"Er vermittelt und vermittelt und vermittelt", heißt es einmal über
den Schurken des Films, Owen Davian. Das Böse in "Mission Impossible:
3" ist - programmatisch - die Vermittlung, also das Medium. Ästhetisch
gesehen ist das im Kontext des Hollywood-Films aber kaum durchzuziehen. Medien
vermitteln am besten, indem sie unauffällig bleiben; was darüber
hinaus geht, ist Manier und behindert den Transport und Tausch, von Botschaften
oder McGuffins. Das Hollywood-Kino, als funktionales, verbirgt seine Mittel
und setzt, in einem sehr genauen Gegenzug, beim Erzählen von Geschichten
auf Personalisierung. Hypomedial in der Form, hypermedial in der
Figurenzeichnung: das ist, streng vereinfacht, die Formel des klassischen
US-Action-Kinos, an das "Mission Impossible 3" ziemlich entspannt
anschließt. (Es ist keine universale Formel für das Kommerzkino.
Bollywood, als Kino des Genusses, Hongkong, als Kino einer anderen, weil
radikaleren Folgenlosigkeit seiner Szenen und Bilder funktionieren ganz anders.
Wie wenig es zusammenpasst, lässt sich an John Woos "Mission Impossible
2" ermessen.)
Auch ist Philip Seymour Hoffman das Gegenteil eines funktionalen Schauspielers;
er verschwindet nicht hinter den Rollen, die er spielt, sondern er führt
das Verschwinden vor, als Kunst. Das ist eine raffinierte Form von Manier,
eine Manier nämlich, zu der der Schein der Mühelosigkeit gehört:
reine Virtuosität. Von der Vermittlung als sich unsichtbar machender
Medialität ist das um den entscheidenden Faktor der Präsenz entfernt:
Keine Sekunde lang glaubt man, Tom Cruise könne sich als Philip Seymour
Hoffman maskieren. Der Gedanke ist nachgerade lächerlich. Sobald er
es ist, und nicht mehr Cruise, ist Hoffman als Hoffman präsent, über
jede Unverwechselbarkeit von Individuen hinaus. Es ist, als gewönne
die Schurkenfigur in ihrer Fähigkeit zur Verdopplung noch einmal Charisma;
es ist, als könne "Mission: Impossible 3" noch seine buchstäbliche
Metapher von der Maskenhaftigkeit der Person, von ihrer Ersetzbarkeit, nur
auf den Schurken zurechnen und seine Schurkenhaftigkeit. Das Individuum als
präsente Verkörperung des Bösen veschwindet nicht und verschwindet
nicht und verschwindet nicht.
Von transzendentaler Gleichgültigkeit sind für dieses
Hollywood-Action-Kino dagegen Raum und Zeit. Sie streben dem Zustand genereller
Austausch- und Formbarkeit, einem bloßen "alias" serieller Ersetzbarkeiten
zu: Berlin Deutschland, Rom Italien, Shanghai China, Brücke USA. Als
Virtuose eines solchen "Alias", des fliegenden Wechsels von Orten, einer
schwunghaften Bild- und Raumagentur, hat sich J.J. Abrams mit der Fernsehserie
"Alias", die Kino sein wollte und nun, am anderen Objekt, als andere Serie
auch geworden ist, bewiesen. So folgen hier die Bilder aufeinander, ohne
aneinander - oder im Gedächtnis oder an Orten - zu haften.
Schön schwingt Tom Cruise von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer, um dann
- inszeniert ist das fast desorientierend - über Licht und Glas zu gleiten,
fast schwere- und materielos, im freien Fall. Es ist, in Wahrheit, kein freier
Fall und auch kein Wunder, sondern mathematisches Kalkül: Er hat's zuvor
auf dem Fenster, das transparent ist zur Welt (deren "Materialität"
so selbst als transparent vorgeführt wird; der Wolkenkratzer-Kalculus)
aufgezeichnet sowohl als auch berechnet. Wunderbare Mise-en-abime dieses
Problems von Materie und Formel - als Gleichung ergibt es schwerelose Action
-: Als Spiegel, verkehrt herum, hängt in Stellvertretung der
Rest-Materialität einer Lebenswelt die Wäsche neben den Häusern
auf dem Glas. Und dies Glas selbst ist zugleich durchsichtiges Medium und
Fläche, auf der die Berechnung genau des Verhältnisses von Materie
und Schwerelosigkeit eingetragen, eingeschrieben wird. Das ganze Paradox
des Action-Spektakels in einem komplexen Bild!
