"Krieg der Welten", Herbert George Wells Geschichte einer
außerirdischen Invasion, ist mehr als ein Klassiker der Science-Fiction.
Der Roman legte den Grundstein für ein ganzes Genre. "Krieg der Welten"
ist ein Mythos. Der Mythos der Bedrohung von außen, der sich ideal
in verschiedene politische Strategien der vergangenen 100 Jahre einpassen
ließ. Seit seinem Erscheinen 1898 hat der Roman Hunderte von Nachfolgern
und Nachahmern, in Form von Büchern, Filmen, Radio- und Fernsehproduktionen
sowie eines Musicals, gefunden, die alle dem gleichen, simplen Schema folgen.
Fremde Wesen von grausamer Gestalt und roboterhafter Kälte greifen die
Erde an, um sie zu unterwerfen. Bis sie schließlich durch einen
kühnen Helden, das tapfere Militär oder einen blinden Zufall
zurückgeschlagen werden, richten sie unermessliche Zerstörung an.
Da die Bedrohung jedoch bleibt, muss man sich mittels staatlicher Anordnungen,
stetem Misstrauen gegenüber allem Fremden, durch konsequente
Aufrüstung und andere "Sicherheitsmaßnahmen", auf die mögliche
Wiederkehr "des Bösen" vorbereiten. Das Schema lässt sich leicht
übertragen, etwa auf Juden, Kommunisten, Ausländer oder Terroristen.
Diese Übertragungsmechanismen sind Teil der Rezeptionsgeschichte und
bilden eine Kontinuität bei der Wiederverwendung von "Krieg der Welten".
"Der Roman scheint immer dann wieder zum Vorschein zu kommen, wenn die Angst
vor einer wirklichen Invasion da ist", erläutert H.G. Wells Enkel, Dr.
Martin Wells. "Als der Roman erschien, waren die Briten sehr nervös
über die Handlungen des Kaisers."
Orson Welles Hörspielfassung, die der Sage nach eine Massenpanik
auslöste, weil große Teile der Bevölkerung sie für echt
hielten, wurde 1938 am Vorabend des zweiten Weltkriegs ausgestrahlt. Und
eine Verfilmung aus dem Jahr 1953 nahm eindeutig Bezug auf die vermeintlich
drohende Gefahr durch Kommunisten, während der Zeit des Kalten Krieges.
Auch für Steven Spielberg, bislang eher bekannt für freundlichere
Gäste aus dem Weltall, hat die Geschichte "gerade heute eine große
Bedeutung". Die von ihm inszenierte optische und akustische Materialschlacht
ruft Erinnerungen an die Ereignisse des 11. September wach. Der Film ist
visuell sehr poetisch. Auf raffinierte Weise stilisiert, gelingt es ihm,
einen Eindruck von Realismus und Authentizität zu suggerieren, der eine
fieberhaft-chaotische, Angst einflößende Stimmung schafft. Die
Ausleuchtung erzeugt eine beeindruckende Farbpalette, die leicht bläulich
beginnt und im Verlauf der Handlung immer stärker von Rot dominiert
wird. Ein von den Außerirdischen mitgebrachtes, rotes Klettergewächs
breitet sich auf der Erdoberfläche aus und, das von den Aliens wieder
ausgespieene Menschenblut, überzieht die Landschaft bald mit einem
scharlachfarbenen Film. In ihrer symbolischen Bedeutung ist Blau einerseits
ein Hinweis auf Hoffnung und Beständigkeit, andererseits ist es auch
die Farbe der Trauer, des Unheils und des Bösen. Das Omen findet
Bestätigung im Rot, das für Blut, Kampf und Tod steht und die
Signalbedeutung "Gefahr" hat. In Altägypten war "rot machen" gleichbedeutend
mit "töten". In der Bibel ist es die Farbe der Sünde und Sühne.
Auf der Handlungsebene setzt Spielberg auf Reduktion. Es ist ein sehr einfacher
Plot. Eine Geschichte über das Überleben, über einen Vater,
der versucht, seine Kinder zu beschützen. Tom Cruise spielt den geschiedenen
Dockarbeiter Ray Ferrier. Kurz nachdem seine Ex-Frau (Miranda Otto) und ihr
neuer Ehemann seinen Teenager-Sohn Robbie (Justin Chatwin) und seine junge
Tochter Rachel (Dakota Fanning) für ein Besuchswochenende bei Ray
abgeliefert haben, taucht eine gewaltige, dreibeinige Kriegsmaschine auf
und legt alles in Schutt und Asche. Die Menschen werden von der Invasion
völlig überrumpelt. Wo sie sich auch hinwenden, nirgendwo gibt
es Schutz. Ray versucht verzweifelt, seine Kinder in Sicherheit zu bringen.
Die ausschließliche Konzentration auf diese drei Hauptcharaktere, ihre
Probleme, ihre Beschränkungen, das Fehlen jeglicher Information, lässt
das Geschehen für das Publikum zu einer sehr persönlichen Erfahrung
werden. Dieses Stilmittel, den Bericht in der Ich-Form, übernimmt der
Film von seiner Vorlage. Darüber hinaus entfernt sich die Handlung jedoch
weit von der des Romans. Die Geschehnisse werden vom viktorianischen London
ins zeitgenössische New Jersey verlegt. Verschiedene Charaktere des
Romans, wie der Wissenschaftler Oglivy und der Kurat, mit dem sich Wells
Protagonist einen sehr engen Raum teilen muss, werden in einer Person
zusammengefasst. Die Geschichte bewegt sich von einer urbanen Kreuzung, an
Highways und Flüssen entlang, mit Flüchtlingen, die in die weiten
Landschaften strömen. Die Reise geht durch eine trostlose Landschaft,
in der die Charaktere auf das Einfachste reduziert sind. Sie folgen der
Straße, folgen dem Fluss, nehmen die einfachsten Wege, um irgendwohin
zu gelangen.
