Der schöne Tag
D 2000 Rezension von Ekkehard Knörer Der schöne Tag von Thomas Arslan ist ein kurzer Film über die Liebe, ein Beinahe-Essay, der eine Geschichte erzählt. Komprimiert auf einen Tag werden wichtige Momente im Leben der jungen Deutsch-Türkin Deniz, wird so der Stand der Dinge dieses Lebens, vorgeführt: sie trennt sich von ihrem Freund, sie lernt einen anderen Mann kennen, sie spricht im Synchronstudio eine der Frauen in Eric Rohmers Sommererzählung,sie erfährt von ihrer Schwester, dass sie schwanger ist, sie spricht bei einem Casting vor, sie unterhält sich mit ihrer Mutter über den verstorbenen Vater, sie trifft im Café eine Professorin, die neuere Ansichten über die gegenwärtigen und vergangene Liebesdiskurse berichtet. Der schöne Tag ist ein Film, der dem Prinzip Bewegung gehorcht - und er ist darin das gerade Gegenstück zu Schanelecs auf den ersten Blick artverwandtem Mein langsames Leben. Unterwegs durch diesen Tag ist zum einen Deniz, die Kamera folgt ihr auf den Gängen durch die Straßen und Parks von Berlin, auf den Fahrten in U-Bahn, Straßenbahn, S-Bahn. Oft geschieht nichts Besonderes, außer dass sich Deniz eben fortbewegt - für den Film jedoch wird diese stille Dynamik zum Generalbass, zu dem Arslan die Ereignisse komponiert, Momente des Stillstands, der Ruhe, des Gesprächs, die jedoch stets in den Fluss des Unterwegs- und Unentschieden-Seins zurückmünden. Konsequent endet der Film mit einer Einstellung in der U-Bahn, die die Geschichte auf eine Zukunft öffnet, eine Weiter-Bewegung. Die Komprimierung, die Arslan vornimmt, bedeutet so Verdichtung bedeutsamer Ereignisse (und damit Verfremdung des Alltags), aber nicht Abschließung, nicht Zwang zur Abrundung einer Geschichte. Es geht dem Film um mehr und anderes als schein-dokumentarische Alltäglichkeit, er hat den (gelegentlich überdeutlich) entschiedenen Willen zu Stilisierung und Reflexion. Es ist kein Zufall, natürlich nicht, dass Deniz gerade Rohmer synchronisiert, und zwar gerade Rohmers Sommererzählung, die einen Mann zwischen zwei Frauen zeigt und dabei das Problem der Entschiedenheit und Entscheidbarkeit von Liebesdingen umkreist, während Deniz sich hier zwischen zwei Männern bewegt. Der Text, den sie spricht, könnte auch aus Arslans Film stammen: Rohmer wird so einerseits als Vorbild markiert, andererseits aber recht geschickt zum Ort der Reflexion. Diese Reflexion als die auf Authentizität des Liebesausdrucks, der Sprachen der Liebe, aber auch des Verhaltens der Schauspielerin - die hier ganz zwanglos für uns alle steht - im Alltag, die Unsicherheit darüber, wo das, was man für sich selbst hält, in Rollenspiel übergeht, wird gleich zweimal fortgesetzt. Im Gespräch, zum einen, mit Diego, dem Mann, den Deniz "unterwegs" kennenlernt, im Monolog der von Elke Schmitter gespielten Professorin zum anderen, die den aktuellen Forschungsstand in nur noch minimaler Einbindung in die Filmhandlung wiedergibt. Der Film bewegt sich mit heftigeren Ausschlägen zwischen den Polen von Realismus und Formalisierung als Schanelecs um einiges souveräneres Meisterstück Mein langsames Leben. So setzt Arslan weit weniger auf strenge Kadrierung, auf Aufhebung in der Form als Schanelec, nähert sich mit seinen Bildern immer wieder ans Dokumentarische an, entfernt sich dann aber, in den auf alle Prätention der Natürlichkeit verzichtenden Dialogen, schließlich im Schmitter-Monolog, umso entschiedener in Richtung des anderen, des Essay-Pols - da wird dann klar, warum Dank im Abspann auch an Harun Farocki geht. Manchmal ist diese Kluft problematisch, es drohen die Figuren, in erster Linie natürlich Deniz, zerrieben zu werden zwischen dem Lebensechten und dem Denkbild, zu dem sie durch ihre Sprache, durch die Konstellationen modelliert werden. Allein die Tatsache aber, dass er diese Gefahr sucht, sich in diesen komplexen Raum vorwagt, macht den Film sehenswert. Der Versuch ist darüber hinaus vielfach gelungen - und auch im Ungelenken des Misslingens noch interessant. |