Bond der richtige Bond sei (Connery: "Ich bevorzuge alle anderen aussermir selbst!") und welche der Filme, in denen er mitgespielt hat, seine liebsten seinen (Connery: "Es kommt drauf an, wonach ich das beurteilen soll. Ich könnte aber durchaus "Indiana Jones" sagen oder "The Man who would be king"..."). Der Rest war Starglamour, für den jetzt zum Berlinale-Schluß zwei, ja man kann es schon sagen, Hollywood-Greise zuständig waren.

Sean Connery wird wohl der letzte große Star dieser Berlinale gewesen sein. Für morgen ist jedenfalls keine internationale Prominenz angekündigt (bis auf Regisseur Michael Winterbottom).

Lili Taylor - Die kleine, kleine Independent-Größe bei der Berlinale

Lili TaylorLili Taylor, mit Schlabberklamotten und irgendwie süß-schüchtern-kindisch-reizend, hatte heute abend nach der Aufführung ihres neuen Filmes "Julie Johnson" (Panorama) einen Kurzauftritt vor dem Kinopublikum. "Danke, danke, danke, dass ihr die Filme zeigt, die in Amerika noch niemand gesehen hat!" Sagte sie und verschwand wieder. In dem Film ging es um eine frustrierte Suburbia-Hausfrau, die ihre verborgenen Lili TaylorTalente entdeckt, ihren Mann rausschmeisst, ihre beste Freundin bei sich einziehen lässt (Courtney Love, die wieder gezeigt hat, dass sie eine hervorragende Schauspielerin ist. Leider war sie nicht in Berlin!) und mit ihr eine zum Scheitern verurteilte Liebesbeziehung beginnt. Ein sehr vorhersehbares Stück Celluloid, stark vereinfachend, aber immerhin mit zwei stark aufspielenden Darstellerinnen in den Hauptrollen. Love und Taylor retten den Film! Das Publikum war von "Julie Johnson" allerdings sehr angetan. Langer Applaus.

Rose glaubt an die digitale Revolution

Fast schon militant und sehr sarkastisch ließ sich der Regisseur Bernard Rose (in Deutschland bekannt geworden durch den Beethoven-Film "Immortal Beloved" und den jüngsten "Anna Karenina"-Film) nach der Vorführung seines komplett digital gedrehten, neuen Werkes "Ivansxtc" über das amerikanische Studiosystem aus. Rose glaubt fest an die digitale Zukunft des Filmes und an einen Kollaps der amerikanischen Major-Studios. Gespickt waren seine Hasstiraden mit kleinen Anekdoten. Hier ein paar Kostproben eines Mannes, der uns seinen unerschütterlichen Glauben an digitale Wackelbilder demonstriert und uns über Hollywood das sagt, was wir schon immer geahnt haben:

"I hate the studios , their blind stupidity and their arrogance!"

"All they've done, we've seen it already. They are redoing all these movies. Next year, you'll see "103 Dalmations"."

"Companies and studios are the only ones making profit of copyrights. Copyright is good for them, not for the author. When you shoot films digitally, you are the owner of what you created"

"Point the camera to human beings and not to... To Julia Roberts. If you know what I mean!?"

"When I did this film on Beethoven an agent for film-composers called me and wanted to know if I needed a composer for the score of the film. I said that Beethoven had actually composed quite a lot of stuff and that I didn't need anyone for the score. Then he answered that it would be better to jazz up theses Beethoven-songs..."

"If had asked a Hollywood producer to use Wagner music in my movie, he would have said: "Wagner? Why Wagner? What about Britney Spears? She's much cooler!"."

"Up your's, Weinstein. And up your's Spielberg!"

Ach, übrigens handelte "Ivansxtc" vom Leben und Sterben in Hollywood.... Wen wundert's?


