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Caved Zahedi: I am a Sex Addict (USA 2005)

Kritik von Stefan Höltgen 

„Ich erzähle ohne Realität vorzutäuschen“, sagt Caveh Zahedi über seinen Film „I am a Sex Addict“. Das ist schon deshalb eine provokative Aussage, weil er gleichzeitig betont, dass dieser wie alle seine Filme autobiografisch geprägt ist und somit durchaus (s)eine Realität referenziert. Weiterhin steht der Aussage entgegen, dass Zahedi in seinem Film selbst die Hauptrolle „spielt“ – eine Figuren namens „Caveh Zahedi“, die im Verlauf des Films mit anderen Personen der „biografischen Realität“ des Regisseurs in Interaktion tritt. Welche Art von Realität meint er also, täusche der Film nicht vor?

„I am a Sex Addict“ wirft einen Blick auf eine sexuelle Manie: Der männliche Protagonist, der sich selbst als liberal in jeder Hinsicht skizziert, verfällt nach und nach einem, wie er es nennt „prostitute fetish“. Er ist von dem Gedanken besessen, mit Prositutierten Sex zu haben könnte viele seiner Probleme lösen – besonders aber, ihm bei seiner sexuellen Selbstfindung helfen. Mit dieser Annahme stößt er nicht nur seine Freundinnen und Ehefrau(en) vor den Kopf, sondern diffamiert auch seine eigene Einstellung als Feminist. Seine komplette Sicht auf die Wirklichkeit wird nach und nach von dem Gedanken überformt, sich mit Prostituierten einzulassen. Das geht schließlich soweit, dass er meint, selbst gewalttätige erotische Fantasien an ihnen ausleben zu müssen – und sich darüber wundert, dass die Hure, bei der er diese verwirklichen will, nichts dagegen einzwenden hat.

Zahedis Film bedient sich verschiedener Mittel der Authentisierung, um die biografische Nähe des Sujets zu unterstreichen. Auffällig ist, dass es gerade solche Mittel sind, die den Film als „gemacht“ ausweisen, die die Realität hinter den Bilder verbürgen sollen: beständige Kommentare des Protagonisten zu den jeweiligen Szenen – teilweise mit einem Anhalten der Handlung und einem Blick in die Kamera verbunden, theatreske Verfremdungen von Orten (wie etwa einem Drehort in San Francisco, der allein durch Suggestion und einen mit Baskenmütze vorbeigehenden Baguette-Träger zu „Paris“ gemacht wird) und schließlich sogar der Einsatz von Zeichentrick, Schwarzfilm, Audiomedien, die Momente, welche Zahedi aus verschiedenen Gründen nicht filmen konnte oder wollte, paraphrasieren sollen.

Die „nicht vorgetäuschte Realität“, von der Zahedi spricht, ist also einerseits ganz auf der Oberfläche seines Hybrids aus Dokumentar- und Spielfilm zu finden. Doch verweist diese Oberfläche ja eben durch ihre Ästhetiken der Authentisierung einmal mehr auf den „realistischen“ Background der Geschichte. Diese ist es andererseits, die sich der Erfahrungswelt und damit einem sozialen und psychologischen Verständnis von Realität des Zuschauers entzieht: Die Sucht, die Obsession, die Verzweiflung, die aus der manischen Suche des Protagonisten nach sexueller Erfüllung entsteht, entzieht sich jeder Wirklichkeit bürgerlicher Sexualmoral. Zahedi sieht und beschreibt sich selbst folgerichtig als einen Avantgardisten – die Machart seines Films dupliziert diesen Gestus.

„I am a Sex Addict“ ist so in zweierlei Hinsicht eine Lebenslüge: Zum einen, weil der mittlerweile „geheilte“ Sex-Addict Zahedi das, was er in seinem Film zeigt, als biografische Verfehlung darstellt, eben als die Lebenslüge, durch diese Art der Sexualität zur eigenen Identität zu finden. Andererseits ist er eine Lebenslüge, weil Zahedi durch seinen Film natürlich nachträglich Verständnis vom Zuschauer einfordert. Dieser bekommt eine geraffte und ästhetisch überformte (allein ein Bild-Vergleich der realen und der fiktiven Frauen aus Zahedis Leben/Film offenbart dies!) Version der Dinge, wie sie sich in Jahren abgespielt haben, in Minuten präsentiert. Nachträglich mit Sinn und Kohärenz versehen, die sich aus der Analyse der eigenen Biografie ergeben. Weil der Film „sehr selbstreflexiv“ ist, wie Zahedi anmerkt, kann er doch wieder Realität für sich verbuchen – eine Metaerzählung über Filmbiografien, die mit viel Ironie auf ihre prinzipielle Unerzählbarkeit hinweist.

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