Eine Frau ohne Mann, eine Tochter ohne Mutter, eine Mutter
ohne Hemmungen, ein Vater ohne Plan, ein Bruder ohne Skrupel: macht einen
Film ohne Makel. Regisseur Stéphane Vuillet hat das mittlere Wunder
fertig gebracht, mit Geldern aus Frankreich und Belgien, Darstellern aus
Spanien, Belgien und der Ukraine und einem schrägen Konzert vier schön
durcheinander gesprochener Sprachen nicht etwa einen Europudding anzurichten,
sondern die bezauberndste Creme Brulée, die zum Abschluss der Berlinale
in den letzten Jahren gereicht wurde.
Die Geschichte, der man den Charme der Ausführung keineswegs
ablesen kann, geht dabei so: Sonia, Mathematiklehrerin aus der Ukraine, sucht
in Brüssel ihren vor Jahren dorthin abhanden gekommenen Mann. Sie soll
abgeschoben werden, wird aber von Aktivisten befreit. Sie läuft Miguel
in die Arme, dessen Frau sich nach New York aufgemacht hat, jetzt steht er
da mit seiner kleinen Tochter und seiner redseligen Mutter, als
unzuverlässiger Angestellter seines Bruders, der ein Reisebüro
betreibt. Am Ende sind sie alle vier unterwegs, auf der Suche, gestrandet
in mehr als einer Hinsicht und raufen sich zusammen zu einem Happy End von
der Sorte, die man nur den gewitztesten Filmen durchgehen lässt.
Filmen, bei denen es schon mal passieren kann, dass das Thermometer
am 12. Januar auf sagenhafte 25 Grad steigt. Oder dass ein Mann, der rennt
(Miguel), durch puren Zufall vor einem Werbeplakat zu stehen kommt, auf dem
ein Mann zu sehen ist, der rennt. Das hat nicht die mindeste Funktion in
der Erzählung, das platzt rein in diesen Film, aus heiterem Himmel und
verschwindet wieder, wie eine Seifenblase, die in Nichts zergeht. Und es
ist genau das, was am allermeisten einnimmt für 25 degrés
en hiver, was auch die vielleicht zweimal zu oft gezeigten Kulleraugen
der Tochter auf der Stelle verzeihen lässt: diese unbändige Lust
des Buchs am Detail. Wo Ken Loach seinen Besinnungsaufsatz streng, fast lustlos
exekutiert, da fällt der Blick hier ein ums andere Mal da hin, wo er
nicht hingehört. Auf ein ausgestopfte Katze etwa, auf einen Torero inmitten
wenig interessierter Kühe, auf Carmen Maura pinkelnd im Gras. Der Film
erlaubt sich Scherze wie den Auftritt von Altenheimbewohnern als Zombies
und demonstriert damit die der Komödie, die er sein will,
gemäße Entschlossenheit, für einen gelungenen Gag noch seine
Großmutter zu verkaufen.
Und anders als die ersten Bilder fürchten lassen
sie zeigen das Kommando der Anti-Deportations-Liga in Aktion will
Stéphane Vuillet einem, im Gegensatz zu den unerträglicheren
Topicals dieses Festivals, keineswegs eine Botschaft
überbraten, ja, er will einem nicht mal das Herz brechen. Der Film ist
stattdessen ganz Auge, ganz Ohr für Nebensächlichkeiten, in denen
sich Hauptsachen spiegeln, gebrochen ins Alltägliche und Komische und
dabei verblüffend Konkrete. Kein anderer Film des Wettbewerbs informiert
so präzise über die Hungerlöhne, die heutzutage gezahlt werden,
und nicht nur in Reisebüros. Kein anderer Film nimmt im Sprung die Distanzen
von der Ukraine über Belgien nach Spanien und New York, nebenbei noch
von Wallonien nach Flandern, von jung zu alt, von der Großstadt zum
flachen Land, von genau hier nach überall. Kein Grund, seine
Leichtfüßigkeit gegen die schwierigeren Meisterstücke im
stärksten Wettbewerb seit Jahren auszuspielen. Aber das reine
Vergnügen, das ist 25 degrés en hiver allemal.
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