Sascha Rettig berichtet von der
Berlinale
Randnotizen 4. Tag:
Lena Olin, Regisseur Lasse Hallström und Juliette Binoche auf
der Pressekonferenz zu Chocolat
SKANDAL! Vor Kino 7!
Die dritte Pressevorführung des Tages findet in diesem Jahr nicht
mehr im Berlinale-Palast statt, sondern im wesentlich kleineren CinemaxX
7. Was sich gestern vor der dortigen Aufführung des Mike Nichols Filmes
"Wit" am Einlaß abspielte, kann man getrost als Tumult bezeichnen.
Zuwenig Sitzplätze für zuviele Journalisten und dann wurden auch
noch Kaufkarten für die Vorstellung verkauft. "SKANDAL", rief eine
ältere Frau, aber sie kam trotzdem nicht rein.Es wurde gequetscht und
gedrängelt, als ginge es um nackte Überleben. Die Situation
heute war noch kritischer, denn es gab Kaufmans "Quills - Macht der
Besessenheit". Der Titel beschreibt genau das, was ich dachte, als ich beim
Einlaß der letzten zehn abgezählten Leute (bei mindestens noch
40 wartenden) mitten in der Meute stand und meine Arme nach vorne und mein
Kopf nach vorne weggedrückt wurde. Grotesk, aber ich hatte Bilder der
Brüsseler Stadion-Katastrophe mitte der 80er vor Augen. "Are you animals
or human beings?" Das waren die letzten Worte, die ich hörte, als hinter
mir die Kinotür zuging. Glück gehabt und kaum
verletzt.
Morgen gibt es "Hannibal" in Kino 7, und ich habe Angst. Allerdings
keineswegs vor Hannibal Lecter... Die Situation am cineastischen Krisenherd
bleibt spannend.
Konferenzsplitter
Die
erste Frage in der Pressekonferenz zu Catherine Breillats (Foto links)
SKANDAL-Film A Ma Soeur, begann mit
folgendem Satz:
Als ich diesen Film sah, fühlte ich mich wie das Opfer eines
Mörders, das erst noch einige Tage gequält wird, bevor es ermordet
wird...
In der Pressekonferenz zu Lasse Hallströms
"Chocolat" wurde natürlich
viel über das Kakaoprodukt und seine Nebenwirkungen gesprochen. Ein
Journalist wagte es sogar, die süße Juliette Binoche (Foto) zu
fragen, ob sie zugenommen habe. Als sie "Nein!" entgegnete, rief er: "Then
show us your line!" SKANDAL! Aber die Binoche stand auf und trat sofort den
Gegenbeweis an!
Frivoleres
war dagegen auf der Pressekonferenz zum De-Sade-Film "Quills" zu erwarten.
Angereist waren Geoffrey Rush (Foto unten), Kate Winslet (Foto rechts) und
Regisseur Philip Kaufman.
Ein spanischer Journalist stellte die folgende Frage:
"Wenn man ein Buch von de Sade liest, dann liest man
es nur mit einer Hand. Mr. Rush, wie haben sie das Drehbuch zu "Quills" gelesen?"
Rush: "Freihändig, denn ich habe das Buch auf einen Ständer
gestellt."
Kurze Zeit später:
"Mr. Rush, was hat Sie dazu bewogen, in dem Film mitzuspielen? Was
hat Ihnen am Drehbuch gefallen?"
Rush: "Als ich auf Seite 25 festgestellt habe, daß ich Kate
Winslet einen Zungenkuß geben muß, wollte ich nur noch
wissen, wo ich zu unterschreiben hatte!"
Nach diesem Satz sprang Kate Winslet auf und machte mit Geoffrey Rush
genau das, was er im Film auch mit ihr gemacht hat...
Randnotizen 2. Tag:
Schlangestehen? Nach wie vor!
Unter
den drei sogenannten A-Festivals dieser Erde sind die Rollen eindeutig verteilt.
Die Berlinale hat dabei die Rolle des Publikumsfestivals. Auch in diesem
Jahr werden in den über 600 Filmvorführungen rund um den
Berlinale-Palast am Potsdamer Platz mehr als 400 000 Besucher
erwartet.
Doch wie leicht ist es denn eigentlich Tickets für die Vorstellungen
zu ergattern? Als sich die Berlinale noch in der West-City abspielte und
der zentrale Vorverkauf noch Europa-Center stattfand, brauchte der passionierte
Kinogänger Geduld beim Schlangestehen und gute Nerven, denn nie
konnte man wissen, ob das ausgesuchte Objekt der Cineasten-Begierde nicht
doch schon ausverkauft war. Seit dem vergangenen Jahr befindet sich die
Hauptverkaufsstelle mit einigen Kassen am Potsdamer Platz, Karten gibt es
außerdem immer noch im Europa-Center, am Ticket-Automaten mit EC-Karte
und (und das ist in diesem Jahr neu) per online-Reservierung. Da müsste
es doch eigentlich entspannter beim Vorverkauf zugehen. Zunächst sah
das auch so aus. Als nämlich am Montag pünktlich um 10.00 Uhr die
Kassen öffneten, blieb der Ansturm auf die Tickets für die
Eröffnungsgala aus. Es ging eher gemütlich zu. So gemütlich,
dass gleich zwei Kassen wieder geschlossen wurden. Erst Dienstag
normalisierte sich der Zustand wieder - mit Schlangestehen, defekten
Ticket-Automaten und allen Ungewißheiten...