In der Reduktion liegt zweifellos eine Stärke des Films, denn im Gegensatz
zu Roland Emmerichs Plagiat ID-4, vermeidet Spielberg die aus der Romanvorlage
entstandenen Klischees. Keine Zerstörung berühmter
Sehenswürdigkeiten, keine Szenen mit Generälen, die um eine große
Landkarte herumstehen und darauf Schiffe mit großen Stöcken
verschieben, keine Fernsehteams, die die Zerstörung filmen und kein
Held, der aufgrund seiner wissenschaftlichen Vorbildung dazu prädestiniert
ist, die Welt zu retten. Man muss Spielberg zugute halten, dass er die
grundlegenden Elemente der menschlichen Natur im Konflikt mit einem
außerordentlichen, übernatürlichen Ereignis, in ihrer gesamten,
schonungslosen Bandbreite, darstellt. Ray Ferrier ist weit entfernt von den
noblen oder diabolischen Charakteren, die Cruise für gewöhnlich
portraitiert. Er ist nicht heroisch, sondern flüchtet. Sein einziges
Ziel ist, sich und seine Familie mit allen Mitteln zu schützen, und
zu diesen Mitteln zählt auch unterlassene Hilfeleistung, ja sogar Mord!
Leider bleibt aber auch diesmal der philosophische Kern des Romans auf der
Strecke. Hier zeigt sich die Kehrseite des Reduktionismus. Wells
doppelbödiges Erzählen, seine Zweifel an den Fähigkeiten der
Menschheit, aus einer solchen Auseinandersetzung nicht als Barbaren
hervorzugehen, seine humanistischen Appelle, all dies fällt unter den
Tisch. Wells schuf das Bild des Menschen als Opfer oder gar Nahrung anderer
Lebewesen nicht zum Selbstzweck des Horrors, sondern hob es auf ein soziales
Niveau. Selbst die äußere Erscheinung der Aliens und ihr Verhalten
ist Parabel: "Sie waren Köpfe, nichts als Köpfe" heißt es
im Roman. Ihre menschenverachtende Kälte, und auch ihr Untergang, werden
als logische Konsequenz der Unterdrückung der emotionalen Seite des
Menschseins durch einen verselbständigten Geist angesehen. Der Autor
selbst zieht aus der glücklich überstandenen Invasion die Lehre,
"gegenüber den dem Menschen und seiner Herrschaft ausgelieferten Tieren
Barmherzigkeit walten zu lassen, auf dass es nicht uns dereinst, als Ungeziefer
unter dem Tritt einer anderen Herrenrasse', ebenso ergehe wie jenen.
[..] Und bevor wir sie (die Aliens) zu hart beurteilen, müssen wir uns
erinnern, mit welcher schonungslosen und grausamen Vernichtung unsere eigene
Gattung nicht nur gegen Tiere, sondern gegen unsere eigenen eingeborenen
Rassen gewütet hat."
Das Zeitalter der sich explosionsartig ausbreitenden optischen Medien und
ihrer uneingeschränkten Reproduzierbarkeit konnte er freilich nicht
voraussehen. Ebenso wenig die damit einhergehende massive politische
Indoktrination durch Bilder. Doch Opferdasein, Versklavung oder Ausrottung
scheinen bildkräftig genug, um von den visuellen Medien ausgeschlachtet
zu werden. Szenen der Unterdrückung des Menschen bis zu seiner Verspeisung
durch den "Weißen Hai" sind zu Vorreitern der optischen Trivialkunst
geworden, und die technischen Möglichkeiten, mit denen in den letzten
Jahren Science-Fiction Filme produziert wurden, haben das bei Wells Angedeutete
auf der Breitwand zelebriert. Eine Reflexion darüber, was dort wirklich
passiert, wurde dabei oftmals verschüttet und durch neue Bilder aus
den Köpfen herausgefegt. Ursprünglich war der Stoff als Parabel
auf die Kolonialpolitik des Empire angelegt und vertauschte hierzu die Rollen
von Eroberern und Opfern zu Ungunsten der Briten. Doch statt daraus nun
folgerichtig eine Anklage wider den amerikanischen Imperialismus zu machen,
verkündet Spielbergs Version eine Durchhaltebotschaft, die die puritanischen
Familienwerte instrumentalisiert und ein reaktionäres Zusammenstehen
gegenüber dem Fremdartigen propagiert.
Vielleicht inspiriert dieses, zugegebenermaßen durchaus spannende
Popkornkino dazu, den Text wieder einmal im Original zu lesen. Die Frage,
ob es, ohne die von Wells postulierte Harmonie und die Haltung milder Vergebung,
möglich sein wird, die ideologisch verblendeten und versteinerten
Machtfiguren, die seine Außerirdischen letztendlich symbolisieren,
zu überstehen, kann indes weder Film noch Buch sondern nur der Mensch
entscheiden.
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