Tag 9 - Legende in Ehren

"Man muss nur alt genug werden, um alle wichtigen Preise zu bekommen." Kirk Douglas

Kirk DouglasDie jährliche Berlinale-Hommage, die in den vergangenen Jahren z.B. Catherine Deneuve, Jack Lemmon oder Jeanne Moreau gewidmet war, galt bei dieser Berlinale einem der legendärsten Sandalenträger der Filmgeschichte überhaupt - Kirk Douglas. Zu Ehren des 84-jährigen wird am Freitag abend Stanley Kubricks "Paths of Glory" gezeigt und Douglas der goldene Ehrenbär für sein Lebenswerk, das mehr als 80 Filme umfasst, verliehen. Heute hatte zunächst die Presse die Möglichkeit, nach alten Hollywoodanekdoten und anderen unwichtigen, aber doch sehr interessanten Dingen zu fragen. Die maßlos überfüllte Kirk DouglasPressekonferenz leitete ausnahmsweise der Festivalchef De Hadeln persönlich. In mehr als einer halben Stunde plauderte ein sehr alters-versönlich gestimmter aber auch sehr witziger Kirk Douglas aus dem Starnähkastchen und das trotz eingeschränkter Sprachfähigkeit durch die Folgen eines Schlaganfalls.

Schon als er den Saal betritt, gibt es starken Applaus. Eine lebende Legende? Denken sich bestimmt viele, und da ist auch irgendwie was dran. Wann wird man in seinem Leben schon nochmal die Gelegenheit haben, Spartakus zu applaudieren? Wie auch immer, hier die Highlights:

Douglas über moderne Filme:

Heutzutage gibt es mir in den Filmen zuviel Gewalt und zuviele Special-Effects. Früher war das anders. Da erzählten die Filme von Menschen, von interessanten Charakteren. Ich habe mich einmal mit Arnold Schwarzenegger unterhalten und sagte zu ihm: "Heute schießen sie in Filmen hundertmal, um jemanden umzubringen, früher brauchte ich dafür nur einen Schuss..."

Douglas, der russischer Herkunft ist, über seinen russischen Namen Issur Danielovitch Demsky , den er hatte, bevor er sich Kirk Douglas nannte:

Mit dem Namen hätte ich sehr gut Ballett-Tänzer werden können...

Douglas über Technik:

Kirk DouglasHandy? Sowas habe ich gar nicht. Ich habe auch neulich ein Auto geschenkt bekommen. Ein ganz modernes, das sogar sprechen kann. Als ich das erste Mal damit fahren wollte, sprach es mich plötzlich an. Seitdem fährt meine Frau den moderenen Wagen und ich den alten.

Douglas über Filme, die er besser nicht hätte machen sollen und Fehler, die er bei der Filmauswahl gemacht hat:

Fehler? Habe ich viele gemacht. Wenn ich alle meine Filme aufzählen müsste, die mir nicht gefallen, würde das sehr lange dauern. Von meinen über 80 Filmen gibt es vielleicht zwanzig, die ich mag...

Douglas über seine Schwiegertochter und den Altersunterschied zwischen seinem Sohn Michael und dessen Gattin Catherine Zeta-Jones:

Catherine ist eine wundervolle Frau. Ein richtiger Familienmensch...

Als es um den Altersunterschied ging, sagte Michael zu ihr: "Ich werde auch sehr alt werden. Das liegt bei unserer Familie in den Genen. Mein Vater hatte einen Herzanfall, einen Schlaganfall und außerdem einen Hubschrauberabsturz überlebt. Und? Er lebt immer noch!"

Douglas auf die Frage, mit welchem Regisseur er gerne noch zusammengearbeitet hätte oder noch zusammenarbeiten will:

Steven Soderbergh.

Douglas über Kubricks Filme:

Ich mag Kubricks Filme sehr. Nur seine letzten waren sehr kühl. "Eyes Wide Shut" war nicht sexy, sondern kühl...

Am Ende dann ein rührender Augenblick: Kirk Douglas entschuldigt sich dafür, dass die Pressekonferenz nach einer halben Stunde beendet wird. Sehr gerne würde er noch Stunden weiterplaudern, aber er habe ja diese Schwierigkeiten seit dem Schlaganfall, könne nur noch langsam reden. Dann sagt er noch zwei, drei nette Sätze über Berlin und verläßt schließlich die Bühne. Salve, Kirk!


