Jump Cut Theaterfilme
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Magazin für Film & Kritik

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Theaterfilme

Von Stefanie Diekmann
 
 
Theater im Film, gefilmtes Theater, Filme über das Theater, Theaterfilme: Das könnten drei, vier oder mehr Genres sein, das eine nicht ohne Schwierigkeiten gegen die anderen abzugrenzen, aber Abgrenzung interessiert hier auch nur sekundär.

Entscheidend vielmehr die Beobachtung, daß der Film nicht oder jedenfalls nie ganz vom Theater lassen konnte, auch wenn v.a. die frühe Filmtheorie (Eisenstein & Co.) zu nichts anderem geraten hat. Das Theater ist geblieben oder wiedergekehrt - als Modell, Sujet, Dispositiv, Phantasma, etc. -, und wenn es umgekehrt etwas wie eine Mythologie des Theaters gibt, hat das Kino daran keinen geringen Anteil. Es ist sogar möglich, daß ein bestimmte Weise, "Theater" vorzustellen oder zu spielen, nirgendwo mehr existiert, außer eben in den Filmen, die Geschichten vom Theater erzählen.

Welche Geschichten aber erzählen sie? Und wie stellt sich Theater von Film zu Film dar? In Kritiken und Essays, die ab November 2003 mehr oder weniger regelmäßig erscheinen werden, verfolgt diese Website, was die eine Kunst mit der anderen anzufangen wußte, welche Bilder sie von ihr in Umlauf gebracht und welche Ideen sie zu ihr entwickelt hat.
 

 
 
Quand la mer monte (Yolande Moreau, Gilles Porte, F 2004)

Als Theaterfilm stellt er eine Ausnahme dar, ganz einfach, weil sich in diesem Genre kaum jemand für die Sparte "Kleinkunst" interessiert, die Bühnenauftritte in QUAND LA MER MONTE aber ohne jeden Zweifel in dieser Sparte angesiedelt sind, und auch sonst relativ viel Zeit darauf verwendet wird, einen Berufsalltag zwischen Kulturzentren, Jahrmarktzelten, dem Festsaal eines Altenheims und einem "Festival des Lachens" irgendwo in der Provinz zu porträtieren.

Louis Malle: Wanja auf der 42. Straße (USA 1994)

Überhaupt wäre es schwierig, dem, was Theater heißt, hier eine Grenze zu bezeichnen, erstens, weil man sich nach einer kurzen Eingangssequenz (Schauspieler, die von der Kamera in der Menge aufgegriffen werden) für den Rest des Films in den geschlossenen Raum des Theatersaals begibt; zweitens, weil dieser Raum selbst nicht parzelliert ist und die vertrauten Einteilungen – eine Bühne, auf der agiert wird, ein anderer Ort, der den Zuschauern reserviert ist – in diesem Fall nicht vorhanden sind.

Jean Renoir: Die goldene Karosse (F 1953)

Eine andere Lesart des Theatralen: Kulissenhaftigkeit, Draperien, Fassaden, Konstrukte, Staffagen, wohin das Auge blickt. Das Ganze bevölkert mit Akteuren, die manchmal eine Perücke tragen und immer ein Kostüm, so wie sie auch immer einen Text zu sprechen und eine Rolle zu gestalten haben, was sie mit mehr oder weniger Grandezza tun.

Ernst Lubitsch: Sein oder Nichtsein (USA 1942)

Von Stefanie Diekmann

Dies ist ein Film der Auftritte, vieler Auftritte, von denen zwei aus der Luft erfolgen und alle anderen konventionell, das heißt: durch Türen. Bühnentüren, Toilettentüren, Wohnungstüren, Türen ins Schlafzimmer und Türen in den Zuschauerraum, Türen mit Ordonnanzen davor, Türen, hinter denen ein totes Double wartet, gepolsterte Türen, vergitterte Türen, bewachte, belagerte und solche, über denen man noch schnell das Schild ausgewechselt hat.

All About Eve (Joseph L. Mankiewicz, USA 1950)

Am Ende, wenn die Erzählung abgeschlossen scheint und sich der neue Star der Bühne nach einer Preisverleihung in sein Hotelzimmer zurückzieht, wird dort bereits die nächste Aspirantin warten: noch eine Eva, noch eine Intrigantin - wie Lubitsch, Renoir, und ein paar andere weiß auch Mankiewicz, daß sich Geschichten über das Theater am besten im Modus der Wiederholung erzählen.

