Robert Thalheim, der sein Studium an der Potsdamer Hochschule
für Film und Fernsehen noch nicht beendet hat, hat für seinen Film
Netto, der noch nicht einmal sein Abschlussfilm ist, bereits
viel Lob erhalten. Ab Mai wird er gar in deutschen Kinos zu sehen sein, der
Regisseur wird landauf, landab als großes Talent gepriesen.
Man sollte die Kirche im Prenzlauer Berg lassen. Hier ist kein großer
Meister vom Himmel gefallen. Die Begeisterung sagt mehr über die
Konjunkturen bestimmter Themen und Herangehensweisen an die Darstellung
gesellschaftlicher Wirklichkeiten als über den Film. Erzählt wird
in Netto die Geschichte eines Ostdeutschen, der den Fall der
Mauer als Beglückung erfahren hat. Die Frau, die er liebte, hat ihm
einen Sohn geboren, die Zukunft war rosig. Dann ging es bergab und zwar ganz
furchtbar. Der Film erzählt in der Gegenwart, wie sein Sohn nach zwei
Jahren der Abwesenheit zu ihm zurückkehrt. Die Ehe ist zerbrochen, die
Frau ist schwanger, von einem Wessi. Der Sohn flieht, vom neuen Einfamilienhaus
in die Bruchbude im Prenzlauer Berg in Berlin, in der sein Vater haust. Der
ist eine so traurige wie unglücklicherweise auch unerträgliche
Gestalt, sehr ähnlich übrigens bis in manche Details dem Gunnar
aus der Dritten Heimat. Große Klappe, Selbstmitleid,
ständiges Genörgel über die Ungerechtigkeit der Welt und nichts
dahinter. Der Sohn hält es kaum aus, hilft ihm bei einer Bewerbung,
aus der nichts wird, haut ab, kehrt zurück, verleugnet ihn.
Es gibt peinliche Szenen, es gibt lustige Szenen, wie überhaupt das
Buch bemüht ist, den kitchensink-Realismus immer wieder aufs
Komödiantische hin abzufedern. Eine Liebesgeschichte des Sohnes kommt
hinzu, Star Wars, der Mauerpark und vor allem Peter Tschernig, der Johnny
Cash der DDR, geben Lokal- und Generationenkolorit. (Ich habe, nebenbei gesagt,
nicht gewusst, dass es Peter Tschernig gab, in dessen Gestalt die DDR das
Grauen, das den Namen Truck Stop trägt, überholte, ohne es einzuholen.
Trotzdem ist es sehr schön, wie der Film mit Tschernig umgeht und darauf
verzichtet, ihn zu denunzieren.) Vieles bleibt ungelenk, wie von einem solchen
Erstling nicht anders zu erwarten. Wirklich schön, fast schon
großartig sind zwei Szenen, in denen die Kamera dem Helden folgt, wie
er durch Berlin radelt, in der Nacht. Man hört die Geräusche des
Dahingleitens durch die Dunkelheit, fast möchte man sagen: die
Geräusche der Dunkelheit. Rabiat geht es dann immer wieder ins Klischee
zurück. Aber es gilt auch: Falsche Versöhnungen finden nicht statt.
Kein unsympathischer Film.
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