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Florian Henckel von Donnersmarck: Das Leben der Anderen (D 2006)

Von Ekkehard Knörer 

Hier träumt einer einen Traum von der DDR. Aber wer träumt? Und was träumt er? Und brauchen wir eine Traumerzählung von der DDR?

Es ist ein Traum vom guten Menschen, der an das glaubt, was er tut, und der tut, was er tut, weil er daran glaubt. Der deshalb enttäuschbar ist und verführbar. Enttäuschbar durch das schiere Böse bloßer Macht. Verführbar durch das schiere Gute des Glaubens an eine bessere Welt. Der Film träumt sich also eine Nische des Guten im bösen System, eine Nische, in der auch ein Folterer beginnen kann, Brecht zu lesen (den poetischen Brecht, nicht den stalinistischen Brecht der Lehrstücke), in der auch ein idealistischer Autor die Balance halten kann zwischen Dissidenz und Macht, weil er im Inneren nicht korrupt ist. Der Bereich des Heilen, wörtlich und metaphorisch, ist der Bereich der Kunst. Böse Menschen singen keine schönen Lieder und dem Stasi-Beobachter zwingt die Sonate vom guten Menschen eine Träne ins Auge.

Mancher hat dergleichen geträumt, gerade in der DDR, in der eine Idee vom besseren Staat besserer Menschen ja nicht von vorneherein diskreditiert war. Es gab, wie sich bald zeigen sollte, sogar IMs, die sich für Dissidenten hielten und ihren Führungsoffizier für einen Bruder im Geiste. Das aber beweist nur, dass der Traum der Guten vom Guten im Bösen aufs Ganze gesehen eine Illusion war, nichts anderes. Und doch träumt "Das Leben der Anderen" den Traum der DDR, noch einmal, noch einmal von vorne, in einer Situation, in der alles längst so offenkundig gescheitert ist. Aber geträumt werden muss, noch siebzehn Jahre später. Worauf das, alles in allem, hinausläuft, ist dann doch, es muss gesagt sein: gesamtdeutscher Kitsch.

Es liegt das auch an der abschüssigen Bahn, auf die der Film gerät, nicht sofort, sondern irgendwann. Denn zunächst nimmt er Strukturen in den Blick. Ganz wörtlich: Strukturen des Blicks. Das Theater als Szene, ein Blick von oben, ein inquisitorischer Blick, Konzentration auf die Positionalität des Personenarrangements. Hier der Täter (ein Folterexperte), da die Opfer (die Künstler). Die Grenzen zwischen Gut und Böse scheinen nach einer einführenden Folterszene klar. Dann aber die Verschiebung, des Blicks und der Sympathien. Der Lauscher entwickelt Sympathien für die Belauschten, wir entwickeln Sympathien für den Lauscher. Zunächst orchestriert der Film diese Verschiebung noch recht subtil, im Einsatz der Kamera, auch der Musik. Eher eindringlich als aufdringlich. Das kulminiert in einem großartigen Bild: Der Lauscher mit Kopfhörer auf einem Stuhl, eingeschlafen mit den schlafenden Belauschten, in der Haltung des Schmerzensmannes, wehrlos gegen die Wehrlosen. Und für diesen Moment ist oder wird der Traum beinahe glaubhaft.

Zwischen der Skylla großäugiger Innerlichkeit (Ulrich Mühe) und der Charybdis des Ausbuchstabierens schleudert "Das Leben der Anderen" bald aber nur noch von hier nach da, verliert die Balance des Beginns und schreddert seine Figurenbeobachtungen und Strukturanalysen in einer Plot-, auch Melodramenmechanik, die nur noch wenig mit DDR, 1984 und viel mit Fernsehen, Hauptsendezeit zu tun hat. Das kulminiert, nur zu passend, in der überflüssigen Koda nach '89, die dem Betrachter zu guter Letzt noch in schäbiger Weise Rührungsmomente abknöpfen will.

P.S.: Ich erinnere mich gut an das gelbe Licht der Laternen im Osten Berlins. War es nicht viel fahler und keineswegs so butterweich golden wie ein ums andere Mal hier?

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