Tag 8 - Wild und sexy


Patrice Chereau und Marianne Faithfull auf der Pressekonferenz zu Intimacy

Eigentlich kann man sich in diesem Jahr über den Wettbewerb nicht beklagen. Zugegeben: Bislang gab es, abgesehen von Soderberghs "Traffic" und vielleicht auch noch Lone Scherfigs "Italienisch für Anfänger" keine wirklich herausragenden, keine, sagen wir, bärenwürdigen Filme, aber interessant und nicht selten auch kontrovers waren viele der Beiträge allemal. Spike Lees "Bamboozled" spaltete das Heer der Filmkritiker ebenso in wie zwei Lager wie "A ma soeur" von der Französin Catherine Breillat. Lucrecia Martels "La Ciénaga - Der Sumpf", von vielen in die Langweilerecke gestellt, gilt bei einigen gar als ein Geheimfavorit. Ja, bunt geht's zu, bei De Hadelns letzter Vorstellung. Einhellig verrissen wurden bisher nur "Duell", "Chocolat" und, soweit ich das richtig mitbekommen habe, der neue Tornatore "Maléna".

Heute nun folgte ein weiteres, sehr interessantes Stück Celluloid - eines, Patrice Chereaudas ebenfalls sehr erhitzt diskutiert wurde. Patrice Chéreaus (Foto) "Intimacy" mit Mark Rylance und Kerry Fox, sowie Timothy Spall und Marianne Faithfull (Foto unten)in den Nebenrollen, basiert auf einem gleichnamigen Kurzroman von Hanif Kureishi und erzählt die Geschichte von Jay und Claire, die zwar nichts voneinander wissen, sich aber jeden Mittwoch treffen, um begierig Marianne Faithfullübereinander herzufallen und Sex zu haben. Erst als Jay versucht, mehr über Claire herauszufinden, entwickelt sich eine Beziehung, die für beide einen sehr schwierigen Verlauf nimmt und auf ein für beide sehr schmerzhaftes Ende zusteuert. Gleich zu Beginn des Filmes, der sehr roh und ruppig daherkommt und an das graue, dreckige und ungeschminkte London erinnert, das man aus Mike-Leigh-Filmen kennt, zeigt Chéreau das Zügellose und Emotionslose in der Sexbeziehung zwischen Jay und Claire. Sehr direkt ist der Sex, den er vorführt, schmeißt die Kamera ins Geschehen und läßt sie beoachten, ohne zu verdecken. Chéreau zeigt viel, mehr als die meisten anderen, schließlich fängt, laut Regisseur, in "Intimacy" der Sex da an, wo er in anderen Filmen aufhört. Es ist Sex ohne Liebe, denn lieben können sich Menschen nur, wenn sie mehr voneinander kennen als nur den Körper des anderen. Durch Jays Drang mehr von Claire erfahren zu wollen, entwickelt sich ein zerstörerischer Sog. Es geht um Wahrheit, Neugier und auch Selbstbetrug. Am Ende gehen Jay und Claire auseinander, werden wieder zu Fremden. Fremde, die um des Wissens über und die Gefühle für den anderen eigentlich keine sein wollen. Mit Gewißheit gehört "Intimacy" zu den preisverdächtigen Filmen dieses Wettbewerbs.

Um Sex im übertragenen Sinne geht es bei Emir Kusturicas "Super 8 Stories", einer Dokumentation über die Balkan-Band "No Smoking", bei der Kusturica selbst Gitarre spielt. Musik sei wie Sex, sagte der Regisseur (rechts im Bild, neben ihm der Bandleader) während der Pressekonferenz. Die Band existiert es bereits seit 20 Jahren, tritt aber seit einigen Jahren in neuer Besetzung auf. Die alten "No Smoking" trennten sich wegen "socio-psycho-historical reasons" erklärte Kusturica. Seine "Super 8 Stories" sind laut, sehr laut und direkt. Ein Musikzirkus. Im Film zeigt er Ausschnitte aus internationalen Auftritten, u.a. auch vom Gig in der Volksbühne in Berlin, Ende 1999 und vermengt sie mit Filmschnippseln, die die einzelnen Bandmitglieder vorstellt. Es vermischt sich Dokumentarisches mit Fiktivem, Interessantes mit Langweiligem, Aufdringliches mit Intimem, Super-8-Bilder mit Digitalen. Schnell montiert, ergibt sich ein sehr anstrengendes Portrait einer Band, deren Musik, laut Werbung, von einer Welt, der Welt des Balkans, spricht, die wild, verrückt, kreativ und dramatisch ist. Der Film und seine Musik bleiben letztendlich Geschmackssache.

