Wenn der Eröffnungsfilm eines Festivals Abbild desselben
wäre, sähe es bei der Berlinale in den nächsten Tagen zum
Kotzen langweilig aus. Nun weiß man aus Erfahrung, dass der
Türöffner zum kinoverliebten zehntägigen Vollrausch ein
Fußstopper ist. Alle Scheinwerfer sollen sich auf den einen signalroten
Fleck richten, auf den dann Bitte! Danke! die namhaften
Hauptdarsteller mit dem Festivaldirektor durchs dick mit Mikro und Kamera
bewaffnete Spalier der internationalen Presse stelzen. Ruck, zuck haben die
Fernsehsender ansehnliche Bilder von gut angezogenen, etablierten Prominenten
im Kasten, und alle, die es ums Verrecken jedes Jahr wieder von Neuem wissen
wollen, erhalten ihre Bestätigung, dass Berlin zehn Tage Nabel einer
hoch getunten Glamour-Welt sein kann. Danach kann man den Fuß aus der
Tür ziehen, und der Eröffnungsfilm ist Geschichte. Ein Prinzip
der öffentlichen Mästung, in dessen Folge die hungrigen Mäuler
jetzt hoffentlich erstmal gestopft sind.
Man to Man von Régis Wargnier (Indochine)
mit Kristin Scott Thomas und Joseph Fiennes in den ledading roles spielt
als historisches Abenteuerepos erst in den grünen Wipfel
des südafrikanischen Dschungels, wo der couragierten Tierhändlerin
und dem schottischen Anthropologen zwei Pygmäen ins Fangnetz gehen,
die dann mit einer Reihe von Warzenschweinen, Affen, Geparden und anderem
exotischen Getier gen europäischer Heimat verschifft werden. Die Ignoranz
der darwinistischen Evolutionsforscher sowie der Zoo-verliebten Gesellschaft
in Schottland am Ende des 19. Jahrhunderts sind genau so dargestellt, wie
man sie aus muffigen alten Schinken und Filmen wie Greystoke
(1984) in Erinnerung hat. Kristin Scott Thomas, die aussieht, als hätte
sie sich Cate Blanchetts Kleid und Gewehr aus dem Kostümfundus von
The Missing geliehen und ihre Haare dem Umfeld entsprechend von
Stylisten gekonnt verwuscheln lassen, sowie Joseph Fiennes, der seinen
Dackelblick perfektioniert hat, versprühen keimfreies Charisma von der
Leinwand.
Scott Thomas Läuterung von der die so genannten Wilden ans Publikum
verschachernden Geschäftsfrau zur Busenfreundin der Pygmäen oder
Fiennes Metamorphose vom besessenen Wissenschaftler zum isolierten Zweifler
in dem selben Käfig, in dem vorher die Kreaturen aus dem Urwald gefangen
gehalten wurden, erinnert aus der Ferne an die Satire Human Nature,
nur dass ihnen jeglicher Esprit fehlt und Ironie, wenn überhaupt vorhanden,
unfreiwillig durch die Gitterstäbe des allzu gut gemeinten
Gesellschaftsdramas wabert. Es ist wirklich an der Zeit, dass man die hungrigen
Mäuler, die nach Glamour, Stars und fernsehtauglichem Material gieren,
an dem überbewerteten, ein paar Meter kurzen roten Fleck mit etwas stopft,
dass sie aus ihrem alljährlichen Fressverhalten sprengt. Aber es ist
wie jedes Jahr, wir ziehen den Fuß aus der Tür und freuen uns
auf alle interessanten Filme, die nach diesem gähnend langweiligen Auftakt
über die Leinwände ziehen. Klappe zu.
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