Was "München" erzählt, ist sachlich vielfach falsch,
lesen wir, bezwiehungsweise erfunden und immerhin behauptet der Film das
Gegenteil nicht. Er hat, in den USA vor allem, Anlass geliefert fürs
Rechten über den Konflikt zwischen Israel und Palästina, oft auf
dem Niveau von Unterkomplexität, das er vorgibt. Manch einem hat es
genügt, dass er einem die Botschaft, die er in Szene setzt, nicht
einprügelt. Man kann auch andere Ansprüche haben.
Es fragt sich, wozu der Film, als Film, gut sein soll. Was Spielberg will
und warum er tut, was er tut. Warum er zum Beispiel ein kleines Mädchen
dem Thrill zum Fraß vorwirft, während er zugleich und mit genau
diesen Mitteln doch sagen will, dass Gewalt auch Unschuldige treffen kann.
Dass die Kinder im Kino nicht sterben, das hat er dann wohl aus jenem Tod
eines Kindes gelernt, den Hitchcock für einen Fehler hielt. Nicht in
jedem Fall lässt sich von Hitchcock was lernen, jedoch käme Spielberg
nie auf die Idee, mal beim Todfeind Godard nachzuschlagen. So scheitert er,
weil er dem Genre nicht entgeht, obwohl er die Erfüllung seiner Gesetze
mehr als einmal verweigert. dann doch mehr als einmal zu oft wieder nicht.
Ein double-bind, ein hin und her und sowohl als auch. Spielberg
wäscht sich den Pelz nicht und wird dabei nass.
Vorm durchgezogenen Gerne flieht der Film nach New Hollywood, bzw. bemüht
sich um das, was er davon zu erinnern glaubt. Der Thriller mit Schlaghosen.
Dazu treibt ihn um eine Idee von Europa, die zunächst vor allem eine
Idee von Nicht-Amerika ist. Hauptstadt-Tourismus der anderen Art. Eine
schöne Leiche auf holländischem Hausboot, eine Party bei Nacht
in Beirut, der Arm des Opfers der Bombe im Deckenventilator. Immerhin gibt
es in "München" eine Idee von der Trostlosigkeit des Lichts, im
Grünen, am Strand. Die Darsteller von allen Kontinenten zusammengeklaubt.
Eric Bana, als Chopper einst ein outriertes Scheusal, wird aus Wut über
Unrecht diesmal nicht grün. Zum Gastmahl auf dem Lande laden Michael
Lonsdale und Valeria Bruni-Tedeschi und es wird dir warm ums Herz, weil sie
es sind.
Wie großartig Michael Lonsdale sich bewegt, sieht man, aber der Film,
denkt man, sieht es nicht. Sediert sind alle, alle Darsteller, selbst bei
Desplechin zuletzt so großartig hektischen Mathieu Amalric hat Spielberg
offenkundig unter schwere Beruhigungsmittel gesetzt, das hat als Darstellungsstil
Methode. Schwer trägt das eine und andere Bild an metaphorischer Kraft
und macht so das Licht und seine Trostlosigkeit wieder zunichte: das Blut,
die Milch, die Patrone. Den lichten Bildern fehlt Farbe wie der Narration
das Timing. Mal tickt die Uhr, mal bleibt die Zeit einfach stehen zwischen
Hauptstadt, Familie und schweren Zeichen. Für gelegentliche Diskussion
über Politik findet sich Raum, es finden sich Dialoge, nur taugen sie
nichts. Dass er so grundvernünftig ist, ohne dass diese Vernunft
vernünftige Gründe böte, bringt den Film zur Strecke. Als
Thriller, als Politfilm, als Balg, der er auch ist: Spielberg mit Botschaft.
Spielberg will, muss einem scheinen, das, was er tut, nur verspricht er sich
davon Dinge, die nicht gelingen und schwerlich gelingen können. Man
sieht in jedem Bild den guten Willen, nur nicht wozu. Weil Spielberg über
die Grenzen dessen, was er kann, hinaus strebt, aber seine Idee von dessen
Transzendierung dem Genre hoffnungslos verhaftet bleibt, werden seine
Beschränkungen nur umso fühlbarer, sichtbarer, lesbarer. Zuletzt
reitet ihn der Teufel. Er setzt, parallel montierend, den Orgasmus und das
Töten ins Eins einer Ekstase. Es reitet Spielberg der Teufel einer Idee
von Kunst, die er will, ohne mehr zu wagen als er versteht.
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