Eröffnung mit einem Bravourstück. Ein Sich-Sammeln
von Spannungen und Bewegungen, Hinweisen auf einen Plot, vor allem aber das
Schleichen der Kamera: Sie bewegt sich mit der langsamen Eleganz einer
großen, schweren Schlange eine Straße entlang, eine Hauswand
hinauf, sie erhebt sich in die Luft, nähert sich einem Fenster, der
Rahmen entzieht sich in der Vorwärtsbewegung des Schlangenkopfes dem
Blick, wir sind nun (von außen) im Zimmer, eine Tür links geht
auf, eine weitere im Hintergrund, plötzlich ist der Raum recht voll,
aber dieser Aufenthalt des Blicks im Zimmer bleibt provisorisch, der Körper
dieses Blicks ist außerhalb, draußen, unten, auf der Straße.
Die Kamera, die sich erhebt und schleicht, fliegt nicht, das ist anders als
in den Anfangseinstellungen von Hitchcocks "Psycho", in denen die Kamera
erst einen Überblick gibt, über eine ganze Stadt, dann sich bewegt,
zoomend, auf ein Gebäude, ein Stockwerk, ein Fenster. Die flüssige
Bewegung von außen nach innen, eine fliegende Bewegung, wird, kaum
merklich, mit einem sanften Schnitt, der freilich, wäre die Kamera bei
Hitchcock nicht etwas, das fliegt (und keine Schlange), bei aller Sanftheit
den Kopf vom Rumpf trennte, diese Bewegung wird also über die Unterbrechung
eines kaum merklichen Schnitts hinweg fortgesetzt in das Zimmer hinein.
Phänomenologisch aber ist das ein Unterschied ums Ganze, ein fliegender,
ein schleichender Blick, ein körperloser Blick und einer mit dem bei
aller Eleganz der Bewegung schweren Körper der großen, vorsichtigen,
und doch mutigen Schlange. In Gus van Sants Remake, übrigens, bleibt
dieser Schnitt aus, die Kamera fliegt übergangslos von draußen
nach drinnen, eine technisch ganz unmögliche Bewegung, ein Trick, ein
ganz anderes Gefühl, ein digitales Fliegen, eines, das uns in einen
ganz anderen Raum versetzt als den, den wir als den unseren kennen, in eine
ganz andere Bewegung als die, die uns aus dem Raum, in dem wir leben, aber
auch dem, den wir uns als möglichen Raum der Bewegung der Kamera im
Kino als zweite Haut eines Sich-Orientierens im Raum erworben haben.
(Überhaupt müsste man über die Bewegung der Kamera bei Gus
van Sant nachdenken.) Johnnie Tos Schlange behält alles im Blick, der
sie ist. Sie verlässt den Raum (bei Hitchcock lässt der Blick sich
nieder), sie kehrt zurück auf die Straße, sie beobachtet, von
hinten, zwei Beobachter, Polizisten, die auf die Verbrecher warten, die nun
von zwei Verkehrspolizisten aufgehalten werden, ein Stocken in der Fortsetzung
der Geschichte, ein Sich-Zusammendrängen, Anspannen, auf das im
Hongkong-Kino nur eine Entladung folgen kann, die rasch erfolgt, in einer
Schießerei. Wie gefeit gegen alle Kugeln, die nun den Raum durchschneiden,
bewegt sich der Kopf, der Körper der Schlange es ist eine lange
Plansequenz, immer weiter, immer noch, eine einzige schleichende Bewegung
durch diese Straße, einmal mit einer rasanten Blickwendung,
als könne das Sehen der Kinetik der Kugel folgen. Dieser Herumreißen
bleibt jedoch singulär, darin liegt, nicht zuletzt, vielleicht der Kern
von Johnnie Tos Ästhetik der Entschleunigung, die ihr Maximum gewiss
in "The Mission" erreicht hat, die in "Fulltime Killer" die Gestalt der
Operatisierung annahm und hier, in diesem weit weniger interessanten Film,
vor allem in der Setzung von Differenzen ihr Spiel findet. Differenzen zwischen
dem Tempo des Geschehens und dem Tempo der Darstellung. Wie eine Schlange,
der die mögliche Blitzschnelligkeit des Zustoßens geradezu in
der aufreizenden Langsamkeit des Schleichens, im Lauern ihres abwartenden
Schlängelns abzumerken ist, wie ein Schnellen, das sich als Schleichen
verkleidet und darin von jeder wirklichen Behäbigkeit
wesensmäßig unterschieden bleibt, wie eine Schlange folgt der
Erzähler Johnnie To hier dem Ereignen, auch dem Sich-Überschlagen
des Ereignens, Differenzen setzend auch im Soundtrack, der sehr relaxt bleibt
wie die Heldin mit ihren starren Gesichtszügen am Regiepult, die selbst
Kamera wird (oder immer noch Kamera bleibt und distanzierter Blick) da, wo
sie eigentlich mittendrin ist im Geschehen, aufs Leben bedroht. Starr bleiben
ihre Züge, kalt, lauernd, ein schleichendes Schnellen, der Blick, der
Kopf, das Züngeln einer Schlange.
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