Jump Cut Kritik

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Die Kunst der Pointe in Jared Hess' "Napoleon Dynamite" (USA 2005)

Von Ekkehard Knörer 

In seinem Debüt "Napoleon Dynamite" beherrscht Jared Hess die Kunst, das Selbsterlebte an einen Punkt zu treiben, an dem es auch für den, der es nicht kennt, als Wahrheit über etwas auch dem, der es erlebt hat, Fremdes erfahrbar wird. Eine Verwandlung, eine Ausstülpung des Autobiografischen als Erstellung einer Welt, die nur aufgrund ihrer Künstlichkeit verbindlich wird.

Die Kraft der Pointen des Films liegt in der Performanz ihres Vollzugs, der jeden Nachvollzug kunstvoll auf Distanz hält. Der Film setzt seine Pointen mit einem Schnitt exakt im Moment ihres punctum, justament da, wo im ungeplanten Sprung über die Kante die Großmutter vom Motorrad sich löst. Suspension für einen Moment, der Schnitt hinein in den fast nur mathematisch zu fassenden, gar nicht als Pointe zu erfahrenden Augenblick. Das Lachen bleibt, sich ankündigend, aus.

Es ist dieser Schnitt, den man zu nehmen lernt, wie er kommt: kühl, ausdruckslos, eine Geste, die sich niemals selbst kommentiert, ja, die noch ihren Gesten-Charakter minimiert. Ein Zucken, aber bewegungslos. Die Kraft der Komik von "Napoleon Dynamite" liegt in diesem Schnitt, zwischen Non und Sequitur. Zwischen der einen Szene und der nächsten eröffnet sich im Bruchteil einer Schrecksekunde ein Nichts an Witz. Aus diesem Nichts beziehen die endende und die beginnende Szene ihre Kraft: des Absturzes, des Anbruchs.

Der Sturz, der Bruch, ihr Trägermedium als ausdrucksloser Shifter und Modulator des Nichts: das Gesicht des Helden, sein offener Mund, die Dauerwelle, ein Sprechen, das nicht ferngesteuert wirkt, sondern ganz so, als gebe es auch hinter diesem Sprechen gerade nichts: keine Persönlichkeit und keine Gefühle, keine Intention, nicht einmal einen Wunsch. Napoleon Dynamite ist wunschlos, von Glück keine Rede, auch von Unglück nicht. (Oder anders: Noch Napoleons Wünsche sind wunschlos.)

Daraus entsteht eine Welt. Der Vorwurf der Denunziation findet an keiner Stelle dieser Welt einen Anhalt. Die Position des Betrachters als Urteil über die Haltung des Films zu dieser Welt bleibt dieser selbst äußerlich. Ihre Künstlichkeit nimmt in der Verkörperung durch Napoleon und seinesgleichen (Pedro, Kip, Rico) die Wirklichkeit als erfahrbar fremde auf, aber schluckt jeden Blick, der mehr will als nur sehen. (Fassungslos, könnte man sagen, aus jeder Fassung immer wieder gerissen von Schnitt zu Schnitt. Die skalpierten Pointen wirken, gerade weil sie noch den Akzent auf ihrer Akzentlosigkeit verweigern. Sie sind immer schon vorbei, wenn ihre Wirkung einsetzt, oder anderes gesagt: dieses Vorbeisein verwandelt die Wirkung, die sie haben, zur Nachwirkung, der keine Wirkung vorausging.)

Das Ending dann, Happy gewiss, auf das alles ohne im Zulaufen ersichtliche Notwendigkeit zugelaufen sein wird, ist die reine Entäußerung in zwei Gesten: Das Treffen des Balls an der Schnur im rechten Moment, ein Nichts an Kairos. Und der Rückzug der Kamera, eine Art Abwicklung, Rückzug noch vom Rest an Repräsentation. Die Figur hat sich aufgelöst und ist nun nicht länger denkbar in der Welt, die sie konstituierte. Weil dieser Figur etwas geschehen ist, das sie verändern muss, implodiert diese ganze Welt. Es könnte das, was – aus dem Inneren der vom Film zuvor entworfenen Welt undenkbar - Leben heißt, nun beginnen. (Nach dem Abspann die Annäherung an die Form der Parodie, der sich das meiste zuvor noch entzog. Ein Rückfall, wenn auch ein brillanter.)

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