Im Herbst letzten Jahres haben sie ihn öffentlich
gescholten, den neuen James Bond alias Daniel Craig. Im November wird man
seine Qualitäten im Agentenstreifen Casino Royale beurteilen
können. Jetzt ist der coole Brite bereits auf DVD zu haben: in dem
Gänsehaut erzeugenden Psycho-Thriller Enduring Love.
Der Film eröffnet mit einem Landschaftspanorama wie auf einem
impressionistischen Gemälde. Das satte Grün der Wiesen und Bäume
kontrastiert im Sonnenlicht mit dem Meerblau des Himmels. In diesem Idyll
bewegen sich, wie mit beiläufigem Strich retuschiert, ein Mann und eine
Frau auf der Suche nach der perfekten Stelle für ein Picknick.
Er breitet die Decke auf der Wiese aus, reicht ihr einen Plastikbecher und
packt eine Flasche Champagner aus. Lautlos, mit einem schmalen schwarzen
Schatten als Vorboten, schwebt in diese Zweisamkeit wie in Zeitlupe ein riesiger
roter Fesselballon und schlägt, wenige Meter von den beiden entfernt,
hart auf dem Boden auf. Es kommt zu einem schrecklichen Unfall, an dem mehrere
Personen beteiligt sind, und die Beziehung von Joe (Daniel Craig) und Claire
(Samantha Morton), dem Paar auf der sommerlichen Wiese, verändert sich
von Grund auf.
Enduring Love basiert auf einem Roman des britischen Autors Ian
McEwan und ist 1998 unter dem Titel Liebeswahn auf Deutsch
erschienen. Der Autor nimmt auf der DVD zu der Adaption Stellung: (Sie)
ist ein gutes Stück vom Buch entfernt, aber der Geist blieb zum Teil
erhalten. In dem fabelhaft fotografierten und hoch spannend inszenierten
Film von Regisseur Roger Michell der Julia Roberts und Hugh Grant
in Notting Hill vereinte und Daniel Craig in Die Mutter
2003 eine Affäre mit einer Sechzigjährigen eingehen ließ
geht es um subtile und krankhafte Formen von Besessenheit. Eine emotionale
Palette, die in den Filmen, in denen der Schauspieler Daniel Craig eine Rolle
spielt, mit abgestuften Nuancen häufig auftaucht.
Titel gebend war dieser Seelenzustand 1997 in der Dreiecksgeschichte
Obsession von Regisseur Peter Sehr, der den heute 38-jährigen
Craig mit der Schauspielerin Heike Makatsch auf der Leinwand und im Leben
zusammenführte. Der krampfhaft mit Bedeutung aufgeblasene Film war schnell
vergessen; ein Jahr später erschreckt Craig in seiner Funktion als mordender
Mönch in Elizabeth die gleichnamige Königin (Cate
Blanchett) in den schlecht beleuchteten Gängen ihres Palastes. Strammen
Schrittes und mit wehender Kutte bewegt sich Craig auf Ihre Majestät
zu, die dem Anschlag knapp entgeht.
Als Paul Newmans Sohn, respektive verschlagener Sprössling des
Gangsterbosses, der von demselben in Regisseur Sam Mendes Road
to Perdition 2002 verkörpert wird, verfeinerte Craig sein Spektrum
als eifersüchtiger psychotischer Killer. Zuvor hatte er schon mehr oder
weniger galant versucht, Angelina Jolie in Lara Croft: Tomb Raider
aufs Kreuz zu legen, scheiterte aber an dieser taffen Gegnerin.
Craigs Debüt 1992 in der in Südafrika angesiedelten Produktion
Im Glanz der Sonne als rassistischer Sergeant hätten weitere
Rollen in dieser Richtung folgen können. Doch dem Stereotyp als
Bösewicht schlug der Brite ein romantisches Schnippchen: In der
Disney-Verfilmung Knightskater Ritter auf Rollerblades
gibt er 1995 in einer nicht weiter erwähnenswerten Nebenrolle den in
die Prinzessin (Kate Winslet) verliebten Ritter in Strumpfhosen und mit
Topfschnitt.
Halb Mönch, halb Killer, so beschreibt der muskelbepackte
Daniel Craig im aktuellen Trailer zu Casino Royale die Erwartung
an ihn als Agenten im Dienste seiner Majestät. Dass er neben dem Part
als Gangster auch den des Gentlemans übernehmen kann, wissen wir seit
seinem scharfen Auftritt in dem britischen Gaunerfilm Layer Cake
2004. Wer gesehen hat, wie Craig im braunen Nadelstreifenanzug, mit legerem
weißem Hemd darunter, die Haustür hinter sich schließt,
in sein Auto steigt und losfährt, weiß, dass er sich hier für
die 007-Nachfolge qualifizierte, trotz blondem Schopf und stahlblauer Augen.
Sein Umgang mit Frauen lässt aber zu wünschen übrig. James
Bond würde Sienna Miller, das verführerische Luder aus Layer
Cake, nie und nimmer in Strapsen vorm Bett stehen lassen. Aber bis
November bleibt ja noch Zeit zum Üben. Und die Knutschszenen aus dem
bereits erwähnten Trailer mit Bond-Girl Eva Green sowie die himmelblaue
Badehose am Astralleib des neuen Agenten verheißen nur Gutes.
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Kurz belichtet: Daniel Craig
Geboren 1968 in Chester, aufgewachsen in Liverpool. Besuchte in London die
Schauspielschule. Seit Anfang der 90er-Jahre Rollen im Theater, in Film und
Fernsehen, tummelt sich ohne Berührungsängste im Independent- und
Mainstream-Kino. Wurde 2005 Nachfolger Pierce Brosnans und spaltete 007-Fans
in Lager: pro und
contra. Am 23.11.
startet Casino Royale. Für die Darstellung in Enduring
Love wurde Craig von Londoner Filmkritikern als Bester britischer
Schauspieler des Jahres geehrt. |