Dem Moment der Transparenz - und nicht der Einschreibung - entspricht der
Spektakel-Charakter der Action: Knall auf Fall explodieren die Objekte, die
Intensitätslogik des Spektakels ist aber eine des Gleitens auf straff
gespannten, aber kurzen Spannungskurven. Das Mitfiebern der Spannung
schießt durch den Körper als Strom; es haftet ausdrücklich
nichts, vorbei ist vorbei. Die Dinge hängen aneinander, aber fast wie
berührungslos, ein Gleiten über Glas und Licht, das man kaum
fühlt. Dem man immer nur hinterher ist - es gibt keine Gleichzeitigkeit
der Erfüllung. Das Sehen eines solchen Films ist wie das Gleiten auf
dem Eis; möglich nur dank eines unsichtbaren Films: Wasser auf Eis,
ein Hauch von Wärme. (Und dieser unsichtbare Film: Wäre er nicht
genau das richtige Verhältnis von Hypo- und Hypermedialität? Die
Vermittlung von Formel und Materialität als unsichtbares Drittes? Ein
Gleiten, das bei aller rasanten Beweglichkeit die Materie ahnen lässt?
Figuren, die dem bloßen Gleiten, der reinen Intensität einen
Widerstand entgegensetzen, ein Haften? Und umgekehrt die Gefahr, stecken
zu bleiben, ins Stocken zu geraten, wenn das eine oder das andere
überdosiert wird: ein dummer Dialog über eine verschwundene Katze;
ein Tick zu lange aufgeschoben die Spannung auf der Toilette im Vatikan...)
Als Komplement der dem Wolkenkratzer-Kalculus gehorchenden Actionszenen also
Reibungsenergie anderer Art. Als fürs Gelingen dieses Kinos notwendige
Ergänzung der Ästhetik des Gleitens. Dafür klebt also an den
Helden der Mut und an den Schurken die Raserei - als Exzess. Der Schurke
und der Held, de jure des Plots nicht mehr als Vermittler und Unterbrecher,
geraten de facto aneinander in exzessiver Leidenschaft. Der Hass des Schurken
auf den Mann, der ihn erwischt, geht über die seltsam neutrale Lust,
oder die Lust am Neutralen, die dem Tausch und dem Medium innewohnt, weit
hinaus.
Mit Tauschaktionen, die behindert werden, ist das nicht zu erklären.
Die Ehefrau, als Dritte zwischen den beiden, ist so das tatsächliche
Neutrum; schieres Haftmittel, Reibungsfläche für Leidenschaften;
so schön wie leer, der eigentliche McGuffin des Films, der mit seinem
scheinbaren McGuffin, der ziellos durch die Actionsequenzen kullernden
"Hasenpfote", demonstrativ lässig umgeht. (Der Symmetrie halber gibt
es ein zweites Neutrum, als Komplement des Schurken - der freilich gewinnt
an der Gesichtslosigkeit seines Compagnons das Profil, das er ohnehin hat.)
Gerade weil es Tom Cruise an Charisma gebricht, braucht es die Frau. Das
Ehefrau-Kalkül: Wir haften an der Figur, weil sie selbst haftet. Mit
diesen Bindungskräften hantiert der Film (wie er das macht, das kann
man etwas plump finden); die Doppel-Persona Cruise/Ehefrau macht den Helden,
an dem uns liegt.
Die Frau selbst hat nicht das mindeste bisschen Individualität (die
Frau als Krankenschwester: nichts als Klischee), sie ist durch und durch
funktional. Darum müssen wir uns auch nicht wundern, dass sie am Ende
schießen kann wie ihr zeitweilig toter Mann. Sie vertritt seine Stelle,
weil sie in diesem Moment niemand anders ist als er. Wie jede Auflösung
enttäuscht auch diese qua Auflösung. So einfach, so plump war das
alles in Wirklichkeit? Unser Fiebern, unser Haften an den Figuren nichts
als ein Wolkenkratzer- und Ehefrauen-Kalkül? (Die Enttäuschung
ist freilich nur die halbe Wahrheit: die andere ist der Film, an dem wir
haften, so lange er dauert. In der Lösung lösen wir uns. Vorbei
ist vorbei. So einfach, so schön ist das alles in
Wirklichkeit.)
(25.5.2006)
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