Jump Cut Kritik

Startseite -  Inhaltsverzeichnis - Klassiker - Archiv - Links - Forum - Mail

 

Kazuaki Kiryia: Casshern (Japan 2004)

Kritik von Stefan Höltgen 

Die populären Mythen einer fremden Kultur zu verstehen, verlangt ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen und Vorurteilsfreiheit. Das wird dem Rezensenten allerdings nicht leicht gemacht, wenn er es – wie in Kazuaki Kiriyas Phantasy-Epos „Casshern“ mit einem derart beliebig zusammen gestellten ästhetischen Ptachwork zu tun bekommt. Von der Erzählung über die Motivwahl bis hin zur Ausstattung beleiht der Film westliche wie östliche Filmgeschichte und macht dabei nicht einmal vor der Ästhetik des Nationalsozialismus halt. Doch greife ich nicht vorweg, denn die Geschichte, die „Casshern“ erzählt, bildet die notwendige Basis für eine Kritik der Ästhetik des Films.

Da ist von einer neuen wissenschaftlichen Methode zur Regeneration zerstörter Zellen, Organe, ja, ganzer Körper die Rede. Als Forschunsprojekt für die Rekonvaleszenz der Soldaten im eurasischen Krieg (Orwell lässt grüßen) soll die Methode verwandt werden, ist allerdings bislang stets fehlgeschlagen. Erst als es zu einem Störfall kommt, funktioniert sie und aus der roten Flüsigkeit des Experimentaltanks steigen mit weißem Schleim überzogene untote Menschenkörper, die fast in Gänze vom herbei gerufenen Militär niedergeschossen werden. Vier der ehemaligen Leichen, die über enorme Kräfte und Selbstheilungsvermögen verfügen und sich selbst als „Neo-Sapiens“ bezeichen, gelingt jedoch die Flucht. Sie entführen die Frau des leitenden Wissenschaftlers in eine abgelegene Weltgegend und besiedeln ein verlassenes Schloss. Dort reaktivieren sie eine Roboter-Armee um in den Krieg gegen ihre Erschaffer zu ziehen und eine (ihre!) neue Rasse zu etablieren. Indes ist der Professor um seinen im eurasischen Krieg gefallenen Sohn in Trauer und erweckt diesen kurzerhand mit dem neuen Verfahren zum Leben. Der junge Mann wird mit übermenschlichen Kräften wiedergeboren und zieht in den Krieg gegen die Neo-Sapiens, deren Roboter-Armeen dabei sind, die ganze Welt zu unterjochen.

Struktur und Ablauf der Erzählung erinnern, wie auch vieles in der optischen Ausgestaltung des halb CGI-, halb Real-Films an Fritz Langs „Metropolis“: Da sind die verfeindeten Partein der Intelligenzia (Hirn) und des Proletariats (Hand) ebenfalls um Frieden bemüht, nachdem die ganze Stadt, der Demagogie eines künstlichen Menschen geschuldet – in Schutt und Asche gelegt ist. Lang wurde seinerzeit vorgeworfen, damit die Ideologie der Nazis, die ebenfalls auf eine „Verbrüderung von Hand und Hirn“ gegen den äußeren Feind setzten, das Wort zu reden. „Casshern“ ist indes über jeden ideologschen Zweifel erhaben: Sein Burgfrieden muss um jeden Preis herbei geführt werden. Auf der einen Seite die Kriegsbürokraten Eurasiens, auf der anderen Seite die faschistischen Neo-Sapiens – die japanische Antwort auf Freder aus Langs Metropolis in Gestalt des „gefallenen“ Professoren-Sohns als Vermittler und angehörigem beider Welten.

Das ganze Konstrukt wäre aus der Warte einer derartig auf Pazifismus geimpften Gesellschaft wie der japanischen gut nachzuvollziehen und es gibt auch etliche Hinweise, die fast schon eindeutig in diese Richtung verweisen (etwa die finale Atom-Explosion als Paralele zur den den japanischen Pazifismus einläutenden Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki). Wenn nur nicht der fatale Hang des Films wäre, dies in ein Zuviel an Ästhetik zu verpacken. Da fröhnt die Ausstattung in Allusionen an große Phantasy-Epen (wie etwa in den Schlachtszenen des „Herrn der Ringe“) und unverholener Bewunderung faschistischer Bildkompositionen und Architektur (die ambivalent gezeichneten Neo-Sapiens werden bewundernd und schwelgerisch in Nazi-Ambiente gezeigt).

Völlig distanzlos verwurstet „Casshern“ alles, was er für zitabel hält, zu einer großen Erzählung von Krieg und Frieden, nervt mit seinem Kitsch, überreizt seiner Oppulenz, seiner nicht enden wollenden Erzählung und seinem aufgesetzten Pathos. Was fälschlicherweise als „postmodern“ apostrophiert werden könnte, ist in Wirklichkeit genau das Gegenteil: völlige Beliebigkeit zum Zweck der ästhetischen Anästhetisierung! Fast bekommt man den Eindruck, der Film wolle die Kritikfähigkeit seiner Zuschauer mit Bildern betäuben, um seine zweifelhafte Botschaft zu verkaufen. Doch dem filmhistorisch geschulten Beobachter gehen die Geistlosigkeiten dann jedoch zu sehr auf den Geist und offenbaren sich die Sturkturen nur zu deutlich: „Casshern“ – das ist Pop-Faschismus in Reinkultur, der sich durch Zitate und Intertextualitäten als weltoffen aufzuwerten versucht, damit jedoch allein seinen kulturellen Kannibalismus und seine Ohne-Wenn-und-Aber Riefenstahl-Erhabenheitsäshetik zu Geld machen will.

zur Jump Cut Startseite

     

Suchen
 
Google
Web Jump Cut