Emir KusturicaBei der Pressekonferenz zu "Super-8-Stories" erzählte der "Underground"-Regisseur, dass er als Schauspieler für den César nominiert sei. Die nächste Stufe sei dann ein Job als Supermodel, sagte er lachend und fuhr sich durch die fettige Zottelmähne. Erstmal wäre allerdings ein Besuch bei Udo Walz fällig...

Nachtrag zu gestern (zitiert in "Moving Pictures")

Spike Lee: Hier in Berlin ist es so kalt, dass einem das Handy am Ohr festfriert...

Es ist tatsächlich kälter geworden in Berlin.

P.S. Heute ist Kirk Douglas angekommen. Höchste Zeit für den Ehrenbären...


Tag 7: Und das obwohl Mobiltelefonieren wie Rauchen für die Ohren ist...

Pressekonferenz zum Kubakrisen-Drama Thirteen Days mit Bruce Greenwood (spielt JFK), Roger Donaldson (Regisseur) und Steven Culp (spielt Bob Kennedy).

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Zu gerne hätte ich einen Vergleich: Wie war es vor zwanzig, ja sogar noch vor zehn Jahren, als es noch keine Handys gegeben hat? Wie war es da bloß auf der Berlinale? Todesstille bei den Vorführungen, lange Schlangen vor den Münztelefonen und viele Menschen, die hektisch kettenrauchend statt telefonierend von Vorführung zu Vorführung laufen, um den Eindruck zu machen, beschäftigt zu sein.

Heutzutage klingelt's überall. Auf der Straße, da ist es ok; vorm Kino auch, im Café wird es schon brenzlig, aber es bimmelt selbst nach der Aufforderung die Handys auszuschalten im Kinosaal, während in Stalingrad gebombt wird oder der Marquis de Sade gerade elendig verreckt. Der Filmdeal findet im Film statt oder ist es doch nur die Ehefrau, die Herrn Filmkritiker bittet, noch etwas Broccoli mit nach Hause zu bringen?

Manchmal hat man als Festivalbesucher, der sich mobil-technisch korrekt verhält, das Glück, einen dieser raren Augenblicke erleben zu dürfen, in denen ein Handy im Film klingelt. Dann nesteln alle, die ihr Mobiltelefon nicht ausgeschaltet haben (und das sind nicht wenige...), nervös in ihren Jacken und Mänteln herum. Köstlich.

Heute klingelte im Wettbewerbsbeitrag "Betelnut Beauty" das Handy der Hauptfigur, als er gefesselt vor drei miesen Gangstern kniete und den Tod vor Augen hatte. Die Gangster waren konsequent und haben den Klingeler hingerichtet. Dabei mußte ich lachen. Es war die perfekte Visulisierung einer seit sechs Tagen gehegten Fantasie.

P.S. Ich war heute morgen entgegen aller Erwartungen pünktlich im Berlinale-Palast. Noch vor Detlev Buck...

Bruce GreenwoodPromihighlight des Tages war die Pressekonferenz zu "Thirteen Days" (außer Konkurrenz). Anwesend: Bruce Greenwood (Foto links), Roger Donaldson und Steven Culp. Wahrscheinlich ist das jetzt das Berlinale-Loch. Einen Tag nach der Halbzeit. Aber der achte Tag verspricht Besserung. Erwartet werden Emir Kusturica (zwar kein Star, aber sehr spannend!) und Marianne Faithfull!

Lola Cola aus Southern ComfortDer letzte Handy-Splitter: Kate Davis

"Oh, that one should be punished!"