Den großen Ansturm gibt es wiederum auf die neue Möglichkeit,
Reservierungen online vorzunehmen. Der ist anscheinend so groß,
dass der Server regelmäßig überlastet ist und von
3000 versuchten Reservierungen lediglich 200 pro Tag durchgeführt werden
können. Verschenkte Zeit für die User, die für die online-Tickets
sogar drei Mark Aufpreis hätten zahlen müssen.
Was war sonst?
Regisseur Steven
Soderbergh |
Nach der gestrigen "Duell"-Eröffnungspleite stand heute einer
der Oscaranwärter 2001 und schon vor seiner Wettbewerbs-Aufführung
heiss gehandelter Bärenfavorit "Traffic" von Steven Soderbergh
auf der Tagesordnung. Der Zuspruch war groß, der Berlinale-Palast voll
und der Beifall zum Schluß für Berlinale-Verhältnisse
groß. |
Bei der anschließenden Presekonferenz saß dann der Regisseur
Steven Soderbergh
mit dem "Traffic"-Produzenten Andreas Klein und plauderte gelöst über
sein komplexes Meisterwerk. Michael Douglas und seine Gattin
Catherine Zeta-Jones waren zur großen Enttäuschung nicht
anwesend. Sie hatten abgesagt.
Berlinale peinlich:
Kurz vor Beginn der Pressevorführung des italienischen
Wettbewerbsbeitrages "Le Fate Ignoranti", als die Sitzplätze
im Saal 7 des CinemaxX knapp wurden, fiel einem der Berlinale-Organisatoren
auf, dass gar keine Plätze für die Jury reserviert waren. "Wären
Sie bitte so nett, Ihren Sitzplatz in der Loge zur Verfügung zu stellen
und sich weiter vorne hinzusetzen..?"
Randnotizen 1. Tag:
Darsteller
und Regisseur des Eröffnungsfilms. Von links nach rechts: Bob Hoskins,
Rachel Weisz, Jude Law und Regisseur Annaud.
.
Gleich am ersten Tag wurde sie schon wieder gestellt: Die
Glamourfrage! Für den ersten Berlinale-Tag kann man sie durchaus
affirmativ beantworten, denn von den Hauptdarstellern aus Jean-Jaques Annauds
Stalingrad-Epos "Duell - Enemy at the Gates"
(hier die Kritik) hatte nur Joseph
Fiennes abgesagt. Die anderen kamen: Jude "Der Hübsche" Law (s.
Bild), Bob Hoskins,
Rachel Weisz
und der Regisseur Jean-Jaques Annaud. Dabei blieb es dann allerdings
auch. Mehr internationale Stars suchte man vergeblich, obwohl z.B. Kate Winslet
gerade in der Stadt weilt, da sie gestern abend die Goldene Kamera verliehen
bekam und jetzt auf ihren Auftritt bei der Galapremiere von Kaufmanns
De-Sade-Film "Quills" (außer Konkurrenz)
wartet. Stattdessen kamen die, die man schon häufig auf
Galagäste: Bernd Eichinger,
Corinna Harfouch |
und Maria Schrader,
unten: Rachel
Weisz |
Berlinale-Eröffnungen gesehen hat, aber aufgrund eines Stromproblems
beinahe gar nicht hätte sehen können: Jürgen Vogel, Maria
Schrader, Horst Buchholz, Senta Berger, Corinna Harfouch und auch Bernd
Eichinger hatte wieder die Möglichkeit sein Macho- und
Profilächeln aufzusetzen.
Interessanter war da schon der, der auch immer da war, aber (leider)
nicht mehr
lange da sein wird. Moritz De Hadeln, der Kosmopolit und Festivalleiter,
der gegen seinen Willen aus seiner Position entfernt wird. Der De Hadeln,
der immer wieder kritisiert wurde für entweder zu schwachen Starauftrieb
oder zu großes Übergewicht amerikanischer Beiträge im Wettbewerb.
Genau dieser De Hadeln wurde am Eröffnungstag seiner letzten Berlinale
oft gefragt, ob er traurig oder wehmütig sei und wie er über seinen
Nachfolger denke. Doch De Hadeln wiegelte ab, sagte nichts. Das ist durchaus
beeindruckend, wie konsequent er sich zurückhält und wie unsentimental
er seine letzte Berlinale, seinen letzten Wettbewerb, nach über
20 Jahren über die Bühne bringen will und sicherlich auch wird.
In den Eröffnungsreden des neuen Kulturstaatsministers
Nida-Rümelin und des Berliner OB's Eberhard Diepgen wurden die
Verdienste De Hadelns um die herorragende Organisation eines der drei
größten Festivals der Welt hervorgehoben. Und sie hatten durchaus
Recht. Wie stand es gestern so passend im Tagesspiegel: Nur wer den Streß
von Cannes und das Chaos von Venedig kennt, weiß seine Verdienste zu
würdigen...
P.S. Der Raum der Pressekonferenzen hat ein neues Design: Die Rohre
und gelben Vorhänge des vergangenen Jahres sind einem Interieur gewichen,
das irgendwo zwischen Disney-Land und Kitschgrotte angesiedelt ist.
Seltsam...
Berlinale peinlich:
Sat1-Moderatorin: Jude, Sie sind jetzt bereits zum zweiten Mal bei
der Berlinale...
Jude Law: Zum dritten Mal...
Sat1-Moderatorin: Ach, zum dritten Mal... Sie haben ja letztes Jahr
drei Monate hier in Berlin vor der Kamera gestanden...
Jude Law: Vier Monate...
Sat1-Moderatorin: Können Sie vielleicht etwas auf Deutsch
sagen?
Jude Law: Tut mir leid, ich habe nicht geübt... |