Scaramouche / Scaramouche, der galante Marquis (George Sidney, USA 1952)

Von Stefanie Diekmann

Die deutsche Fassung des Titels ist, wie so oft, irreführend: weder ist Scaramouche galant noch ist er ein Marquis; genaugenommen hat er überhaupt keine Identität außer jener sehr begrenzten, befristeten, die ihm das Spiel auf der Bühne gewährt.

Opening Night (John Cassavetes; USA 1977)

Vielleicht gibt es keinen Film, in dem das Theater so ernst genommen wird wie in diesem; das gilt jedenfalls für die, die hier Theater machen. Exzessivität der Forderungen, Exzessivität der schauspielerischen Hingabe: Man leidet Schmerzen, im Theater und um seinetwillen, man hat Zu-sammenbrüche, halluziniert, säuft sich fast zu Tode; man macht das Theater zum Schauplatz einer Krise und sucht in ihm zugleich seine Rettung; man zerbricht an ihm, man ist süchtig nach ihm, man überlebt es, wie alle ernsthaften Gefahren, bisweilen nur wie durch ein Wunder.

 
Louis Malle: Mein Essen mit André (USA 1981)

Ein Spielfilm, fast wie andere, sein Plot der Ablauf einer asymmetrisch organisierten Begegnung. Einer spricht und einer nickt; einer hat Geld, der andere nicht, und einer wählt aus der französischen Speisekarte aus, die dem anderen erst übersetzt werden muss. Es sind Dinge wie diese, die an Mein Essen mit André auffallen, ohne dass ganz klar wird, ob und wie weit sie nach Auffassung des Regisseurs und seiner Autoren / Darsteller wichtig zu nehmen sind.

Mel Brooks: Sein oder Nichtsein (USA 1983)

Ein unerfreulicher Film, und das ist noch zurückhaltend formuliert. Das Verhältnis, das Mel Brooks' Sein oder Nichtsein zu der berühmten Vorlage von 1942 unterhält, ist weder eines der Nachahmung noch eines der Überbietung, sondern eine Mischung von beidem: in manchen Momenten sklavische Kopie, in anderen (den meisten) bemüht, witziger, spannender, mit einem Wort: besser zu sein als das Original, was insgesamt 106 Minuten in Anspruch nimmt und nicht eine einzige lang unterhaltsam ist.

In the Bleak Midwinter (Winternachtstraum, Kenneth Branagh, GB 1995)

Von Stefanie Diekmann

In der langen Geschichte der Konkurrenz zwischen Film und Theater, die das Genre des Theaterfilms immer wieder reflektiert hat, ist dies ein krudes und zugleich interessantes Beispiel. Angelegt als Rückkehr zum Wesentlichen, als Hommage und Liebhaberprojekt zwischen zwei Großproduktionen, verwandelt er sich unter der Hand in ein kleines Monster der Vorabenddramaturgie: Hamlet als Heuler für diejenigen, von denen Branagh annimmt, daß sie eigentlich nicht ins Theater gehen.

George Cukor: A Double Life (USA 1947)

Wenn je ein Film daran gearbeitet hat, den Beruf des Theaterschauspielers zu pathologisieren, dann ist es dieser, der seinen Helden als durch und durch schizophrene und eben deshalb exemplarische Existenz präsentiert - ein "warnendes Beispiel", ein "unglücklicher Fall", und auf der anderen Seite ein Darsteller, der seine Arbeit mit aller gebotenen Hingabe betreibt.

The Actress / Theaterfieber (George Cukor; USA 1953)

In diesem Theaterfilm (es ist einer; ohne Zweifel) bleibt der Übertritt in die Welt jenseits des Zuschauerraumes über das letzte Bild hinaus suspendiert. Was auf die erste Szene folgen könnte - das Vorsprechen, die Talentprobe, die Auftritte, die Triumphe etc. -, findet nicht statt, und wenn, dann höchstens in der Phantasie der Hauptfigur, die viel vorhat und kaum etwas zustande bringt, sieht man von zwei Besuchen hinter die Bühne ab.


 
 
 
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