Die Reaktion der Filmerin Kate Davis (Foto rechts; links: Lola Cola aus Southern Comfort) auf ein Handyklingeln während des Q&A nach der Vorführung ihres Dokumentarfilmes "Southern Comfort"


Tag 6 -Hektik


Pressekonferenz zu Félix et Lola

Die Festivalorganisatoren sind wirklich ungnädig. Pünktlich früh um 9.00 Uhr erfolgt der Cineasten-Appell. Dann nämlich findet im Berlinale-Palast normalerweise die erste Wettbewerbs-Pressevorführung des Tages statt. Bei einem täglichen Pensum von vier bis fünf Filmen und der Pflicht der täglichen Berichterstattung landet man allerdings erst so spät im Bett, dass es unter normalen Umständen kaum möglich wäre, wieder so früh aufzustehen. Aber wenn die Wettbewerbssirenen singen, kommt man nicht umhin und manchmal auch zu spät zum Berlinale-Palast. Für Personen, die sich zu der Zeit zufällig am Marlene-Dietrich-Platz aufhalten, ereignet sich ein doch recht amüsantes Schauspiel. Journalisten, bepackt mit den ersten wichtigen Publikationen des Tages und bei den ziemlich milden Temperaturen mit einigen Schweißperlen auf der Stirn, eilen, wie Gazellen auf der Flucht vor einem Löwen, hektisch blickend auf die großen Glastüren des Festivalszentrums zu. Hat man den Palast erstmal erreicht, ist das Drama aber noch nicht vorbei: Das Parkett ist bereits voll, der erste Rang auch, ebenso der zweite und dritte. Im vierten Rang kommt man außer Atem an und zieht beim Betreten des Saales böse Blicke der Pünktlichen auf sich. Wenn man Glück hat, sieht man das nicht, weil es schon dunkel ist, dafür hat dann schon der Film begonnen. Als mir all das heute morgen auf dem Weg zur Vorführung des neuen Spike-Lee-Joints, der bitteren und unsatirischen Medienschelte "Bamboozled" passierte, war ich nicht der einzige und in prominenter Gesellschaft. Detlev Buck war auch zu spät - mit Hut und in Hektik.

135 zähe Minuten später muß man weiter. Oh, nein, auch die Vorführung von Jean-Jacques Beineix' erstem Streich seit langer  Zeit ist bereits im Gange. "Mortel Transfert" (Panorama) bietet die kühle Ästhetik, für die der Franzose geliebt und kritisiert wird und einen guten Jean-Hugues Anglade als Psychiater, der nicht weiß, ob er seinen Verstand verliert. Die Geschichte? Eher befremdlich. Eine Mischung aus morbidem Humor, Freud'scher Traumdeutung und Suspense.

Lea PoolDer Film danach ist schöner. "Lost and Delirious" (Panorama) von Léa Pool (Foto), die vor zwei Jahren im Wettbewerb mit "Emporte-moi" auf sich aufmerksam gemacht hat, rührt mit einer Geschichte vom Erwachsenwerden und der ersten großen Liebe, die, wie auch in diesem Film, die letzte sein kann, wenn sie nicht erwidert wird. Der Film erzählt von dem Mädchen "Mouse", die frisch in ein Internat kommt und feststellt, dass ihre Zimmergenossinnen sich lieben. Diese diese Liebe wird aber von einer der beiden, aufgrund äußeren Druckes, in Frage gestellt, doch ihre Freundin und Geliebte (Piper Perabo, die Nachwuchs-Julia-Roberts) gibt sich nicht kampflos geschlagen. Zwar kommt der Film nicht ganz ohne Klischees aus, aber er kriegt, nicht zuletzt wegen der starken Sympathien, die man für die Hauptdarstellerinnen hat, ein ums andere Mal die Kurve. Zuerst Mädchengeschichten im Internat, dann Liebesgeschichte zwischen zwei Mädchen und dann Gott sei Dank keine Coming-Out-Krise, wie man sie schon so oft im Kino sehen konnte, sondern ein Kampf um die Liebe mit einem bitteren Ende. Schön!

Peinlichkeit nach der Vorführung, während des Q&A mit Léa Pool:

Ein Zuschauer kritisierte das Ende des Filmes.

