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Joshua Marston: Maria voll der Gnade (USA 2003)

Eine Kritik von Ekkehard Knörer

 

"Maria voll der Gnade" erzählt eine einfache Geschichte, und er erzählt sie in einfacher Manier. Es ist die Geschichte der Kolumbianerin Maria, die ihren Job hasst und nach demütigender Behandlung durch ihren Chef hinschmeißt. Dazu ist sie schwanger, den Vater des Kindes liebt sie so wenig wie er sie, sie werfen sich das in erfrischender Freimütigkeit an den Kopf, und eines ist klar: sie muss raus aus dieser Welt, weg von ihrer schwer im Elend versackten Schwester, es bleibt nur die Flucht aus einer prädestinierten Zukunft ohne Hoffnung. So lässt sie sich ein auf ein riskantes Spiel, fliegt als Drogenkurierin nach New York und aus dem Spiel wird schnell Ernst, eine anderer Kurierin, eine Freundin fast, kommt ums Leben durch eine geplatzte Drogenkapsel.

Es ist dies, so einfach sie ist und gerade weil sie so einfach ist, eine glaubwürdige Geschichte. Ähnliche Schicksale gibt es in großer Zahl, die Verhältnisse sind so, wie der Film sie schildert. Nur vielleicht nicht so gut ausgeleuchtet. Und wahrscheinlich sind die Marias dieser Welt auch nicht so wunderschön und bei aller Schwangerschaft jungfräulich wie die von Catalina Sandino Moreno dargestellte Figur. Vermutlich ist die Mühsal, die es bedeutet, diese wie kleine Würste verpackten Drogenkapseln herunterzuwürgen, auch viel größer, als dass es mit ein paar Einstellungen und Schnitten darzustellen wäre. An der Darstellbarkeit dieses Schicksals aber hat der Film, so einfach er ist und gerade weil er so einfach ist, keine Zweifel. Er sucht sein Heil im Erzählen, einen Schritt nach dem anderen, bringt die Schwester der umgekommenen Kurierin ins Spiel und einen dicken und freundlichen Herrn, der ein paar der zu erwartenden Probleme aus dem Weg räumt.

Man sieht Maria in den Straßen von Queens, New York – und muss sich unwillkürlich an den im Forum gelaufenen Bollywood-Film "There May be No Tomorrow" erinnern, der auch da spielte. Auf den ersten Blick liegen Welten, zwischen dem ärmlichen spanischen Queens dieses Films und dem turbulenten, gelentlich in Gesang und Tanz explodierenden indischen Queens aus Bollywood. Und auf den ersten Blick möchte man das eine für Realismus halten, das andere nicht. Vielleicht ist das aber ganz falsch: die Bollywood-Form weiß um ihre Künstlichkeit und macht daraus ihr Prinzip. Ein Film wie "Maria voll der Gnade" aber zeigt nicht den Hauch einer Ahnung von den Schwierigkeiten, die noch vor dem ersten Bild darin liegen, politische Verhältnisse erzählförmig zu machen. In der Hinsicht war sogar John Boormans verunglückter "Country of my Skull" reflektierter: er ist mit dem vermutlich von Anfang an zum Scheitern verurteilten, aber doch klar als solcher markierten Versuch, der großen Geschichte ein intimes schwarz-weißes Liebes-Vehikel zu bauen, mit Schwung an die Wand gefahren.

Die Schwäche eines Films wie "Maria voll der Gnade" liegt genau darin, dass diese Gefahr nicht einmal besteht. Im schlimmsten Falle langweilt er zu Tode und im besten wird er ein ordentlicher Fernsehfilm. Genau das ist er denn auch, produziert vom amerikanischen Bezahlsender HBO. Man sieht das in jedem Bild und man nähme es ihm nicht einmal sonderlich übel, wäre die Auswahljury der Berlinale nicht auf die verrückte Idee verfallen, ihn in den Wettbewerb des Festivals zu schicken.

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