Die populären Mythen einer fremden Kultur zu verstehen,
verlangt ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen und
Vorurteilsfreiheit. Das wird dem Rezensenten allerdings nicht leicht gemacht,
wenn er es wie in Kazuaki Kiriyas Phantasy-Epos Casshern
mit einem derart beliebig zusammen gestellten ästhetischen Ptachwork
zu tun bekommt. Von der Erzählung über die Motivwahl bis hin zur
Ausstattung beleiht der Film westliche wie östliche Filmgeschichte und
macht dabei nicht einmal vor der Ästhetik des Nationalsozialismus halt.
Doch greife ich nicht vorweg, denn die Geschichte, die Casshern
erzählt, bildet die notwendige Basis für eine Kritik der Ästhetik
des Films.
Da ist von einer neuen wissenschaftlichen Methode zur Regeneration
zerstörter Zellen, Organe, ja, ganzer Körper die Rede. Als
Forschunsprojekt für die Rekonvaleszenz der Soldaten im eurasischen
Krieg (Orwell lässt grüßen) soll die Methode verwandt werden,
ist allerdings bislang stets fehlgeschlagen. Erst als es zu einem Störfall
kommt, funktioniert sie und aus der roten Flüsigkeit des Experimentaltanks
steigen mit weißem Schleim überzogene untote Menschenkörper,
die fast in Gänze vom herbei gerufenen Militär niedergeschossen
werden. Vier der ehemaligen Leichen, die über enorme Kräfte und
Selbstheilungsvermögen verfügen und sich selbst als
Neo-Sapiens bezeichen, gelingt jedoch die Flucht. Sie entführen
die Frau des leitenden Wissenschaftlers in eine abgelegene Weltgegend und
besiedeln ein verlassenes Schloss. Dort reaktivieren sie eine Roboter-Armee
um in den Krieg gegen ihre Erschaffer zu ziehen und eine (ihre!) neue Rasse
zu etablieren. Indes ist der Professor um seinen im eurasischen Krieg gefallenen
Sohn in Trauer und erweckt diesen kurzerhand mit dem neuen Verfahren zum
Leben. Der junge Mann wird mit übermenschlichen Kräften wiedergeboren
und zieht in den Krieg gegen die Neo-Sapiens, deren Roboter-Armeen dabei
sind, die ganze Welt zu unterjochen.
Struktur und Ablauf der Erzählung erinnern, wie auch vieles in der optischen
Ausgestaltung des halb CGI-, halb Real-Films an Fritz Langs
Metropolis: Da sind die verfeindeten Partein der Intelligenzia
(Hirn) und des Proletariats (Hand) ebenfalls um Frieden bemüht, nachdem
die ganze Stadt, der Demagogie eines künstlichen Menschen geschuldet
in Schutt und Asche gelegt ist. Lang wurde seinerzeit vorgeworfen,
damit die Ideologie der Nazis, die ebenfalls auf eine Verbrüderung
von Hand und Hirn gegen den äußeren Feind setzten, das Wort
zu reden. Casshern ist indes über jeden ideologschen Zweifel
erhaben: Sein Burgfrieden muss um jeden Preis herbei geführt werden.
Auf der einen Seite die Kriegsbürokraten Eurasiens, auf der anderen
Seite die faschistischen Neo-Sapiens die japanische Antwort auf Freder
aus Langs Metropolis in Gestalt des gefallenen Professoren-Sohns
als Vermittler und angehörigem beider Welten.
Das ganze Konstrukt wäre aus der Warte einer derartig auf Pazifismus
geimpften Gesellschaft wie der japanischen gut nachzuvollziehen und es gibt
auch etliche Hinweise, die fast schon eindeutig in diese Richtung verweisen
(etwa die finale Atom-Explosion als Paralele zur den den japanischen Pazifismus
einläutenden Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki). Wenn nur nicht
der fatale Hang des Films wäre, dies in ein Zuviel an Ästhetik
zu verpacken. Da fröhnt die Ausstattung in Allusionen an große
Phantasy-Epen (wie etwa in den Schlachtszenen des Herrn der Ringe)
und unverholener Bewunderung faschistischer Bildkompositionen und Architektur
(die ambivalent gezeichneten Neo-Sapiens werden bewundernd und schwelgerisch
in Nazi-Ambiente gezeigt).
Völlig distanzlos verwurstet Casshern alles, was er für
zitabel hält, zu einer großen Erzählung von Krieg und Frieden,
nervt mit seinem Kitsch, überreizt seiner Oppulenz, seiner nicht enden
wollenden Erzählung und seinem aufgesetzten Pathos. Was
fälschlicherweise als postmodern apostrophiert werden
könnte, ist in Wirklichkeit genau das Gegenteil: völlige Beliebigkeit
zum Zweck der ästhetischen Anästhetisierung! Fast bekommt man den
Eindruck, der Film wolle die Kritikfähigkeit seiner Zuschauer mit Bildern
betäuben, um seine zweifelhafte Botschaft zu verkaufen. Doch dem
filmhistorisch geschulten Beobachter gehen die Geistlosigkeiten dann jedoch
zu sehr auf den Geist und offenbaren sich die Sturkturen nur zu deutlich:
Casshern das ist Pop-Faschismus in Reinkultur, der sich
durch Zitate und Intertextualitäten als weltoffen aufzuwerten versucht,
damit jedoch allein seinen kulturellen Kannibalismus und seine Ohne-Wenn-und-Aber
Riefenstahl-Erhabenheitsäshetik zu Geld machen will.
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