Pool: OK, I'll call you for next script!

Doch er blieb hartnäckig und bohrte weiter.

Pool (ein wenig genervt, aber man konnte es verstehen; außerdem buhte das Publikum den Frager auch schon aus!): Ok, I'll call you for my next film!

Daraufhin stürzte der junge Mann nach vorne, gab der Regsseurin eine Visitenkarte und verschwand fluchtartig. Maybe the beginning of a beautiful friendship?

Als letzter Film des Tages (Hektik: Im CinemaxX 7! ): "Félix et Lola" von Patrice Leconte. Ein Liebesfilm, der im Schausteller- und Rummelplatzmillieu spielt. Minimalistisch, poetisch und dank der wunderbaren Charlotte Gainsbourgh geheimnisvoll und sehenswert.

Für heute reicht's. Ich bin müde, fahre nach Hause und gehe ins Bett, damit ich morgen früh wieder da sein kann. Hoffentlich pünktlich...

P.S. Da doch einige Stars, wie z.B. Johnny Depp und Emma Thompson, Moritz de Hadeln freut sich!abgesagt haben, greifen manche Autogrammjäger auf eher obskure Objekte der Begierde zurück. Moritz de Hadeln hat in seinem Festivaltagebuch, das in der FAZ veröffentlicht wird, geschrieben, dass er dieses Jahr schon einige Male um ein Autogramm gebeten wurde. A star is born!


5. Tag - Der Tag, als Hannibal Lecter kam

Filmkritiker sind seltsame Geschöpfe. Als sich heute morgen Hauptdarsteller und Regisseur des japanischen Wettbewerbsbeitrages "Chloe" der Presse stellten, waren kaum Journalisten zur Pressekonferenz erschienen. Und das, obwohl diese surrealistische, betörende Seltsamkeit, jedenfalls am Applaus nach der Vorführung gemessen, durchaus Zuspruch erhalten hat.

Ganz anders war es vor und nach der Aufführung von Ridley Scotts "Das Schweigen der Lämmer"-Sequel "Hannibal" und während der anschließenden Pressekonferenz. Gezeigt wurde der Thriller im berüchtigten CinemaxX 7. Massen drängelten sich bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Screenings. Als der Einlaß Zuschauer für Zuschauer ganz langsam begann, begann auch die Drängelei. Die Angst vor dem Kino ist mit der Angst während des eher zäh erzählten und recht spannungsarmen "Hannibal" nicht zu vergleichen. Aber drin war drin. Und wer drin war, war glücklich. Als der Film vorbei war, fast schon ein Gesetz bei publikumsträchtigen Hollywoodfilmen, blieb der Applaus aus, dafür wanderten die Heerscharen schnurstraks in die Pressekonferenz, bei der Sir Anthony Hopkins, Giancarlo Giannini, Produzenten-Urgestein Hans Zimmer und Dino de LaurentiisDino de Laurentiis (Foto, mit Hans Zimmer), Martha de Laurentiis und der Komponist der "Hannibal"-Musik Hans Zimmer erwartet wurden. Ridley Scott konnte leider nicht kommen: Seine Mutter ist vor ein paar Tagen gestorben. Noch bevor die Pressekonferenz begann, verlas Martha de Laurentiis die aktuellen Einspielergebnisse des Filmes, der vor diesem Wochenende in Amerika gestartet ist und bereits jetzt Rekorde gebrochen hat. Egal! Der Pressekonferenz an sich war zu großen Teilen eine Lobhudelei Hopkins' auf den Charakter des Hannibal Lecter, allerdings verriet er auch, dass ein weiteres Sequel zu "Das Schweigen der Lämmer" geplant sei, möglicherweise noch im kommenden Jahr, wieder mit Ridley Scott als Regisseur und, soweit ich das richtig verstanden habe, auch wieder mit Julianne Moore als Starling.

Konferenzsplitter

Spanischer Journalist: Mr. Hopkins, do you know mad cow? You know mad cow!

Hopkins: Yes, why?

Spanischer Journalist: Maybe that's the reason why Hannibal Lecter prefers human meat...

zu den Notizen der ersten Tage

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