Jump Cut Theaterfilme
__________________
Magazin für Film & Kritik

Impressum

 

 
 
 
 
 

 

 

..
.

Theaterfilme 5: All About Eve (Joseph L. Mankiewicz, USA 1950)
 
Von Stefanie Diekmann


  

 

 
Eine der simplen und zugleich entscheidenden Wahrheiten über den Theaterfilm lautet, daß die meisten Theaterfilme Filme über Schauspielerinnen sind. Das Genre hat ein Gender, vgl. so bekannte Beispiele wie "Sein oder Nichtsein", "Kinder des Olymp", "Opening Night" oder "Die letzte Métro", und die paar Ausnahmen, die sich auch in diesem Fall finden (eine davon: "A Double Life", eine andere: "Mephisto") sind, wie immer, solche, die die Regel bestätigen. Es ist die Schauspielerin, über die das Verhältnis zum Theater reflektiert, ausgehandelt, in Szene gesetzt wird, sowohl aus der Figurenperspektive wie aus der der Regisseure (Theaterfilme von Frauen? Vergessen Sie's), und es könnte sein, daß sich die Aushandlung nirgendwo so ausführlich und so hinterhältig gestaltet hat wie in Mankiewiczs "All about Eve".

All about Eve, das heißt zunächst: alles über Eve Herrington, Inkarnation der jugendlichen Naiven in allen Auftritten auf und abseits der Bühne. Es heißt aber auch: alles über die Schauspielerin "an sich", der man hier in ihrer ganzen unverfälschten Falschheit begegnet; und weiter: alles über die Vertreterinnen des schönen Geschlechts, die nicht immer Eva heißen, in Eve, ihren Machinationen und ihren Verstellungen, aber etwas wie eine zentrale Repräsentantin erhalten sollen; schließlich: alles über Weiblichkeit, die in ihrer niederen Form viel und in ihrer wahren nichts mit Schauspielerei zu tun hat, wie an einer anderen Figur demonstriert wird, die Mankiewicz gegen Ende aus den Beklemmungen einer theatralen Daseinsweise erlöst. Mit Ausnahme von George Cukors "The Women" (1939), hat Hollywood vielleicht keine zweite Produktion hervorgebracht, die so misogyn und zugleich so elegant wäre; ein Miststück von einem Film, immer unterhaltsam, immer perfide, dabei gar nicht besonders raffiniert, was sich unter anderem darin äußert, daß bestimmte Dinge gern mehr als einmal erzählt werden.

Aus der Schatzkiste misogyner Sprüche stammt auch der, daß hinter jeder starken Frau eine andere stehe, die nichts anderes im Sinn habe, als sie zu Fall zu bringen. Mankiewicz, der neben der Regie auch für das Drehbuch von "All about Eve" verantwortlich zeichnet, macht daraus die Geschichte der großen Schauspielerin Margo Channings (Bette Davis), die eine theaterbegeisterte Schwärmerin (Anne Baxter) zu ihrer Assistentin und Gesellschafterin macht und peu à peu entdecken muß, daß die andere alles daran setzt, sich Margos Rollen, ihren Erfolg, ihren Liebhaber, ihr Können, ihre Allüren und ihr Leben anzueignen. "She studies you", sagt Birdie, die Garderobiere, an einer Stelle, "like a book or a picture", und weil dieser Hinweis ein wenig spät erfolgt und die Schauspielerin bis dahin nicht allzu wachsam gewesen ist, wird Eve sogar Erfolg haben, wenn auch (der Film läßt daran keinen Zweifel) nur für eine gewisse Zeit und zu Bedingungen, die bereits eine Strafe darstellen.

Eve will haben, was Margo hat. Margo wiederum, so ihre unscheinbare Freundin Karen (Celeste Holm) hat eigentlich alles, will es aber nicht so recht und wiederholt bei mehr als einer Gelegenheit, es stelle sie nicht zufrieden, "just Margo Channings" zu sein. Was sie statt dessen will, scheint sie zunächst nicht sagen zu können und lernt erst nach ein paar bitteren Erfahrungen, es auszusprechen: einen Mann, ein Heim, eine Ehe, mithin alles, was bereits die Existenz von Karen ausmacht, die keine Schauspielerin ist und mit keinem besonderem Ehrgeiz ausgestattet, aber (auch dies einer der Hinweise des Films) gerade darum glücklicher als alle Frauen, denen man in dieser Geschichte sonst noch begegnet. Hier wie anderswo ist "All about Eve" lupenreiner Rousseau, i.e. ganz darauf angelegt, Theater und Weiblichkeit zunächst über das Moment Verstellung / Verführung zusammenzudenken, um dann klar zu machen, daß die Frau nach wie vor am besten zu Hause aufgehoben ist: zu ihrem eigenen Besten, aber auch zum Wohl des anderen Geschlechts, das durch die Begegnung mit so viel potentieller Unaufrichtigkeit allzu leicht verwirrt würde.

Eve, die nicht zu Hause bleibt und sich am Ende in Richtung Hollywood verabschiedet, erscheint in diesem Spiel als eine besonders abgründige Figur. Scheinbar mit allen wünschenswerten Eigenschaften ausgestattet, ist ihr die sanfte, gefügige Weiblichkeit nichts als eine Rolle auf Zeit - eine Maske, hinter der ein wahres Gesicht auftaucht und wieder verschwindet, ganz wie es die Situation gebietet. Bezeichnenderweise sind es nicht die Theatermacher - die Schauspielerin, der Regisseur, der Produzent oder der Stückeschreiber -, die als erste über diese Doppelgesichtigkeit orientiert sind, sondern vielmehr jene, die auf die Bühne von sehr weit außen blicken: die Garderobiere Birdie, Spezialistin für sämtliche Vorgänge hinter den Kulissen, vor allem aber der Theaterkritiker Addison de Witt (George Sanders), der über Aufstieg und Fall eines Bühnenkünstlers mit ein paar Sätzen in seiner Theaterkolumne entscheidet, der das Theater liebt und von allen gehaßt wird, und der als Kommentator eingesetzt ist, um die Geschichte Eve Herringtons (deux ou trois choses je sais d'elle ...) in einer langen Rückblende zu aufzurollen. Am Ende, wenn die Erzählung abgeschlossen scheint und sich der neue Star der Bühne nach einer Preisverleihung in sein Hotelzimmer zurückzieht, wird dort bereits die nächste Aspirantin warten: noch eine Eva, noch eine Intrigantin - wie Lubitsch, Renoir, und ein paar andere weiß auch Mankiewicz, daß sich Geschichten über das Theater am besten im Modus der Wiederholung erzählen.

 
 

 

zur Theaterfilm-Startseite

 
 
 
Globe Theatre

 

 

 

.

.