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Ausstellung Douglas Gordon: The VANITY of Allegory
(Guggenheim Berlin, 16.7. - 9.9.2005)

Eine Kritik von Ekkehard Knörer

 

Alles meins. Alles ich. Ich ist ein anderer. Ich ist viele andere. Die Ausstellung als Allegorie eines egopetalen oder egofugalen Rezeptionszusammenhangs. In den Spiegel, der den kleinen Ausstellungssaal des Berliner Guggenheim-Museums vom Kino trennt, in das ein Durchbruch ohne Tür führt, blicken wir. Wir sehen, etwas verzerrt, uns und die Schrift an der Wand, Ashes to Ashes, die von Laurence Weiner stammt. Sie findet sich an der Spiegelgegenwand. Dazwischen erstreckt sich der Raum der Kunst des Douglas Gordon, der sich hier eine künstlerische Genealogie zusammenkuratiert.

Der Kurator als Künstler, der Künstler als Kurator, Kunst als Beziehungsreichtum, idisynkratische Mixtur der Dinge, in denen ich mich spiegle. Oder erkenne. Oder finde. Diese Bewegung: Im anderen sich finden. Das zeigt sich dann am eigenen. Die Polaroids im Stil von Andy Warhol hängen neben den Polaroids von Andy Warhol. Die Polaroids von Andy Warhol zeigen Andy Warhol, geschminkt, mit Perücke, als Frau. In den Polaroids von Andy Warhol, auf denen Andy Warhol kaum wiederzuerkennen ist, erkennt Douglas Gordon sich und seine Kunst. Ohne diesen Akt und diesen Gestus des Sich-Erkennens in dem, das er nicht ist, ist, sagt Gordon, meine Kunst nicht zu denken.

Louis XIV von Jeff Koons steht im Raum, das glatte Gesicht aus Metall, in dem man sich nicht spiegeln kann, das man aber anfassen möchte, wie man die scheußlich glatten Oberflächen von Koons immer anfassen möchte als wären sie zarte Haut. Auch im Gemälde von Pietro Perugino (1493-94) erkennt Gordon sich, oder etwas, das er als Ich ausstellen kann. Genauer gesagt, genau gesagt: Im Pfeil, der den Hals des Heiligen Sebastian trifft (nicht die zarte Haut hier, die man streicheln möchte, sondern ein Akt des Durchstoßens, des Ritzens wenigstens), die Signatur des Künstlers, verkehrt herum: "Petrus Perusinus pinxit." Nicht aber Gordon, der in einen schwellenden Rahmen eine digitale Kopie des Gemäldes hängt, die einigermaßen echt aussieht. Oder Duchamp, der sich für das fotografische Bild seiner selbst den Kopf kahl scheren lässt, eine Perücke aufsetzt. Erst ritzt der Pfeil das Ich, die Haut des Heiligen, dann proliferieren die Bilder von Künstlern, die Ich immer nur sagen können, indem sie ein anderer sind, wenn nicht viele.

Wo das Ich sich spiegelt, ist die Eitelkeit nicht weit. Von diesem Sachverhalt die Vanity des Ausstellungstitels: The Vanity of Allegory. Aber auch der ist noch einmal verdreht; denn an Allegorien der vanitas, der Eitelkeit des Seins, die sich in der Eitelkeit des Ich zu falschen Triumphen aufschwingt, fehlt es nicht. Natürlich ist da Mapplethorpe, sein weißes Gesicht im schwarzen Grund, Todesgrund, der Stock mit dem Totenkopf in der rechten Hand. Eine apotropäische Aneignung: Der Tod, der sich mir nähert, bin ich. Allegorie der Eitelkeit und Eitelkeit der Allegorie. Dem Tod ins Angesicht sehen, indem man, allegorisch, selber Tod wird. Diese Geste, für Mapplethorpe eine gültige, eine letzte Geste, eignet Douglas Gordon sich an. Sein Kunst kuratorischer Appropriationen ist auch eine der Versteinerung, der Mortifikation: Roni Horns tote Eule, gedoppelt. (Wie die Kopie hier nicht als Agent der Unheimlichkeit auftritt, sondern als letztes, aber in der Dopplung sich selbst banalisierendes Wort.) Auch der Koons. Der Spiegel.

Das Ich der eitlen Allegorie sieht immer nur sich selbst, in allen Werken. Und weiß davon. Und erzählt davon. Immunisiert sich, dies die letzte Geste einer solchen Bewegung, gegen jede Kritik, weil sie, als identifikatorische Aneignung jeder Nicht-Identität, sich immer schon als Gruppenbild präsentiert. Ein jeder mögliche Vorwurf ist im Porträt schon antizipiert. Der Titel sagt es. Mit der einen Hand dekonstruiert Gordon die Allegorie, um sie mit der anderen Hand durch die Souveränität seiner Dekonstruktion als dekonstruktive Allegorie wieder zu errichten. Als ließe sich, das muss man dann doch etwas kopfschüttelnd einwerfen, der Tod dekonstruieren. Douglas Gordon geht da zu weit. Oder anders gesagt: Vor dem Tod bleibt eine Scheißangst. Leer aus geht zuletzt, möchte man, als advocatus ultimi, dann doch einwerfen: die Allegorie; dies ihre eigentliche Vergeblichkeit.

Bleibt noch das Kino. Man verlässt den Spiegelraum und findet, im Dunklen und Roten, umwabert vom Mischmasch eines katastrophalen Sounds, nun auch das Kino als etwas, in dem Gordon sich erkennt. Der Zufall will es (und hier ist dann doch ein, in Maßen, aleatorisches Moment im Spiel), dass Albert Lewins Dorian Gray zu sehen ist, an diesem Sonntag Nachmittag. Es laufen viele andere Filme, auch das hat Gordon noch kuratiert (von Fountainhead bis The Searchers, von All About Eve bis Satyricon), aber wahrscheinlich ist der Dorian Gray doch das perfekte Exempel zur Ausstellung: Vertrackte Allegorie der Eitelkeit, der Todesangst. Die Wahrheit über Dorian Gray befällt seinen Körper im, als Moment seines Todes. Die Kunst, die lang ist, wird rückinfiziert mit dem strahlenden Schein. Die restitutio in integrum im Bild, das bleiben wird, allegorisiert den Doppelcharakter der Eitelkeit: Die Vergeblichkeit im Angesicht des Todes, der Sieg der Eitelkeit in der, durch die Kunst. Die Wahrheit, die die Geschichte wäre, wird ins Zeitlose gelöscht. Die Narration – des Romans, des Films – freilich sträubt sich gegen die Abschlussgesten des Bildes, indem sie die Geschichte des Bildes zur Ansicht freigibt. So jedenfalls kommt, im Film, die Allegorie anders ins Spiel.

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